Text: Vinzenz Härtel Fotos: Kerstin Proell, Hermann Härtel sen., Bernd Wimmer, Stephan Mussil, Christoph Huber
Das Elternhaus
Die Mama spielt Geige und Klarinette, der Vati die Geige und die Posaune. So fing das Ganze in Zitoll an. Die fünf Kinder Hermann, Marie-Theres, Dietlinde, Matthias und ich durften alle in die Musikschule gehen und zuerst Flöte und danach entweder Geige oder Cello lernen. Die restlichen Instrumente wie Harmonika, Trompete, Klarinette, Helikon, Schlagwerk und noch viele weitere lagen oder hingen im Haus herum. Bereit zum Gebrauch. Unsere Eltern verfolgten folgenden Ansatz:
»Wir lassen die Instrumente im Haus herumliegen, denn irgendwann wird das Interesse geweckt, eines davon auszuprobieren. Das mag zu Beginn durchaus fürchterlich klingen und dabei kann auch so manches Instrument zu Bruch gehen. Allerdings kann dadurch die Neugier gestillt werden und der feste Wunsch entstehen, ein weiteres Instrument zu erlernen. Das ist eine echte Hilfestellung, die unweigerlich zum Erfolg führt.«
So kamen wir Härtel-Kinder in den Genuss, alles ausprobieren zu dürfen und lernten mitunter gleich den Umgang mit den Instrumenten beim geschwisterlichen Zusammenspiel. Das war also der erste Zugang zur Klangwelt. Zuvor aber muss erwähnt werden, dass unser Vater zuallererst Instrumente aus Holzbrettern bastelte und diese mit Farben bemalte. Mit diesen rustikalen Geigen samt Geigenbogen, Harmonika und Tuba fiedelten wir bereits als Kleinkinder bei den Proben der Citoller Tanzgeiger mit, wobei wir durch die stummen Instrumente gezwungen waren, die Melodien mitzusingen.
Weitere ganz wesentliche Berührungspunkte mit der Musik waren durch sämtliche Anlässe wie Geburtstage, Hochzeiten, Sauschädlstehlen, Schnapsbrennen, Neujahrsgeigen etc. gegeben. »Die Nåchbarin håt heut Geburtståg – då spiel ma ån!«, oder »Die Bergbauerntochter heiratet morgen – die weck’ ma auf!«, hieß es und wir Geschwister gingen zum Nachbarhaus und spielten zum Ehrentag ein Ständchen. Bei solch ungezwungenen Anlässen lernten wir den Gebrauch und Einsatz der Musik im alltäglichen Leben kennen – Musik als Lebensmittel. Noch dazu genossen wir Kinder die Gastlichkeit der Nachbarn, die unmittelbar mit der Musik in Verbindung stand.
Das Geschwisterhaus
Die Geschwister Härtel sind wie eine musikalische Jukebox. Ist man auf der Suche nach einem bestimmten Genre oder einer bestimmten Musikrichtung, so ist die Chance groß, diese in unserem Repertoire zu finden. Jeder der von uns hat, nach dem heimatlichen musikalischen Fußbad und dem Besuch der Musikschule, seinen eigenen Zugang zur Musik gefunden und obwohl wir geographisch durch viele Kilometer getrennt sind, vereinen uns die gemeinsamen musikalischen Wurzeln.
Video: Die Geschwister Härtel unplugged.
Nach dem Verlassen des Elternhauses war das gemeinsame Musizieren schon allein durch die örtliche Entfernung – und auch den vollen Terminkalendern geschuldet – nur sehr eingeschränkt möglich. Eine Ausnahme bilden unsere beiden Schwestern Marie-Theres und Dietlinde, die bereits jahrzehntelang mit der Damenband Netnakisum die Bühnen erklimmen oder auch meine Brüder Matthias und Hermann, die gemeinsam bei der Formation Tanzhausgeiger spielten.
