Singen mit Kindern

Tipps – Tricks – Anregungen

2. Juli 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Text: Saskia Krügelstein und ­Simone Lautenschlager  Fotos: Pixabay, prexels

Singen ist immer gut, egal in welchem Alter. Die Gründe dafür sind vielseitig. Durch eine bewusste Atmung beim Singen werden die Lungenbläschen, also der untere Teil der Lunge, besser belüftet. Somit wird die Sauerstoffsättigung erhöht und das Herzkreislaufsystem in Schwung gebracht. Singen setzt im menschlichen Körper Hormone frei, nämlich die Glückshormone Endorphin, Serotonin, Dopamin und auch Oxytocin. Letzteres stärkt soziale Bindungen und wird auch Kuschelhormon genannt. Es hat den gleichen Effekt, wie eine lange, innige Umarmung. Dadurch bauen wir eine schnellere Bindung zu unseren Mitsängern auf. Durch das Freisetzen der Glückshormone werden gleichzeitig Stresshormone, wie z. B. Cortisol gehemmt. Positives wird also rauf- und Negatives heruntergefahren. Auch die Melatonin-Produktion wird angeregt und sorgt für einen verbesserten Schlaf. Singen stärkt das Immunsystem und fordert unseren Körper genauso wie Dehn- oder leichte Sportübungen.

Warum ist es vor allem für Kinder wichtig zu singen?

Abgesehen vom Spaßfaktor fördert Singen im Kindesalter die sprachliche Entwicklung, denn musikalische Prozesse und sprachlicher Syntax sind im Gehirn ähnlich aufgebaut. Es fördert die Konzentration, die Kreativität, soziale Bindungen und den Wortschatz. Durch das Singen können Kinder Gefühle ausdrücken und/oder verarbeiten. Lieder haben eine feste Struktur, nach der Strophe folgt ein Refrain. Der Text ist am nächsten Tag immer noch der gleiche. Das gibt Kindern ein Gefühl von Routine und Sicherheit. Singen kann auch bei Sprachfehlern, wie z. B. Stottern oder Lispeln helfen. Diese Sprechstörungen treten beim Singen oft gar nicht erst auf. Laut einer Studie der Universität Münster schneiden Kinder, die jeden Tag etwa eine halbe Stunde singen, besser bei Einschulungstests ab.

»Perfektion sollte an letzter Stelle stehen.«

Singendes Kind

Foto: Pixabay

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Mit Kindern singen. Für viele eine echte Herausforderung.

Oft fallen Sätze wie: »Ich kann selbst nicht singen, wie soll ich denn den Kindern richtig vorsingen?« oder »Ich trau mich nicht.« Das ist die Generation, die für das Singen eine Note erhalten hat und an der damit Kritik an der eigenen Persönlichkeit geübt wurde. Die Stimme ist naturgegeben und genau das, an dem man vermeintlich nichts ändern kann, wurde schlecht gemacht. Das lässt viele Erwachsene Vorsingen mit negativen Erfahrungen verbinden und deshalb sind viele Eltern, Erzieher, Lehrer, Jugendleiter oder andere Vorsänger gehemmt und greifen auf Musik aus der Konserve zurück. Das mag sich vielleicht richtiger anhören, leider wird damit den Kindern aber auch vermittelt, dass Singen peinlich werden könnte. Also, alle Hemmungen und Vorurteile beiseiteschieben und los geht’s.

Einsingen, ja oder nein?

Es wird nichts Schlimmes passieren, wenn Kinder sich nicht warm singen. Ansonsten könnte nach dem ersten Lied im Morgenkreis kein Kindergartenkind mehr sprechen. Kinder sind oftmals laut und kirren und kreischen im Spiel oder aus Gefühlen und Emotionen heraus. So ein Stimmband hält einiges aus. Da die Stimmlippen aber auch aus Muskulatur bestehen, kann die Stimme einfach trainiert werden. Wenn regelmäßig gesungen wird, sollten die Muskeln aufgewärmt werden, ähnlich wie vor dem Sporttraining. Langweilige Atem- und Gesangsübungen zu machen und am besten noch ruhig und gerade zu stehen, wird bei einer Horde Kinder mit Sicherheit nicht für Begeisterungsstürme sorgen. Beine schulterbreit auseinander, Knie nicht durchgedrückt … Nein, das wird wahrscheinlich nicht funktionieren.

