Text: Ernst Schusser Liedsuche: Eva Bruckner Fotos: »zwiefach«-Archiv, Maßschneiderei Winkler
Wenn in der Volksmusikpflege nach dem Zweiten Weltkrieg in Oberbayern die Rede vom Schneider war, dann waren gleich drei Männer im Gespräch, die wesentliche Impulse zur Pflege der Tradition und deren Erweiterung und Erneuerung gegeben haben: Josef Eberwein aus Dellnhausen, Sepp Winkler aus Kreuth und Beni Eisenburg aus Gmund.
Natürlich gab es auch mehrere andere Sänger und Musikanten, die den Beruf des Schneiders ausübten. Da denke ich z. B. an die Schneiderfamilie Helminger in Weildorf bei Teisendorf (BGL). Die Tochter Pauline ist wie der Vater Simon Schneidermeisterin und bildete zusammen mit ihrer Schwester Regina und Margareta Robel den Dreigesang der Weildorfer Sängerinnen. Bei vielen Tonaufnahmen in der Reihe Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch waren die Weildorferinnen auch zusammen mit ihrem Vater in verschiedenen Besetzungen in den 1990er-Jahren für das Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern tätig – und die Besprechungen dazu fanden in der Schneiderei statt. Auch die Tochter Elisabeth vom Winkler Sepp ist mit der Musik ihres Vaters aufgewachsen, hat eine eigene Saitenmusik gegründet und ganz selbstverständlich als Schneidermeisterin das Handwerk der Familie Winkler in der nächsten Generation weitergeführt. In Riedering (RO) ist der junge Staber Schorsch aus der Familie der Riederinger Sänger auch als selbständiger Schneider tätig. Er spielt Tuba und ist mit seinen Musikantenfreunden bei vielen Gelegenheiten unterwegs. Seit 33 Jahren ist er auch bei den bekannten Riederinger Hirtabuam dabei, die sein Vater Sepp Staber zwei Jahre zuvor gegründet hat.
Schneidermeister aus der Hallertau
Michl Eberwein (1929–1998) hat durch die Veröffentlichung vom Eberwein-Liederbuch (1980) seinem Vater Josef (1895–1981) zum 85. Geburtstag ein sehr persönliches Geschenk gemacht. In der ursprünglichen Meinung war diese besondere, von Sepp Kiefer bebilderte Zusammenstellung von überlieferten und eigenen Liedern und Melodien als privates musikalisches Familienalbum gedacht. Josef Eberwein lernte in der von seinem Großvater 1856 in Dellnhausen (Hallertau) begonnenen Schneiderei dieses Handwerk und zugleich als einziger der elf Geschwister im Nachbarort Sünzhausen Notenlesen und Zitherspielen. Seit den 1930er-Jahren war er mit dem Hallertauer Sängerquartett bei den beginnenden überregionalen Sängerfesten unterwegs und dann nach 1945 mit der Gesangsgruppe Eberwein, begleitet von den um 1950 von den Brüdern Michl, Wendl und Adolf mit Freunden begonnenen Dellnhauser Musikanten. Zu überlieferten Melodien, besonders zu den Zwiefachen in der Holledau, ergänzte Josef Eberwein für den Taktwechsel passende Texte – oder gestaltete typische Melodien zu neuen Texten. Am 18. Juni 1956 entstand in dieser Weise zum Text vom Vetter Sepp Kiefer aus München ein Zwiefacher mit dem Titel Der Schneiderbauer, natürlich mit Bezug zur singerischen Bauern- und Schneiderfamilie Eberwein am Schneiderbergl in Dellnhausen:
- Schneida, Schneida,
singts oans gehts weita, weita,
singts a schöns Liad;
bügln, bügln,
bügln macht müad,
Schneida, Schneida,
singts a schöns Liad. - Bügln, bügln –
d’ Kuah dö braucht striegln, striegln
und möcht an Klee;
striegln, striegln,
striegln tuat weh,
Schneida, Schneida,
d’ Kuah möcht an Klee. - Nodln, nodln –
d’ Wies dö braucht odln, odln,
d’ Goaß möcht a Gros;
nodln, nodln,
nodlts drauf los,
Schneida, Schneida,
d’ Goaß möcht a Gros.
