Text: Brigitte Buckl Fotos: Privat
Nie werde ich den Moment vergessen, in dem der Anruf kam, dass meine liebe und langjährigste Freundin Gabi – gerade für immer eingeschlafen – auf ihrem Sofa sitzend, gefunden wurde. Die Fassungslosigkeit darüber herrscht bis heute vor, obwohl nun schon fast ein Jahr vergangen ist. Es ist für mich immer noch nicht ganz real, dass ich mit Gabi nie wieder musizieren, singen, lachen, ratschen und brotzeiteln kann. Kannten wir uns doch seit 45 Jahren. Hätte es Gabi nicht gegeben, so wäre ich mit Sicherheit nicht das geworden, was ich heute bin: Musikantin, Musiklehrerin und Musikschulleiterin.
Liebevolle Begeisterung
Als ich Ende der 1970er-Jahre mit der Zither zu ihr in den Volksmusikgruppen-Unterricht der Priener Musikschule kam, war ich schnell von ihrer Begeisterung für die Volksmusik und ihrer liebevollen, äußerst einfühlsamen Art zu unterrichten infiziert. Schnell war klar: Ich will genau das werden, was Gabi zu dieser Zeit noch studierte, nämlich Musiklehrerin. Ich lernte bei ihr Gitarre und wir begannen zusätzlich mit meinem Erstinstrument Akkordeon und Gitarre miteinander zu musizieren. Gemeinsam mit Gabi war ich zuerst als Schülerin und später dann auch als Lehrerin auf zahlreichen Volksmusikseminaren in Bayern und Österreich unterwegs. Die Erinnerungen an unzählige wunderbare musikantische Begegnungen, an viele (fast) durchspielte Nächte und an ihre mitreißenden Lachanfälle, erfüllen mein Herz immer noch mit großer Freude. Mit ihr zusammen zu musizieren war nicht nur für mich, sondern für viele andere Musikanten auch, stets etwas Besonderes und Bereicherndes.
»Ein musikantisches und menschliches Vorbild zugleich.«
Gerne erinnere mich auch an ihre wunderbaren Geschichten von ihren Anfängen als Musiklehrerin (1977), die sie oft, z. B. bei den Lehrerausflügen der Musikschul den neu dazu gekommenen Junglehrerinihre und -lehrer erzählte. Unter anderem, dass in ihren ersten Unterrichtsjahren noch nicht alle Schülerinnen und Schüler ein Telefon zuhause hatten. So schrieb Gabi damals am Ende der Sommerferien für die Unterrichtseinteilung zum neuen Schuljahr den betreffenden Schülern eine Postkarte aus Aschau mit dem zukünftigen Unterrichtstag, -zeit und -ort. Und alle hatten tatsächlich zum genannten Termin Zeit und sind gekommen. Für die heutige Schüler- und Lehrergeneration unvorstellbar, dass dies ohne WhatsApp und E-Mail funktionieren kann. Unvergessen bleiben auch ihre zumeist treffsicheren Sternzeichenanalysen und astrologischen Beratungen. So manch einer ist wohl wesentlich wissender über sich selbst vom Lehrerausflug, vom Musikseminar, vom Musikantentreffen oder von der Musikstunde heimgekommen, als er es sich vorher jemals hätte denken können.
Lächeln vom Fensterbankerl aus
Im Unterricht ist Gabi bei mir heute immer noch täglich mit dabei. Ein Foto von ihr steht auf dem Fensterbrett des Unterrichtsraumes. Und ob Einbildung oder nicht – manchmal habe ich das Gefühl, dass sie auf dem Foto lächelt, wenn die Schüler, die ich von ihr nun übernommen habe, schön musizieren und andererseits trifft die Schüler aber auch ein strenger Blick, wenn sie wieder einmal nicht geübt haben. Die Schülerinnen und Schüler empfinden dies übrigens genauso.
So wie Gabi mich und meinen Lebensweg geprägt hat, hat sie unzählige Musikantinnen und Musikanten, Sängerinnen und Sänger, Musiklehrerinnen und -lehrer, sowie Schülerinnen und Schüler geprägt. Sie war eine Ratgeberin, musikantisches und menschliches Vorbild zugleich, eine bedeutende Persönlichkeit für die alpenländische Volksmusikszene, welche nun fehlt. Nach ihrer Aufnahmeprüfung zum Musiklehrerstudium am Richard-Strauss-Konservatorium meinte laut Gabi die Kommission damals: »Die Reiserer, die nehma, damit’s im Chiemgau a moi a guade Gitarrenlehrerin ham.« Welch weise und weittragende Entscheidung dies damals doch war.
Engel mit Gitarrenkoffer
Die Gabi ist einfach viel zu früh für uns alle gegangen. Trostreich ist aber zu wissen, dass sie, wenn man all ihre aktiven nächtlichen Musikantenstunden zu ihrer Lebenszeit dazu zählt, mindestens 80 Jahre alt geworden ist. Denn wenn Gabi etwas fehlte, dann war es ein ganz bestimmtes Gen in ihrer DNA, und zwar das Heimge(h)n.
Trostreich ist auch, dass alles genau so gekommen ist, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Gerade in den letzten Jahren sprach sie öfter davon, dass sie jederzeit bereit sei zu gehen und für sie es das Schönste wäre, wenn sie eines Tages einfach auf ihrem Kanapee einschlafen könnte. Und genau so hat sie es gemacht! Typisch Gabi!
Und ich bin mir sicher, dass sie mittlerweile da, wo sie jetzt ist, schon längst wieder ihre Gitarre ausgepackt hat und allen dort zeigt, wie man »a schöns Muserl« macht und singt. Es würde mich nicht wundern, wenn das himmlische Erstinstrument Harfe mittlerweile von der Gitarre abgelöst wäre. Denn das wollte Gabi immer werden: Ein Engel mit Gitarrenkoffer!







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