Fast ein jeder hatte wohl in seiner Kindheit schon einmal eine Okarina in der Hand und versuchte, ihr einige Töne zu entlocken. Ob als Ei, Rübe, Kugel oder in Tiergestalt, wie die eines Vogels, hat die Okarina mindestens ebenso viele Formen wie Grifftechniken. Das über 12.000 Jahre alte Instrument war schon in den Hochkulturen der Mayas und Azteken verbreitet. Auch im Kaiserreich China wurde ihr Klang geschätzt. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte der italienische Tonbrenner Giuseppe Donati (1836–1925) die heute so weit verbreitete, rübenförmige Zehn-Loch-Okarina mit einem Tonumfang von eineinhalb Oktaven. Da das Profil des Instrumentes an eine kleine Gans erinnert, wurde es Okarina (italienisch: ocarina = wörtlich kleine Gans) genannt. Noch immer feiert man im italienischen Budrio alle zwei Jahre ein internationales Okarina Festival.
Text: Petra Böhm, Fotos: Ton und Töne
Der Südtiroler Instrumentenbauer Josef Plaschke verbesserte um 1965 zusammen mit Franz Kofler (*1942), dem ersten Volksmusikpfleger Südtirols, die Okarina, deren Variante fortan hauptsächlich in der alpenländischen Volksmusik eingesetzt wird. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Weiterentwicklungen der Okarina besonders Kurt Posch (*1953) aus Bratz in Vorarlberg hat sich auch durch Okarina Baukurse um das Instrument verdient gemacht.
Aus dem Italienischen übersetzt bedeutet Okarina wie vorhin erwähnt kleine Gans, obwohl der volle Klang der Gefäßflöte nicht mit Gänsegeschnatter zu vergleichen ist, gibt der Name doch Anregung um Okarinas in Tierformen zu bauen. Am ehesten findet man diese auf Töpfermärkten. Als Sammlerin und Musikantin bin ich auch immer auf der Suche, so traf ich vor Jahren auf dem Dießener Töpfermakt Mara Ziegel und Martin Lietsch. Das in ihrer Werkstatt entstandene Gemshorn aus Ton ist inzwischen eines meiner Lieblingsinstrumente geworden. Auf Grund seiner hervorragenden Intonation lässt es sich gut in gemischte Ensembles integrieren. In der Werkstatt Ton und Töne entstehen neben den Gemshörnern u. a. auch wunderbare Vogelokarinas. Es freut mich sehr, dass Mara und Martin bereit waren mir für ein Interview Zeit zu schenken. Leider ist ihre Werkstatt so weit von München entfernt, dass wir das Interview online führen mussten.
Petra Böhm: Eure Werkstatt sieht ja sehr idyllisch aus, wo kann man euch finden?
Mara Ziegel und Martin Lietsch: Unsere Werkstatt befindet sich in einem alten Bauernhof, im Dorf Langgöns-Cleeberg im Taunus.
Gab es ein besonderes Erlebnis, das euch zum Bau von Okarinas inspiriert hat?
Letztendlich war die Begegnung mit einem Straßenmusiker, der Okarina spielte, der Impuls, um selber Okarinas zu bauen. Danach begann eine Phase des Experimentierens, um aus verschiedenen keramischen Techniken, wie Drehen, Aufbauen und Entwicklung von Modellen für Gipsformen klangschöne Instrumente herzustellen.
Es ist sicher auch ein Vorteil, wenn man die Instrumente, die man baut auch spielen kann, wart ihr zuerst Musiker oder Töpfer?
Wir sind ja keine Töpfer, sondern Keramiker. Unser Wissen über das Material Ton, die Bautechnik für die Okarinas, Vogelokarinas und Gemshörner haben wir uns selbst erarbeitet und im Laufe unserer langen Berufsjahre verbessert und verfeinert. Erste musikalische Erfahrungen konnte Martin auf der Blockflöte in der Grundschule sammeln, danach waren die Gitarre und das Saxophon seine bevorzugten Instrumente.
Ein Blickfang sind eure Vogelokarinas, besonders auffallend ist ihre liebevolle Bemalung. Wer von euch Beiden ist denn dafür zuständig?
Für die farbliche Gestaltung der Vögel ist Mara zuständig. Hierfür verwendet sie zum Teil selbst hergestellte Farben, die sogenannten Engoben, die eingebrannt werden und ungiftig sind. Jedes Instrument wird von Hand bemalt und erhält dadurch ein individuelles Aussehen.
Ist die Stimmung der Okarina nur von der Größe und der Position der Grifflöcher oder auch vom Volumen des Instruments abhängig?
Der Grundton der Okarina ist vom Volumen des Instruments abhängig – je größer, desto tiefer ist der Klang. Die Position der Grifflöcher hat keinen Einfluss auf die Intonation, die Größe der Grifflöcher schon.
Mit welcher Technik werden die Vogelokarinas hergestellt?
Die Vogelokarinas werden in eine Form gegossen, es entstehen in einem Arbeitsgang immer mehrere Vogelokarinas gleichzeitig. Die folgenden Arbeitsschritte werden nach und nach, abhängig von den Trocknungszeiten ausgeführt, für die Weiterverarbeitung muss der Ton immer eine bestimmte Konsistenz haben.
Produzierst ihr die Formen für die Okarinas selber?
Ja, zuerst stellen wir ein Positiv-Modell her, von dem ein Gipsabdruck gefertigt wird, dieser wird dann vervielfältigt, so dass er als Form zum Gießen von der Rohform der Vogelokarinas verwendet werden kann. Diese wird dann weiterverarbeitet bis zur fertig gestimmten Flöte, die nach Trocknen und Bemalen gebrannt wird.
Entspricht das Mundstück mehr oder weniger dem einer Blockflöte?
Genau, das Mundstück der Okarinas und Gemshörner entspricht dem einer Blockflöte, mit Labium und Windkanal.
Besonders beachtenswert finde ich auch eure wunderbaren Gemshörner aus Ton. Wie seid ihr auf die Idee gekommen diese Instrumente aus Ton zu bauen?
Das Gemshorn zählt ja wie die Okarina zu den Gefäßflöten. Ein Gemshorn aus Ton aus dem 15. Jahrhundert findet sich im Bayerischen Nationalmuseum. Die Idee ein Gemshorn aus Ton zu bauen ist also durchaus nicht neu, bietet aber einige Vorteile. So kann der Instrumentenbauer Form, Größe, Wandstärke und noch einiges mehr selbst bestimmen. Die im Alpenraum gebräuchliche Okarinaform lag mir beim Spielen auch nicht so gut in den Händen, die Form des Gemshorns hingegen schon.
Auf welchen Märkten kann man euch treffen bzw. können eure schönen Instrumente auch online erworben werden?
Auf unserer Homepage www.tonundtoene.com findet man alle unsere Okarinas, Vogelflöten und Gemshörner. Natürlich können die Instrumente auch über unsere Homepage bestellt werden. Darüber hinaus finden alle Interessierten unseren Stand beim Töpfermarkt in Dießen am Ammersee (9.–12.Mai 2024) und in Gmunden am Traunsee (23.–25. August 2024).
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