Den einen ist sie als Lärminstrument, welches letztere Bezeichnung kaum verdienen sollte, ein Graus, für die anderen ist sie individuelles Ausdrucksmittel und zählt zu den urtümlichsten Volksmusikinstrumenten: die Teufelsgeige. Doch wie kommen Teufel und Geige überhaupt in den Namen des Instruments? Und was hat es mit dem Steirischen Geigateifl und der Teufelsgeigen-Akademie auf sich?
Text: Florian Wimmer Fotos: Erwald Kraxner, Rainer Zwanzleitner, Ulrike Rauch
Geschichte und Vorläufer
Ein möglicher Vorläufer der Teufelsgeige ist der Schellenbaum, dessen Geschichte ebenfalls verworren ist. Finden sich ähnliche Instrumente bereits im alten China und Persien, so wurde dieser in Mitteleuropa von der Militärmusik ausgehend Ende des 18. Jahrhunderts als Schellenbaum (deutsch) bzw. turkish crescent (engl. türkischer Halbmond), jingling Johnny (engl. klingelnder Johnny), Chinese Pavillon (engl. chinesischer Pavillon) oder chapeau chinois (frz. chinesischer Hut) populär.2 Die in einigen dieser Namen anklingende, allgemein angenommene türkische Herkunftszuordnung des Instruments ist ebenfalls strittig: Tatsächlich sind die ersten Schellenbäume in Napoleonischen Regimentern nachweisbar und wurden erst später im 19. Jahrhundert durch die Hinzufügung von Halbmond und Stern von Wiener Instrumentenbauern türkisiert. Allerdings dürften sich die Franzosen an osmanischen Rangabzeichen, die jedoch keine Musikinstrumente waren, orientiert haben.3
Die zivile Geschichte der Teufelsgeige in Europa betrifft hauptsächlich die Variante als Musikbogen mit ein oder mehreren Saiten, die häufig als Bumbass bezeichnet wird bzw. wurde. Solche Instrumente lassen sich laut dem deutschen Musikwissenschaftler Curt Sachs bis ins ausgehende 17. Jahrhundert zurückverfolgen, als »[wandernde Bettelmusikanten] primitive […] Einsaiter« verwendeten, die er in Deutschland, Niederlande, Frankreich, England und Island nachweist.4 Der deutsche Forscher und pensionierte Museumsleiter Manfrid Ehrenwerth erwähnt ebenfalls, dass »ähnliche Musikinstrumente, wie sie Teufelsgeige und Bumbaß darstellen, in Form von Musikbögen und -stäben seit dem 16. Jahrhundert vor[kommen]« und nennt als weitere Verbreitungsgebiete Belgien, Schweiz, Italien, Spanien, Tschechoslowakei, Polen, Lettland, Litauen und Estland.5 Eine frühe Bildquelle ist das Gemälde Nächtliche Serenade des Niederländischen Mahlers Jan Steen aus ca. 1675 auf dem ein Musiker mit Bumbass zu sehen ist.
Vom Streich- zum Schlaginstrument
Der interessante und gut recherchierte Artikel bumbass (bzw. bladder fiddle) in der englischsprachigen Wikipedia gibt darüber Auskunft, dass sich die Spielweise mit der Zeit änderte: Wurde(n) die Saite(n) ursprünglich wie bei einer Geige gestrichen, so entwickelte sich das Instrument mit der Zeit zum Perkussionsinstrument und wurde geschlagen – in dieser Form ist es in zahlreichen europäischen Ländern verbreitet, etwa in Dänemark (als Rumsterstang oder Krigsdjaevel – Kriegsteufel), Polen (Diabelskie skrzypce – teuflische Geige) oder den Niederlanden.6 Bumbässe wurden auch als Schlagwerk-Imitationen vermarktet, wie auf einer Werbeanzeige aus New York – das Instrument dürfte mit europäischen Auswanderern in die USA mitgewandert sein – aus dem Jahr 1894 ersichtlich ist.
Spätestens aus dem 19. Jahrhundert sind Instrumente überliefert, ein Exemplar aus dem Metropolitan Museum of Art aus dem späten 19. Jahrhundert enthält bereits die für heutige Teufelsgeigen so typische Verzierung mit einem Kopf am oberen Ende.
