Fredl Fesl (1947–2024)

Visionär und Wegbereiter der neuen VolksmusikbewegungVisionär und Wegbereiter der neuen Volksmusikbewegung

21. November 2025

Lesezeit: 4 Minute(n)

Text und Fotos: Dionys Asenkerschbaumer

Er hat die Volksmusik vom Kopf auf die Füße gestellt«, schrieb Hans Well 2015 in Fredl Fesls Autobiographie Ohne Gaudi is ois nix. Und er hatte recht: Fredl Fesl hat die Volksmusik revolutioniert. Ich selbst stamme aus einer Familie, in der Volksmusik streng lege artis gepflegt wurde – Kiem Pauli war das Maß aller Dinge, Wastl Fanderl galt fast schon als zu modern. Als Bub trat ich bei Volksliedersingen auf, Tracht und Kurzhaarschnitt waren Pflicht, Jeans und Rockmusik dagegen tabu.

Mit dem Wechsel ans Gymnasium und Internat änderte sich alles: Die Beatles waren angesagt, lange Haare und Volksmusik passten nicht zusammen. Dann, 1976, kam Fredl Fesl – mit noch längeren Haaren als ich. Er sang alte Lieder mit Witz, über die selbst die 68er lachten, verspottete die volkstümlichen Hot Dogs und verulkte den Königsjodler. Für mich war das eine Befreiung von der starren Tradition – und zugleich die Versöhnung mit meiner eigenen musikalischen Herkunft.

Bald sang ich Fesl-Lieder wie das Sonntagslied oder den Königsjodler und trat damit öffentlich auf. 1977 überredete mich ein Studienkollege zu einem Auftritt als Fredl Fesl bei der Landjugend in Pleiskirchen, jenem Ort, in dem Fesl Jahre später wohnen sollte. Das Publikum war irritiert, dass nur ich kam, obwohl ich sogar den Königsjodler brachte. Als ich Fredl 30 Jahre später beim Feiern seines 60ers im selben Saal davon erzählte, lachte er: »Drum mögn’s mi oiso in Pleiskirchen ned!«

02_FredlFesl-2010 Fredl Fesl mit Gartenschlauchrompete und manuellem ­Leslie-Effekt (Häuslaign 2010).
Fredl Fesl mit Gartenschlauchrompete und manuellem ­Leslie-Effekt (Häuslaign 2010).

Pointierte Kritik an Politik und Kirche

Ich erinnere mich an einen Fesl-Auftritt Anfang 1978 in der Disco Black Mustang in Reutlingen. Damals studierte ich in Tübingen, und in Bayern schickte sich Franz Josef Strauß gerade an, Ministerpräsident zu werden. Für viele progressive Studierende – besonders außerhalb Bayerns – war der konservative Politiker ein beliebtes Feindbild.

Zur Schadenfreude seiner Gegner und zum Ärger des CSU-Vorsitzenden waren damals einige seiner Telefonate abgehört worden. Fredl Fesl griff das Thema auf – in jener geistvoll-umständlichen, hintergründigen Art, die nur er beherrschte. Er erzählte von einem neuen Insekt, das in Bayern aufgetaucht sei: die Wanz Flosef Laus. Das Gelächter und der Applaus im Saal waren entsprechend groß. Ich, damals Theologiestudent, wartete gespannt auf seine Bibel-Gstanzl:

D’ Leut sehn an Jesus nüber geh,
übern Genezarether See.
Drübn frogns’n: »Wia bist ummakumma?«
Da Jesus sagt: »I hob an Anlauf gnumma!«

Dann folgte noch eine Strophe, die es auf keine Schallplatte geschafft hat – wohl, weil sie manchen als zu blasphemisch erschien:

So einfach übern See wegrenna,
des hod da Jesus domois kenna.
Heid gang er unter, des is gwiss,
weil in de Fiaß a Loch drin is.

