Text und Fotos: Nikola Laube
Eine Weitwanderung, ja das wär’s, immer oben bleiben, jeden Tag von oben starten, die Sonne als erstes und auch als letztes genießen – das machen wir. Aber wo?
»Gehen wir nach Italien – über alle Berge«, sagte ich zu meinem Jodelpartner im Scherz. Doch diese Aussage rumorte dann in unseren Köpfen und nicht lange danach saßen wir schon vor den Landkarten. »Jedes Jahr eine Woche und jeden Meter zu Fuß – wie lange brauchen wir dann? Welche vorhandenen Weitwanderwege könnten wir nutzen?«
… und los geht’s!
Das Abenteuer begann dann beim eigenen Gartentor, wo wir unsere Reise nach Verona antraten – ein erhebender Moment. Wir hatten keine Ahnung, welch unglaubliche Erlebnisse, Schönheiten ohne Ende, Begegnungen, Berge soweit das Auge reicht, Blumenmeere, Gipfelsiege – und Freude in vielen Gesichter auf uns zukamen.
Die erste Etappe wählten wir kurz – so zum Probieren und Einstimmen: ein Stück steirische Heimat bis zur Kärntner Grenze im Koralmgebiet. Herrlich frei fühlten wir uns, keine Gedanken an den Alltag kamen auf und ein ungeplantes Hängenbleiben in einer Hütte bei Jodelei und Gesang mit zufällig getroffenen lieben Freunden und Nächtigen in einem vermausten, kaum benützten Lager ermunterten uns erst recht, unsere Reise im nächsten Jahr fortzusetzen.
Die zweite Etappe brachte uns quer durch das Kärntner Unterland über einige Gipfel bis zur Koschuta. Vom Weitwanderfieber gepackt, überquerten wir die Karawanken mit Nebel wegsingen am Koschutagrat, durch einsame Schluchten, riesige Blockhalden, mäusefressende Kreuzottern, Wassernot auf einer Übernachtungshütte, leuteüberfülltes Gipfelkreuz am Mittagskogel …
Im nächsten Sommer gingen wir den unbekannten und einsamen Teil des Karnischen Höhenwegs vom Faakersee bergauf und wieder am Kamm entlang nach Westen, die hohen schroffen Julischen Alpen immer greifbar nahe, kreisende Adler, blumenreiche Wege und Almen, spielende Murmeltierkinder, der touristenüberfüllte Gartnerkofel war ein Ausreißer, das Naßfeld überquerend wieder allein am Roßkofel. Flucht vor dem Regen zu einer Sennhütte: »jo, wenn ihr so schen jodelts, kennts im Jagazimmer schlofn, ober schreckts eich net, wenn da Jaga in der Nocht kummb«.
Jodeln für die Brotzeit
Unglaublich viele Wanderer bevölkern im nächsten Jahr den bekannten Karnischen Höhenweg. Wir gehen in die Gegenrichtung und schon bald wechseln wir auf den Parallelweg auf der italienischen Seite. Hier ist Ruhe, das Essen auf den Hütten fantastisch, die Sprachinseln mit Villgratner Dialekt sehr interessant und unsere Jodler immer willkommen. Vor einer einsamen Almhütte stimmen wir an: die Tür geht auf, der Senner bringt selbstgemachten Käse, Brot und Rotwein, wir verstehen ihn nicht, er spricht nur Italienisch. Haben wir so gut oder so schlecht gesungen? – Am nächsten Gipfel bleiben wir vorerst stumm beim Anblick der Sextener Dolomiten, die nun auftauchen. Dann klingt unser Jodler hinüber.

Grandios und unbeschreiblich waren dann die nächsten zwei Etappen. Von Sexten quer durch die Dolomiten, in Richtung der Südtiroler Grenze bei Trient: Sextener mit Drei Zinnen – Puez – Grödnerpass – Langkofel – Blumen über Blumen auf der Seiser Alm – Schlern – Rosengarten – Latemar – Weißhorn – Fersental und Abstieg nach Levico Terme. Bei der Heimfahrt sahen wir die vielen Berge, die wir überschritten hatten und staunten über die Länge der Strecke, die wir zu Fuß hinter uns gelassen hatten.
Jodeln bringt Freude
Corona machte einen großen Strich durch unsere Weitwanderpläne. Das Weitwandern und das Jodeln von einem Gipfel auf den anderen waren es, was mir in dieser Zeit am meisten fehlte! Aber inzwischen ist es Wirklichkeit geworden: Die Reise nach Verona wurde in den einsamen Trientiner Bergen vollendet.
Wo immer wir auf Bergen, Hütten oder Gipfeln einen Jodler anstimmten, brachten wir Freude. Die Klänge wirkten und gingen ganz tief in die Herzen der Menschen.
Aufmacher:
Zu den Autoren:
Dr. Nikola Laube stammt aus der Steiermark. Sie ist Biologin und Keramikerin und leitet Wanderungen im Zusammenhang mit Jodeln und Singen. Mag. Herbert Krienzer (1967– 2020) war langjähriger Mitarbeiter beim Steirischen Volksliedwerk, Biologe, Musikant, Volkstänzer und Schuhplattler, sowie Referent für registerwechselnden Gesang (Jodeln und verwandte Stile).
Ein Beitrag in Kooperation mit dem Steirischen Volksliedwerk.
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