Geige der Armen
Die Teufelsgeige ist im Wesentlichen ein sehr einfach und billig herzustellendes Instrument, weshalb sie häufig als Instrument der Armen und Bettler bzw. als primitives Instrument betrachtet wurde – so war sie etwa auch bei Straßenmusikanten und Fahrenden Leuten beliebt.7 Wie die erwähnte Werbeanzeige aus New York beweist, wurde das Instrument im 19. Jahrhundert aber bereits von Instrumentenfirmen fabrikmäßig produziert, verkauft und beworben und dürfte dementsprechend weit verbreitet gewesen sein. Die Teufelsgeige war auch – vermutlich ebenfalls ihrer Einfachheit bzw. einfachen Herstellung wegen – bei Soldaten beliebt und verbreitet. Ehrenwerth erwähnt etwa, dass diese im Ersten Weltkrieg »bei deutschen Soldaten ›sehr beliebt‹« war und auch im Zweiten Weltkrieg eine »wesentliche Rolle in der musikalischen Unterhaltung von Kriegsgefangenenlagern« spielte.8 Nach 1945 flacht die Verwendung ab, Ehrenwerth stellt aber zu Ende des 20. Jahrhunderts wieder ein verstärktes Interesse an der Teufelsgeige fest, »einerseits wohl, um an angebliche Traditionen anzuknüpfen […] andererseits aber auch, weil das Instrument heute nicht alltäglich ist und das besondere, exotisch anmutende Äußere zur Heiterkeit beiträgt.«9 Heute gilt die Teufelsgeige häufig als Spaß- bzw. Unterhaltungsinstrument, welches durch seine individuelle Bauweise und Verzierungen die Individualität seiner Spieler unterstreicht und von diesen oft selbst hergestellt wird.
Und der Teufel?
Der Bezug zur Geige ist durch die Geschichte des Instruments nun bereits klar geworden, doch wie kommt der Teufel in den Namen? Wie es ebendieser so will, ist die Quellenlage dazu unklar und man kann darüber nur spekulieren. Eine Möglichkeit wäre die Namensherkunft aufgrund der öfter vorkommenden Teufelsköpfe am oberen Ende des Instruments – jedoch könnte es genauso gut sein, dass diese erst aufgrund des Instrumentennamens entstanden sind. Eine weitere Verbindung wäre das Motiv des Teufelsgeigers – im volkstümlichen Sprachgebrauch etwa für den Wundergeiger Niccolò Paganini (1782–1840) verwendet – vielleicht könnte dieses analog auch für ein sehr besonderes Instrument, welches mehrere Schlaginstrumente in sich vereint, verwendet worden sein? Das Motiv der Satans-, Zauber- oder Wundergeige ist zudem in einigen Sagen und Märchen zu finden. Auch könnte man eine Verbindung des Begriffs Teufel mit Lärm herstellen (deutlich z. B. in der Begriffswendung Teufelslärm), die Ehrenwert auch im Begriff düweln (niederdeutsch für lärmen) sieht. Eine wiederum andere Hypothese für die Begriffsherkunft ist die Genese aus einer Fach- oder Gruppensprache etwa der Soldatensprache – hierfür würde die bereits erwähnte häufige Verwendung im Soldatenmilieu sprechen.10
Vom Teufelsgeigentreffen zur Teufelsgeigen-Akademie
Wie auch immer der Teufel nun in die Teufelsgeige gekommen ist – eindeutig belegt ist auf jeden Fall, dass in der Steiermark seit über 20 Jahren ein Teufelsgeigentreffen veranstaltet wird, zu dem jährlich am Dienstag vor dem Faschingsdienstag Teufelsgeigerinnen und -geiger von nah und fern anreisen, um ihre Instrumente zur Schau zu stellen und gemeinsam aufzuspielen. Höhepunkt des Treffens ist der Geigateifl-Wettbewerb, bei dem alle Teilnehmer sowohl ein Pflicht- als auch ein Kürstück mit Harmonikabegleitung vor einer Jury zum Besten geben. Neben »Zusammenspiel mit dem Begleit-Instrument« werden auch »Originalität« und »Gaudi-Ausstrahlung« des Instruments sowie der »Gaudieindruck« des Spielers bewertet.11 In der Jury