Im Fluss der Musik …

… nicht immer geradeaus, aber immer unterwegs.

4. August 2025

Lesezeit: 8 Minute(n)

Maxi Pongratz aus Oberammergau gründete 2007 mit den Brüdern Michael und Martin von Mücke sowie Matthias Meichelböck die Formation Kofelgschroa. Elf Jahre lang waren sie in unzähligen Gaststuben, auf Festivalbühnen und Kleinkunstbühnen zuhause. Seither ist der Musikant, Sänger, Liedermacher solo oder mit wechselnden Kollegen unterwegs – inzwischen sind vier Alben erschienen. Im Gespräch mit Sebastian Gröller erzählt Pongratz aus seinem Musikerleben zwischen Stadt, Land, Fluss.
Text: Sebastian Gröller Fotos: Archiv

Sebastian Gröller: Servus ­Maxi, es freut mich sehr, dass du dir die Zeit nimmst für das Interview. Du bist Musiker, in der Hauptsache Akkordeonist und Sänger. Bist viel Solo unterwegs und auch bekannt durch die Gruppe Kofelgschroa aus Oberammergau. Wie und wo bist du aufgewachsen und welche Erinnerungen und Erlebnisse haben dich geprägt?

Maxi Pongratz: In einem Haus am Rand von Oberammergau. Meine Mama war zu Hause, hat zwei Fremdenzimmer vermietet, da waren auch ab und zu Feriengäste da, die was hören wollten. Dann hab ich mein Instrument geholt und auch mal zwei Mark fürs Spielen bekommen.

Übung macht den Meister.

Mein Papa war Maurer in der Schlossverwaltung in Linderhof. Viel mehr noch war er aber Vorsitzender vom Volkstrachtenverein am Ort. Da mussten meine Brüder und ich auch alle ran, samt Schuhplattln und alles, was so dazu gehört. Als Taferlbua bei verschiedenen Umzügen, das ganze Vereinszeug was man halt so kennt.

Die Kombi von Feriengästen und Tracht haben mich geprägt. In Oberbayern ist das, glaub ich, anders als vielleicht in der Oberpfalz. Die, die hier Urlaub machen und es schön finden, haben keinen unwesentlichen Beitrag in der Sache.

Maxi Pongratz

Wie hast du mit der Musik begonnen?

Meine Eltern spielten kein Instrument. Obwohl wir sonst nie in den Urlaub gefahren sind und eher sparsam lebten, war meinen Eltern wichtig, mir Musikunterricht zu ermöglichen. Ich wollte gerne Klavier spielen, aber das hat man mir ausgeredet. Gefördert wurden nur Instrumente mit einem traditionellen Background. Was nicht heißt, dass Klavier nicht traditionell wäre. Aber nicht im alpenländischen Sinne, wie man es gewohnt ist.

Also ist’s das viel jüngere Akkordeon geworden. Hauptsache Ziehharmonika – dass es nicht die Steirische geworden ist, lag nur daran, dass eben ein Akkordeon-Lehrer in der Gegend war. Und kein Lehrer für Steirische. Das hat mir aber schon auch sehr gut gefallen.

___STEADY_PAYWALL___

Klavier war damals keine Option, aber spielst du es heute?

Bei meinen Freunden und späteren Bandkollegen zuhause stand in der Schreinerwerkstatt ihres Vaters ein Klavier. Da hab ich immer wieder mal heimlich drauf rumgeklimpert. Die Klaviatur war ich ja schon vom Akkordeon her gewohnt. Dann viel später in Altötting auf der Berufsfachschule für Musik, das war so 2011 rum, hatte ich dann Unterricht. Von der Lehrerin dort wurde aber immer mein Anschlag kritisiert, der vom Akkordeon her wohl viel zu hart war. Ich durfte nie über dieselben zwei drei Anfänger-Etüden rausspielen. Die Lehrerin hat mich sehr getriezt, dabei hätte sie doch wissen können, dass aus mir kein klassischer Konzertpianist werden muss. Aber ich spiele immer noch und immer wieder gerne Klavier. Meine Freude an der Musik kam Gott sei Dank zurück nach der Zeit im bayerischen Wallfahrtsort!

»Ich glaub aber, alles hat eben seine Zeit.«

Maxi Pongratz und Simon Ackermann

Du warst also auf der Berufsfachschule für Musik in Altötting. Was hast du davor gemacht, nach der Schule?

Nach der Hauptschule mit 16 absolvierte ich von 2003 bis 2006 eine Lehre zum Zierpflanzen-Gärtner. Währenddessen hab ich allerdings schon mit meinen Freunden Musik gemacht und mich zog es sehr zu irgendetwas Kreativem hin. Nach der Lehre hab ich dann nur noch anderweitig, durch ein paar Brotjobs Geld verdient, und hauptsächlich Musik gemacht. Die Musik freiberuflich, selbstständig und hier und dort auch recht chaotisch – aber das war alles, was ich wollte.