»Mit dia hätt i g’rechnet!«
Der Schneidermeister Beni Eisenburg (geb. 1935) in Gmund am Tegernsee hat sich – neben seiner exzellenten, weitum bekannten Handwerkskunst – seit den 1980er-Jahren einen hervorragenden Ruf als Heimatkundler und Sprecher bei Volksmusikdarbietungen nicht nur im Tegernseer Tal erarbeitet. Seine heimatkundlichen Forschungen erscheinen auch in verschiedenen Zeitschriften und in den monatlichen Tegernseer Nachrichten. Dabei geht es neben der Beschreibung von Ereignissen, Bräuchen, Lebenssituationen und Alltäglichem vor allem auch um die Menschen. Edmund Schimeta hat einige dieser Beiträge von Beni Eisenburg aus den Jahren 1986 bis 2021 für das Buch A Bleame auf’m Huat – Einst und jetzt im Tegernseer Tal (2021) ausgewählt. Darin geht es natürlich auch um die Kleidung:
Im Text Die Lederhose – nicht salonfähig? (November 2001) heißt es: »Im November 1901 gastierte das Tegernseer Bauerntheater im Scala-Theater in Köln. Nach der Vorstellung wollten sich die Schauspieler im Café Bauer noch einen Abendtrunk leisten. Kaum hatten sie in ihrer Tracht das Lokal betreten, stürzte der Ober auf sie zu und forderte sie auf, wegen ihrer unangemessenen Kleidung das Lokal zu verlassen. Ein Kellner beförderte schon ein weibliches Mitglied der Truppe an die Luft. Die anwesenden Kölner Gäste waren über das Vorgehen der Ober empört und verließen ihrerseits die ungastliche Stätte. Aber nicht nur im Rheinland, auch in ihrem Heimatort war die Lederhose nicht überall salonfähig, wie Bertl Schultes berichtet.«
Im Text Das Sonntagsgwand (Juni 2005) erinnert sich Eisenburg: »Als Kinder freuten wir uns, wenn wir am Sonntag ein schönes Gwand anziehen durften. Es wurde genau unterschieden zwischen Sonntags- und Werktagsgwand. Heute gibt es da oft keinen Unterschied. […] In Werdenfels tragen die Burschen sogar beim Maibaumaufstellen (noch ohne technische Hilfsmittel!) die Tracht, ein weißes Hemd und den Samthut. Zu einer Hochzeit, einer Leich, an großen Festtagen wie Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, Patrozinium oder Kirchweih, wurde und wird auch noch meistens das ›guate Gwand‹ getragen. Hoffen wir, dass es so bleibt, so gut schaut es nicht aus. Ja, der Zeitgeist macht sich überall negativ bemerkbar!«
Der Forstmeister Georg von Kaufmann (1907–1972), der seit den 1950er-Jahren im südlichen Oberbayern mit den überlieferten und teils neugestalteten Chiemgauer Tänzen die Volkstanzpflege für die Bevölkerung (ohne Vereinswesen und Volkstanzkreise) beförderte, hat Beni Eisenburg als seinen Nachfolger im Oberland für die Volkstanzkurse und Volkstanzfeste gesehen. »Mach weita!«, hat er ihn angewiesen, als er selber krankheitsbedingt um 1970 kürzertreten und aufhören musste. Und Eisenburg machte im Sinne vom Kaufmann Schorsch weiter.
Schon 1976 hat mir Beni Eisenburg über die Art und Weise erzählt, wie er zum Volkstanz kam. »Es war um das Jahr 1955. Eisenburgs Vater war bei einer Musi am Tegernsee, man kannte auch den Kiem Pauli sehr gut. Der Beni ging mit dem Winkler Sepp aus Kreuth in die Lehre zu einem Schneider. In Kreuth machten die beiden die Bekanntschaft des Kaufmann Schorsch beim gemeinsamen Musizieren oder auch bei den Plattlerproben, wo auch Volkstänze geübt wurden. […] Anfang der Sechzigerjahre fuhr man nach Rosenheim, wo die ›Ramstöttermusi‹, die Teisendorfer Tanzlmusi, auf den Volkstanzabenden im Hofbräu spielte, die Georg von Kaufmann leitete. Mittlerweile war es schon soweit, daß der Winkler Sepp mit seiner Kreuther Klarinettenmusi fleißig übte und auch manchmal schon auf kleinen Tänzen spielte. Georg von Kaufmann hatte in der Tegernseer Gegend sehr viele Tanzabende zu leiten und befaßte sich nun damit, sich um einen Helfer umzuschauen, der auch solche Abende, wenn er selbst keine Zeit hätte, leiten sollte. Er kommt dabei auf den Eisenburg Beni und sagt diesem in seiner unnachahmlichen Art: ›Mit dia hätt i g’rechnet!‹ […]« (Zusammenfassung der Befragung für meine Dokumentation Untersuchungen zur Entwicklung des Volkstanzes im südlichen Altbayern, 1977, S. 171ff).