Hin und wieder aber kommt es vor, dass sich eine Geschwisterformation bildet. Das sind für mich die schönsten Momente: In diesem Fall braucht es keinen Probentermin vor dem Auftritt und keine Absprache welches Stück wir als nächstes spielen. Es passiert so vieles aus demselben Guss und so viele gleiche Ideen bilden ein tolles Ergebnis. Zur Erklärung soll noch einmal betont werden, dass wir eben aus derselben musikalischen Schule kommen. Wir durften alle mit den Citoller Tanzgeigern groß werden.
»… wie eine musikalische Jukebox!«
Freunde wie Geschwister
Nun ist aus unserer Kinderstube ein großes Repertoire entstanden, dass uns unsere Vorbilder wie die Steirischen Tanzgeiger, später die Citoller Tanzgeiger sowie die Tanzgeiger mit Rudolf Pietsch und auch das Heanznquartett weitergaben. Bei vielen Musikwochen gaben wir bereits als Jugendliche genau dieses Wissen weiter. In ausgiebigen Sessions gelang es uns viele Musikantinnen und Musikanten für die Volksmusik auf Streichinstrumenten zu begeistern und zu infizieren, welche seit jeher nicht nur diese Musik, sondern auch die Art und Weise der Weitergabe leben.
Bei einer dieser Sessions auf der Musikwoche in Johnsbach ist das Trio Hupsala mit Claudia Schwab, Johannes Bär und mir entstanden. Dieses Projekt liegt mir besonders am Herzen, da Claudia und ich bereits im Jugendorchester Frohnleiten miteinander musiziert haben. Aus Frohnleiten gibt es noch einen besonderen Musikantenfreund – Maximilian Petrischek. Er hat sich im Laufe der Jahre ein großes Repertoire von vielen Vorbildern, wie den Lexn Buam oder der Kapelle Zwanzger angeeignet und spielt landauf und landab. Es ist ein großes Vergnügen mit ihm unzählige Stunden auf den Tanzbodenbühnen zu verbringen dürfen.
Eine meiner Brasilien-Reisen hat mich sehr geprägt und ist auch der Beginn einer neuen Musikgruppe und einer tiefen familiären Freundschaft. Bei diesem Urlaub lernte ich die Familie Sousa dos Santos kennen. Nach dem Essen packte Boneco, der Schwiegersohn der Familie, die Trommel aus und begann zu singen. Nach und nach wurde die Band größer und so stand irgendwann auch ich spielend mitten im Wohnzimmer. Boneco lernte mir in dieser Woche zehn Sambamelodien, ohne ein Wort Deutsch oder Englisch zu benötigen – es sei dazugesagt, dass ich dem Portugiesischen auch nicht mächtig bin. Aber er sang mir die Melodien so lange vor, bis ich diese intus hatte. So einfach. Inzwischen kommt die gesamte Familie zwischen Mai und September nach Europa und wir touren mit der Austro Brazil Connection durch das Land, obwohl wir uns noch immer sprachlich nicht verständigen können.
Ja, die Liste mit Musikern, die sich hauptsächlich über die Musik verständigen, ist lange. Es funktioniert ähnlich, wie bei zwei alten Freunden, die sich mehrere Jahre nicht gesehen haben, deren Freundschaft aber nicht unter der zeitlichen Entfernung beider Leben leidet.
Next Generation
Und jetzt sind die Geschwister Härtel bereits alle Eltern geworden. Zum Geburtstag der Nachbarin spielt die Nachwuchsband bestehend aus Cousinen und Cousins, die Harmonika bedient der Onkel, den Bass zupft die Mama und die Kleinsten spielen auf den noch immer existierenden rustikalen Holzinstrumenten.
Das klingt im ersten Moment alles sehr trivial. Denn das Leben in einer Musikantenfamilie scheint schier wunderbar und ohne Probleme. Aber hier herrscht genauso der ganz normale Alltag. Glaubt mir!
Neueste Publikation:
Wer Lust hat die Härtels daheim zu erleben, der hat mit der CD Geburtstagswalzer – Session 2 Gelegenheit dazu. Das Härtel Quintett musiziert darauf ausschließlich mit Kompositionen von Hermann Härtel sen.
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