Welche musikalischen ­Einflüsse haben dich als Musiker geprägt?

Ich erinnere mich, da war ich aber sehr klein. Es gab eine Kassette im Auto von den D’ Hannesla Brüdern vom Graseck, einem kleinen Bergdorf bei Partenkirchen. Diatonische Ziehharmonika, Gitarre und Gesang. Die Texte gingen über die schöne Heimat, Gams schießen und Madl lieben. Es war die einzige Kassette und die lief rauf und runter. Der Sound hat zwar heute nichts mehr mit mir zu tun, aber hat was in mir ausgelöst. Das war die erste prägende Musik, an die ich mich erinnern kann.

Die Spider Murphy Gang hörte ich später sehr viel. In der Schülerband Hot Iron hab ich mal gespielt, so klassische Oldies wie Knocking on Heavens Door usw. Da eignete

ich mir ganz viele Akkorde an, die in der Volksmusik damals noch nicht verbreitet waren. Ich erinnere mich an so ein Songbook Da Capo, was sicher jedem Lagerfeuer-Gitarristen ein Begriff ist, da standen dann über den Texten die Buchstaben für die Akkorde. Das war sehr neu und aufregend für einen C-Dur-Landler-Bua. Da ist es zum Beispiel auch das erste Mal passiert, dass ich einen e-moll-Akkord gespielt hab und danach die ganze Welt durch eine psychedelische Brille gesehen hab. In dieser Zeit hab ich dann auch selbst angefangen, Lieder zu schreiben. Die üblichen Volksmusikstücke waren mir zu viel Friede Freude, zu viel Dur-Akkorde. Ich war ein eher melancholischer Jugendlicher.

Kofelgschroa

Wann und wie ging es mit Kofelgschroa los?

Drei von uns sind aus Oberammergau, wir spielten schon zusammen, als wir Kinder waren. Aber eher so bei Weihnachtsfeiern und Jahreshauptversammlungen vom Trachtenverein. Damals als Kofelmusi und mit ganz traditionellen Stücken wie dem Gföller Marsch, Schnapseinbringer und so. Irgendwann haben wir angefangen, frei ohne Noten rumzujammen und so nahm dann alles seinen Lauf. Wir wollten immer so Techno oder Bordun-Sachen machen, wie wir es von elektronischer Musik kannten, aber im Herzen waren wir auch immer weniger Garagenband und mehr Stuben-Eckbank-Bubn. Es war auch die Zeit, wo wir die Band umgetauft haben von Kofelmusi in Kofelgschroa. 2007 ist der Matthias zugezogen und eingestiegen. Ab da waren wir ein Quartett und haben angefangen aufzutreten. Irgendwann kamen dann eigene Texte und Lieder dazu.

»… ich wollte Volksmusik machen, ohne mich zu verstellen.«

Wie haben deine in der Tradition verankerten Eltern oder generell die Oberammergauer reagiert, als sich eure Musik geöffnet hat und ihr nicht mehr nur im traditionellen Stil musiziert habt?

Früher hatten die Leute schon eher einen Stock im Arsch, wohingegen heute auch jeder ein Pixner Stückl oder sowas spielt. Ich glaube, meine Eltern haben sich einfach nur Sorgen gemacht, dass ich von der anständigen Bahn abkomme.

Die Tradition bei uns war immer sehr äußerlich bestimmt. Wenn man Volksmusik spielt, dann muss man auch eine Tracht anhaben. Das wollte ich aber nicht, ich wollte Volksmusik machen, ohne mich zu verstellen, ohne mich anders anziehen zu müssen. Heute noch empfinde ich eine große Abneigung gegen Lederhose und so.

Ich wollte einfach was spielen, was mit mir zu tun hat. Da war auch sicher einiges an Trotz dabei. Der Aufruhr in der Familie und im Dorf hat sich sehr revolutionär angefühlt. Dabei haben wir doch nur zusammen Musik gemacht, wir haben nicht randaliert oder uns tätowiert oder sowas. Aber unsere Eltern haben sich angestellt, als wären wir die ärgsten Punks.

Der Sound von Kofelgschroa ist einmalig, mit den drei warmen und erdigen Blechblasinstrumenten, Tuba, Tenorhorn und Trompete, die allein schon das Gefühl von Heimat hervorrufen. Dazu kommen noch dein grooviges Akkordeonspiel und dein einzigartiger Gesangsstil. Vielen Bands kann man musikalische Parallelen zu ihren Idolen oder bestimmten Musikgruppen nachsagen. Bei Kofelgschroa ist das nicht der Fall, ihr habt etwas ganz Eigenes kreiert, was zum großen Teil auch an deiner Stimme liegt. Wie hat sich das entwickelt?