Stattdessen kann man das Einsingen in kleine Klanggeschichten verpacken, die stimmlich vertont werden. Wie wäre es mit einer kleinen Bergtour, bei der man die verschiedenen Blumen mit ahs und ohs bestaunen oder die frische Bergluft tief einatmen kann?

Welche Lieder sind geeignet?

Geeignet ist alles, was Spaß macht. Das gilt auch für den Vorsänger. Wenn einem ein Lied gut gefällt, ist es wesentlich leichter zu vermitteln. Kombiniert mit Bewegung macht es den Kindern nicht nur doppelt Spaß, Lernen mit Bewegung fördert außerdem die Motivation und hilft den Kindern mit mehreren Sinnen zu lernen und das Gelernte besser zu verankern. Der natürliche Bewegungsdrang der Kinder wird dadurch nicht unterdrückt, sondern gefördert. Um das musikalische Spektrum zu erweitern, sind unter anderem Lieder in Molltonarten, im Dialekt und mit Taktwechseln empfohlen. Manche Lieder sind aufgrund eines bestimmten Anlasses wie z. B. ein Sommerfest oder eine Muttertagsfeier vorgegeben. In diesem Fall hat man unter Umständen nicht die freie Auswahl und muss ein Lied einstudieren, das einem selbst nicht gut gefällt. Wichtig ist dabei, einen Zugang zu diesem Lied zu finden und die eigene Abneigung abzulegen. Dann wird auch hier das Vermitteln leicht oder zumindest leichter fallen. Denn grundsätzlich gilt, man kann nur etwas gut vermitteln, von dem man auch überzeugt ist.

Was kann man von Kindern erwarten?

Perfektion sollte an letzter Stelle stehen. Das musikalische Verständnis entwickelt sich bei jedem Kind anders. Niemand fängt exakt zum gleichen Zeitpunkt mit dem Laufen an. So ist es auch in der Musik. Kinder unter drei Jahren können nur vereinzelt klare Tonhöhen nachsingen. Das Verständnis für Mehrstimmigkeit kommt erst wesentlich später, ca. ab dem zwölften Lebensjahr. Ausnahmen bestätigen immer die Regel.

Worauf gilt es zu achten?

Für Kinder sollte der Tonumfang der Lieder im Bereich der Töne c1 und f2 liegen. Das ist nicht immer der Komfortbereich der anleitenden Person, aber sehr wichtig für den gesunden Umgang mit der kindlichen Stimme. Kinder sollten beim Singen nicht schreien. Erklären Sie ihnen den Unterschied zwischen Schreien und laut Singen. Hacken Sie nicht auf Falschsängern oder Brummern herum. Zeigen Sie diesen Kindern lieber, dass die Stimme auch nach oben funktioniert, z. B. durch spielerische Übungen, wie »Wer kann piepsen wie eine Maus? Ganz leise und hoch.« oder »eine Hummel fliegt vor meinem Gesicht, nach oben und nach unten«. Das kann man mit einem langen Brrrrr gut vertonen und dadurch andere Stimmbereiche kennenlernen. Die Kinder sollten beim Singen den Mund öffnen. Das hilft nicht nur bei der Artikulation, sondern auch beim Aktivieren der natürlichen Resonanzräume.

Singen Sie doch einfach mal drauf los. Vielleicht entsteht was Gutes daraus.

Literaturhinweis:
Blank, Thomas und Adamek, Karl: Singen in der Kindheit. Eine empirische Studie zur Gesundheit und Schulfähigkeit von ­Kindergartenkindern, Münster 2010.

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