sind zwei alte Teufelsgeigen-Hasen vertreten, ohne die es das Teufelsgeigentreffen heute nicht geben würde: Gunter Hasewend, ehemaliger steirischer Landesbaudirektor – Vorsitzender des Steirischen Volksliedwerks und als Oberwelschteifl bzw. GrauBuaGunta bekannter leidenschaftlicher Teufelsgeiger sowie der Wiener »rasende«12 Frisör und Teufelsgeiger Ernst Fritz alias BlizzFrizz. Letzteren hatte seinerzeit Hermann Härtel in die Steiermark geholt, nachdem er ihn spielen gesehen hatte, um zu demonstrieren, wie musikalisch man die Teufelsgeige spielen könne. Hasewend kennt das Teufelsgeigenspiel bereits seit seiner Jugend in der Südsteiermark, als er zu Faschingszeiten in einer Ziaga-Musi tagelang musizierend von Hof zu Hof zog. Er war es auch, der mit seinem – nicht ganz ernst gemeinten – Einsatz für die Akademisierung der Teufelsgeige sogar den damaligen Rektor der Kunstuniversität Graz, Otto Kolleritsch, dazu brachte, sich per Telefonat explizit – und durchaus entrüstet – gegen die Einführung eines Teufelsgeigen-Studiums auszusprechen … Bis heute wird allerdings jährlich beim Teufelsgeigentreffen an der Etablierung und Kultivierung der Teufelsgeige weitergearbeitet und wer weiß – vielleicht wird es ja doch noch irgendwann etwas mit der Teufelsgeigen-Akademie …
Zum Autor: Florian Wimmer ist Musikwissenschaftler und Mitarbeiter im Steirischen Volksliedwerk und lebt in Graz und Tamsweg.
Anmerkungen:
1) Vgl. Ehrenwerth, Manfrid: Teufelsgeige und ländliche Musikkapellen in Westfalen (= Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 79), Münster 1992, S. 15.
2) Ohlsen, Deborah M.: »The Schellenbaum: A Communal Society’s Symbol of Allegiance«, in: Oregon Historical Quarterly 92/4 (1991/92), S. 360–376 (hier S. 361).
3) Vgl. Schachiner, Memo G.: »Schellenbaum«, in: Österreichisches Musiklexikon online (Abrufdatum: 8. 11. 2023: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Schellenbaum.xml).
4) Sachs, Curt: Real-Lexikon der Musikinstrumente, 1913. Zitiert nach Haid, Gerlinde: »Teufelsgeige«, in: Österreichisches Musiklexikon online (Abrufdatum: 8. 11. 2023: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_T/Teufelsgeige.xml). Musikbögen mit Resonatoren sind generell seit langem in verschiedenen Kulturen zu finden – international bekannt ist heute etwa der brasilianische Berimbau, der häufig im Capoeira verwendet wird und einen Kalebassenresonator aufweist.
5) Ehrenwerth: Teufelsgeigen und ländliche Musikkapellen, S. 121–122.
6) https://en.wikipedia.org/wiki/Bladder_fiddle (Abrufdatum: 8. 11. 2023).
7) Vgl. Ehrenwerth: Teufelsgeigen und ländliche Musikkapellen, S. 71.
8) Ehrenwerth: Teufelsgeigen und ländliche Musikkapellen,
S. 67–68. Eine ganze Fotosammlung von Soldaten mit Teufelsgeige aus dem 1. Weltkrieg findet sich auf https://www.flickr.com/photos/12011031@N02/albums/72157711372611842
(Abrufdatum 9. 11. 2023).
9) Ehrenwerth: Teufelsgeigen und ländliche Musikkapellen, S. 75.
10) Für den gesamten Absatz siehe Ehrenwerth: Teufelsgeigen und ländliche Musikkapellen, S. 17 – 18.
11) Hasewend, Gunther: Gschichtn zur Teuflsgeign, in: Der Vierzeiler 1/2021 (Tschingderassabum! Perkussive Instrumente & Lärminstrumente in der Volksmusik), S. 4 – 6.
12) Er stellte einst bei der Guiness-Show der Rekorde im Bayerischen Fernsehen einen Weltrekord im Schnellrasieren auf. Vgl. Fuchsberger, Daniel: Rekordverdächtig an Schere und Teufelsgeige – Der »BlizzFrizz« aus Favoriten, in: Der Vierzeiler 1/2021, S. 32 – 33.
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