Das kann ich gar nicht so genau beantworten. Ich wollte erstmal gar nicht Sänger werden. Es hat sich einfach so ergeben: der, der ein Lied schreibt, muss dann auch singen! Ich hab in meiner Jugend schon Gedichte geschrieben und das auch in unser Quartett einfließen lassen. Manchmal gesungen und manchmal einfach nur

gesprochen, begleitet vom musikalischen Teppich der Instrumente. Ähnlich wie bei einem Prolog in der Oper. Die Passionsspiele in Oberammergau haben mich natürlich auch geprägt. Die Theatralik gefiel mir schon recht gut. Ich tu mich aber eigentlich eher schwer mit dem Singen. Oft verstecke ich mich lieber hinter meiner Ziehharmonika und schweige in mich hinein.

Dafür, dass du dich schwertust, hat sich aber etwas Wunderbares entwickelt! Das kann nur Ansporn sein für alle, die denken, sie können etwas nicht. Ihr ward sehr erfolgreich, habt drei Platten aufgenommen und auch einen Film gemacht. Warum ging es mit Kofelgschroa auseinander?

Für mich war Kofelgschroa das Ein und Alles, ich wollte liebend gern immer einfach damit weitermachen. Stil und Besetzung war perfekt auf uns vier zugeschnitten, das ging nicht mit irgendjemand anders. Die anderen drei hatten aber Jobs und dafür wurden es einfach zu viele Konzerte, um das nebenbei zu machen. Man könnte auch fragen: Warum wir nicht einfach weniger gespielt hätten. Ich glaub aber, alles hat eben seine Zeit. Das war anfangs emotional nicht einfach für mich.

Die Trennung hat mich sehr mitgenommen, aber ich musste eine Möglichkeit finden, allein weiterzumachen. Da war ich um die 30 Jahre alt und hatte gefühlt schon meine Leidenschaft gefunden, musste aber nochmal neu umdenken. Das hat einige Zeit gedauert, bis ich mich als Solokünstler auf der Bühne wieder wohlgefühlt habe. Dass mich immer alle Leute auf Kofelgschroa angesprochen haben, machte das Ganze nicht einfacher und ich hab teilweise viel getrunken, um das auszublenden. Hat ehrlich gesagt ein paar Jahre gedauert, bis es sich natürlich und gut angefühlt hat und nicht mehr wie eine musikalische Sparversion von Kofelgschroa. Mittlerweile kann ich die Unabhängigkeit aber durchaus genießen.

Mit dem Soloprojekt hast du mittlerweile zwei Platten aufgenommen und tourst durch Bayern und darüber hinaus. Aber nach den rund sieben Jahren Solo gibt’s jetzt auch ein kleines Revival der Band, richtig?

Wir reden immer davon, aber zeitlich bringen wir es sehr selten zusammen. Heuer ist es nun auf jeden Fall soweit: am 25. Oktober bei 10 Jahre Dicht und Ergreifend in der Olympiahalle. Das ist eigentlich nicht so ganz unser Raum, die Olympiahalle ist ja riesig und wir haben schon so lange nicht mehr miteinander gespielt. Aber ich freue mich sehr drauf, find’s ehrenvoll und amüsant zugleich, ausgerechnet dort zu spielen.

Welche anderen Projekte gibt es noch mit Maxi Pongratz?

Naja, ich trete oft in einer Duo Formation auf. Kontrabass oder Tuba, mit Simon Ackermann oder Theresa Loibl. Dann gibt’s noch das Projekt Musik für Flugräder. Dabei spielen wir mit sieben oder acht Musikern Arrangements von Micha Acher für Akkordeon, Fagott, Klarinette/Bassklarinette, Tuba, zwei Basstrompeten, Bratsche und Schlagzeug. Die Stücke, die wir spielen, sind von Micha oder von mir. Gustav Mesmer war ein Flugradbauer, der seine Erfindungen aus Abfall, Planen und Folien gebaut hat und vieles mehr an verrücktem Zeug gemacht hat. Dazu gab es mal eine Ausstellung, für die wir dieses Projekt ins Leben gerufen haben.

Vielen Dank Maxi, dass du uns deine Geschichte erzählt hast und wir einen kurzen Blick auf dein Lebenswerk werfen konnten. Nach all diesen Höhen und Tiefen: bist du glücklich?

Ja!

YouTube

Video: Konzertmitschnitt von Maxi Pongratz, 2021.

3
Aufmacher:
Kofelgschroa

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung

L