Akkordeon, Zither, Fingerhut
Zusammen mit dem gleichaltrigen Beni Eisenburg ging Sepp Winkler (geb. 1935) aus Kreuth in die Schneiderlehre, um die elterliche Werkstatt als Schneidermeister übernehmen zu können. Der Meisterbetrieb der Familie Winkler hat einen hervorragenden Ruf und wird von der Tochter Elisabeth weitergeführt. Im Notenheft Kreuther Musikanten (Bezirk Oberbayern/Volksmusikarchiv, 2003) habe ich über seine frühen musikalischen Jahre berichtet: »Der junge Winkler Sepp hat ab 1945 begonnen beim Kiem Pauli (1882–1960) Zither zu lernen. Einmal pro Woche ging er schon als zehnjähriger Bub mit der Zither im Rucksack zu Fuß nach Wildbad Kreuth. Kiem Pauli legte großen Wert auf Pünktlichkeit und Fleiß seiner Schüler. Alle Kreuther Zitherschüler wurden von ihm kostenlos unterrichtet. Auch der Winkler Sepp begann mit der Albrecht-Schule, kam über die Darr-Schule dann zur Simon-Schneider-Schule. Natürlich lernte Kiem Pauli seinen Schülern auch das volksmusikalische Zitherspiel, das traditionelle Spielen der Landler und Halbwalzer und die Übernahme der alten Melodien aus den Notenhandschriften. Bei Sepp Winkler fielen die Bemühungen von Kiem Pauli auf sehr fruchtbaren Boden; er verinnerlichte viele seiner Grundsätze – musikalische und Lebensweisheiten.«
Sepp Winkler spielte im Trio der Kreuther Musikanten (Zither/Chromatische Knopfharmonika, Gitarre, Streichbass) zusammen mit Hans Igl (1942–2014) aus Hochstadt und seinem Bruder Hubert Winkler (geb. 1942). Im Duo mit Forstmeister Rudi Rehle (1929–2016) war er ab den frühen 1960er-Jahren nicht nur als Liedbegleiter weitum gesucht, auch bei Aufnahmen im Bayerischen Rundfunk. Zeitgleich begann er mit der Kreuther Klarinettenmusi zu proben für die neuen Volkstanzabende vom Kaufmann Schorsch.
Schon 1975 hat mir Sepp Winkler über seine ersten Jahre im Kreis der Musikanten um Herzog Albrecht und Kiem Pauli auf der Schanz erzählt. Der Herzog spielte selber hervorragend Klarinette und war Sammler der alten Musikantenhandschriften aus dem Tegernseer Tal. Mit zwei oder drei Klarinetten, Harmonika, Zither, Gitarre und Kontrabass wurden stundenlang daraus Melodien gespielt. Hier lernte der Winkler Sepp »wia ma spuit«, also das musikantische Gefühl zwischen den Noten. Ab 1960 kam es dann zu Proben und kleineren Auftritten der Kreuther Klarinettenmusi nach dem Vorbild der herzoglichen Musizierabende auf der Schanz, u. a. auch mit alten Musikanten vom Guggn Sepp. 1966 wurden sie dann beim Tanzkapellenwettstreit in Rosenheim für ihre hervorragende und besondere Spielweise nach der regionalen Überlieferung ausgezeichnet. »Mia ham de vui scheenan Landler als de Chiemgauer«, hat der Sepp immer gesagt.