01_Fredl-Monika-Fesl-72_2019_edit Monika und Fredl Fesl an seinem 72. Geburtstag 2019. Das Porträt sollte später auch sein Sterbebild werden.
Monika und Fredl Fesl an seinem 72. Geburtstag 2019. Das Porträt sollte später auch sein Sterbebild werden.
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Ein Melankomiker mit scharfem Sinn und feinem Witz

Der Melankomiker aus Niederbayern wurde rasch bekannt. 1978 hatte Fredl Fesl bereits drei LPs veröffentlicht. Er machte einfach a Gaudi, aber in dieser Gaudi steckte oft mehr Wahrheit, als mancher Pfarrer oder Polizist verkraften konnte. Im Glockensong besingt er den Gotteslärm und konstatiert unter tosendem Applaus: »In der Welt san alle gleich, nur d’ Kirch, de g’hört zum Himmelreich.« Auch mit der Obrigkeit ging er nicht zimperlich um, so in der Geschichte vom Blaulicht am Chinesischen Turm. Wer ihn live erlebt hat, weiß: Auf der Bühne war der Fredl noch ein wenig schärfer. Da sinnierte er über anatomische Eigenheiten von Polizeipferden, die ihren Arsch nicht hinten hätten – eine Pointe, die jeder verstand, aber keiner laut wiederholen wollte.

Fredl und ich begegneten uns erstmals im Sommer 2003 bei einem Auftritt von Dieter Hildebrandt. Vom ersten Moment an stimmte die Chemie – als würde man einen alten Freund wiedersehen. Später besuchte ich ihn und seine Frau Monika auf ihrem Einödhof in Häuslaign bei Pleiskirchen. Mein Bruder Albert, passionierter Alphornbläser, war mit dabei. Kaum saßen wir auf der Hausbank, grinste Fredl: »Wisst’s, dass i amoi an Alphorn-Weltrekord aufgstellt hab – im Weitwerfen?« Über 200 Meter tief sei das Alphorn von der Felswand gesegelt, beteuerte er, »Leider hams mi disqualifiziert – Regelwidrigkeit!«

04_Di_A-1977-m Schon 1977 wurde Fesl parodiert, von seinem späteren Spezl ­Dionys ­Asenkerschbaumer (Vorbericht im Alt-Neuöttinger Anzeiger).
Schon 1977 wurde Fesl parodiert, von seinem späteren Spezl ­Dionys ­Asenkerschbaumer (Vorbericht im Alt-Neuöttinger Anzeiger).

Volksmusik ohne Kitsch, dafür voll echter Lebensfreude

Solche Geschichten liebte er. Der gelernte Trompeter erfand Instrumente aus Gartenschläuchen und Trichtern, inklusive selbstgemachtem Leslie-Effekt. Trompete habe er nur deshalb aufgegeben, sagte er, »weil i dabei so schlecht singa kann«.

Was der Fredl gar nicht mochte, war, auf seinen Königsjodler reduziert zu werden. Fredl konnte überaus virtuos jodeln. Mit seiner falschen Wiedergabe nahm er dem volkstümlichen Jodeln jedoch den überzogenen Ernst. Er persiflierte das scheinbar Verklärte, das sich um den Jodler gelegt hatte, samt dem Kitsch, der ihn so oft umgab. Und gerade dadurch gab er ihm seine Seele zurück: den freien, unbeschwerten Ausdruck echter Lebensfreude. Das blieb bei ihm bis zu seinem Lebensende so.

In dieser Hinsicht hat Fredl Fesl der echten Volksmusik einen entscheidenden Impuls gegeben. Andreas Safer von Aniada a Noar, bringt es auf den Punkt: »Fredl Fesl war Visionär und Wegbereiter der ganzen neuen Volksmusikbewegung.«

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Aufmacher:
Wie man ihn von seinen Soloprogrammen kannte: Fredl Fesl mit Gitarre und einer Halben Bier auf der Bühne in Ried im Innkreis, 2003.

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