Vor allem die in Handschriften der alten Musikanten im Tegernseer Tal überlieferten Melodien (achttaktige Landler, Halbwalzer, Schottische usw.) erweckte Sepp Winkler mit seinen Musikantenfreunden in eigener Spielweise zu neuem Leben. Daneben gestaltete er auch sehr kreativ in eigenem Stil neue Stücke, wenn keine überlieferten Melodien zur Verfügung standen. Das waren vor allem Märsche und seine charakteristischen Boarischen. Wie in den alten Musikantenhandschriften (z. B. Landler in B) erhielten diese neuen Stücke meist keine Titel aber laufende Nummern zur Gattungsbezeichnung (z. B. Boarischer Nr. 8). Nur selten gab es Namen mit Bezug zur heimatlichen Landschaft. Der Mühlauer Bayrische (von 1983) nimmt Bezug auf das Vaterhaus der Familie Winkler in der Mühlau in Kreuth. Der Setzberg-Walzer (1952) war sein erstes eigenes Stück für Ziachmusi. Später hat Wastl Fanderl (1915–1991) die Triomelodie von Sepp Winkler als Eingangsmusik seiner ab 1963 im ARD-Nachmittagsprogramm gesendeten Fernsehreihe Bairisches Bilder- und Notenbüchl verwendet.
Die Schneider im Volkslied
Bei einem kleinen Exkurs in die Welt der Volkslieder wollen wir nur mit wenigen Beispielen die Vielfalt andeuten, wie der Beruf des Schneiders aber auch das Gwand und einzelne Teile der Kleidung einen natürlichen Platz im Singen der Menschen gefunden haben. Eine ausführliche Einlassung kann bei anderer Gelegenheit erfolgen, eine tiefgehende Quellenarbeit wäre mit der Datenbank INFOBASE möglich, die wir am Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern über Jahrzehnte ab Ende der 1980er-Jahre mit einschlägigen Begriffen gefüttert hatten und damit die Lieder auffindbar gemacht haben.
Der Kiem Pauli bringt in seiner Sammlung Oberbayrischer Volkslieder (1934) das Lied von der Gwandtracht in einer Aufzeichnung von 1928 aus Reit im Winkl und die Geschichte von der Weiberleut-Hoffart 1927 aus Ruhpolding mit genauen Schilderungen der Kleidung und der Beigaben, realistisch aber doch auch sarkastisch. Wastl Fanderl bringt in seiner Sänger- und Musikantenzeitung (1984) das von den Falkenstoaner Sängern aus Inzell gesungene coupletartige Lied Vor fuchzig Jahrn, da war in Zell a ganz a anders Sein, das sich mit den starken Veränderungen des Lebens, der Bräuche und auch der Kleidung um 1900 kritisch auseinandersetzt: Statt dem Bauerngwand tragen die Leute in Zell (Pinzgau) nun »schwarzen Frack, steifen Kragn und Zylinderhuat«.
Wie kamen die Landbewohner zu einem neuen, gewollt auffälligen oder besonderen Kleidungsstück? Das brachten vielleicht die Wanderhändler: Im Kranerlied (aufgezeichnet von Wastl Fanderl 1930 in Bergen) preisen die Händler aus der Gottschee ihre Waren an, u. a. »An kloanvodrahtn Röckizeug, an solchan müaßts es wagn, der ghört grad für de Weibaleut, dia gern was bsunders tragn«. In manchen Liedern über Wanderhändler wurden auch die fremden Anklänge in deren Sprache nachgemacht, wie z. B. in dem Lied Der mürrische/mährische Leinwandhändler, gesammelt von den Geschwistern Schiefer (Laufen 1937), veröffentlicht vom Kiem Pauli (Zeitschrift Das deutsche Volkslied, Wien 1938, Volkslieder aus Bayern). Oder der Bauer verkaufte im Zwiegespräch mit dem Schneider »Acker und Pfluag und kauft für die Bäurin auf a Jöpperl a Tuach«. Der Preis für die Kleider einer sehr umfangreichen Bäuerin konnte schon hoch sein. Das Selbstbewusstsein eines Schneiders konnte auch groß sein: »Ich Schneider bin ein Mann, kann einem neues Leben, durch meine Arbeit geben« (Slg. Ditfurth 1855, Nr. 324) – Kleider machen Leute!
Das »Sommerzeug« besingt der weitverbreitete Text Draußn im Wald. Die »blauen Hosen« hat der Fridolin schon längst versoffen. Ein »loders Karmisol«, also eine Weste aus Loden, wird im Lied vom lustigen Köhlerleben zitiert. Wastl Fanderl selber singt übermütig im Kletzenbrotfopper (Leibhaftiges Liederbuch 1938) von seiner »Werktagsjoppn«, an der er »Krontaler dran« hat.
Voll Freuden denke ich zurück an meine Kindheit. Die Großeltern und mein Vater stammten aus dem Egerland. Oftmals erklang da die Geschichte vom »schaina Rousbuttnbou« und seinem schönen Gwand: Dem Hut mit den »Bandala«, dem Kittel (Rock) mit den »Quastala«, der Hose mit den »Knöpfala« und den Schuhen mit den »Schnallala«. Ich fühlte mich natürlich als dieser Bub – und wir haben es mit der nächsten Generation auch wieder gesungen, natürlich auf Eghalandarisch, und in der Singart unserer Vorfahren. Wir haben auch das Tanzlied Rutsch hi, rutsch her, da Schneider hot a Schneiderscher mit großer Freude und Bewegung gemacht. In der Familie Bruckner (Berchtesgaden) spielten die Kinder Schneider, Schneider, leih ma d’ Schar.
»Wia machens denn die Schneider?«
In den Liedern über verschiedene Handwerksberufe in der dörflichen Gemeinschaft sind natürlich auch die Schneider und die ins Haus kommenden Störschneider vertreten. »Was braucht ma aufn Bauerndorf?« wird gefragt – und die Antwort lautet wenig schmeichelhaft »[…] an Schneider, der nix nimmt«. Die gleiche Verhaltensweise der Schneider wird konkretisiert: »Wia machens denn die Schneider? – A soda machan sie ’s: Sie stehln oahm dorscht und da a Fleckl und machan draus a Kinderröckl.« Die Schneider scheinen auch bei der Suche nach einem Hochzeiter nicht gefragt gewesen zu sein: »Dirndl, willst an Edelknabm, oder willst an Schneider habm? – Na na, koan Schneider mag is net! Da hoaßats glei: Frau Schneiderin und die Fleckl-Stehlerin« (Fanderl, Hirankl Horankl 1943).
Sehr abwertend sind auch einige Lieder, die von der Schneidergoaß singen. Die Armut der Schneider ist wohl sprichwörtlich, die Goaß das einzige vierfüßige Nutztier, das sich ein Schneiderhaushalt leisten kann – und das wird in den Liedern ausgekostet: »So a Schneiderlein möcht i ban Teufel net sein« (Slg. Quellmalz, Südtirol, Nr. 114). Karl Horak (1908–1992) erzählte, dass solche Lieder oft auch im Wirtshaus gesungen wurden, um dem anwesenden Schneider seinen geringen Stand in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Zu Regensburg auf der Kirchturmspitz, da kamen die Schneider zsamm haben wir in der Volksschule gelernt: In vielen Strophen wird das geringe Körpergewicht und die kleine Statur der Schneider thematisiert. Gleichen Inhalts ist das Lied Es gehen neun Schneider ins Wirtshaus hinein. Dazu passt auch der Vierzeiler:
Mei Schatz is a Schneider,
a zaundürre Goaß.
Frißt haufenweis Bratwürst,
werd dennast net foast.
Beneidenswert in heutiger Zeit, wenn viele über Übergewicht klagen und manche – auch mit gesundheitsgefährdenden Aktionen – schlank werden oder bleiben wollen. Eine verkehrte Welt?
Natürlich kennt die ältere Generation das Lied von Schneiders Höllenfahrt, das man in der Volksschule gelernt hat. Und noch heute freuen wir uns darüber, wie der Schneider die Teufel so lange mit seinem Werkzeug quält, bis sie ihn wieder aus der Hölle entlassen. Wer denkt da nicht auch an die Geschichte vom tapferen Schneiderlein?
Ein (Ge)danke zum Schluss
Zum Abschluss erlaube ich mir eine Anmerkung: Ich freue mich über jeden kleinen Schneiderladen vor Ort, den oftmals türkischsprachige Fachleute neu aufmachen: Manche Änderungsschneiderei hilft die Umwelt schonen und gebrauchte Kleidung reparieren und nicht wegwerfen. Deshalb widme ich diese Liedbeispiele in großem Respekt der Schneiderin, die mit Geschick meine Hemden repariert!
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