Text: Ernst Schusser
Es war Mitte der 1970er-Jahre in Bad Reichenhall. Nach Stationen bei den Gebirgsjägern in Füssen und in Traunstein kam ich als W15 – wie man damals die Wehrpflichtigen mit 15 Monaten Dienstzeit nannte – nach Bad Reichenhall. Überall begleitete mich meine Freude daran, mit meinem kleinen Akkordeon zur Unterhaltung der Kameraden und zum gemeinsamen Singen aufzuspielen – ob in der Kasernen-Kantine oder in Wirtshäusern in den Nachbarorten, die wir Soldaten am Abend gern besuchten.
Mia san halt die Schiffleut,
mir fahrn mitn Flouß,
von Laufen auf de Donau,
der Durscht is uns grouß.
Mir trinkan koa Wassa,
mir trinkan an Wein,
mir san wia de Herren,
und wolln lustig sein.

Eintrag in der Rundfunk- Zeitung für den 13. Juni 1936
Dabei wurden viele Geschichten ausgetauscht und ich lernte auch zahlreiche Lieder, von den Wirtshausgästen oder den Kameraden. Ein W15 aus Laufen stammte wohl aus einer Familie, die früher als Schiffleute das Salz aus den Berchtesgadener Bergen auf der Salzach, dem Inn und der Donau bis nach Wien gebracht hatten. Er erzählte von der schweren Arbeit seiner Vorfahren und dem Gewinn, den sie beim Verkauf vom Salz und der anderen transportierten Materialien und auch Personen heimgebracht hatten. Auch das Holz, aus dem die Flösse gebaut waren, wurde am Ziel der Reise verkauft. Ob seine Geschichten der Wirklichkeit entsprachen, war uns egal: Sie waren unterhaltsam und berichteten von der Freiheit der Schiffleute, vom Kennenlernen fremder Länder, Städte, Menschen und Kulturen, vom Verlassen der engen Geburtsstadt hin in die weite Welt und von der Rückkehr – und der mit dieser Arbeit verbundenen Unterhaltung. Zu fortgeschrittener Stunde stimmte er gern das obige Gstanzl an, das ich aus der Erinnerung so ungefähr zurechtgemacht habe. Natürlich haben wir dabei umfänglich getrunken.
Fahr ma auf Minga mitn Floß,
es geht vui schneller wia mitn Roß.
Und beim …-Wirt, da kehr ma ei,
da gibts a Bier und an guatn Wein.
Das Lied vom Loisachtal ist Vielen aus der älteren Generation beim geselligen Singen sehr geläufig. Die obige vierte Strophe ist wohl später dazugekommen und besingt den Weg der Flößer aus der Enge der Loisach-Orte hinaus über die Isar in die Stadt München (und früher auch weiter). Wir haben es natürlich immer angestimmt, wenn wir auf den Unterhaltungs-Flößen von Wolfratshausen aus lustige Gesellschaften musikalisch nach München begleitet haben. Die Baumstämme der Flöße sind dann nach der Fahrt an der Floßlände auf einen Langholztransporter verladen und nach Wolfratshausen zurücktransportiert worden. Bei der Strophe haben wir unterschiedliche Namen der Gasthäuser eingesetzt – und die letzte Zeile konnte auch heißen: »… da tuats allaweil lustig sei.« – Jedenfalls beschreibt der Text die Reisegeschwindigkeit, kann aber im freien Singen auch als Werbung für manchen Wirt dienen.
Das Kronacher Flößerlied
Des Morgens wenn es sechsa schlägt
sind zur Arbeit wir bewegt.
Dann ergreifen wir die Waffen,
fangen hurtig an zu schaffen
wohl um des Massders Lob und Preis,
lustig ist, wer Flößer heißt.
Als ich vom Zachmeier Erwin (1928–1991) dieses mehrstrophige Flößerlied zum ersten Mal bei der abendlichen geselligen Unterhaltung nach dem anstrengenden Tagesprogramm beim ersten Seminar Volksmusikforschung und -pflege in Bayern (Herrsching, September 1978) des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege unter Einbeziehung aller Zuhörer singen hörte, war ich begeistert. Er war ein großartiger Charakter und verstand es, die Menschen für die Volksmusik zu gewinnen, schon vor seiner Anstellung als fränkischer Volksmusikpfleger beim Landesverein. Beim folgenden Wechselgespräch versuchten alle bei den Antworten den oberfränkischen Dialekt nachzuahmen:
Wer ist lustig? – Die Flößer!
Wo seid ihr? – Dou!
Lasst euch hören! – Dunnerkeil!
Und dann kam mit voller Wucht der rhythmische Kehrreim, teils auch mehrstimmig:
Zum tralala, tralala,
lustig sin die Flößer da,
tralala, tralala,
lustig semmer da.

Eintrag in der Rundfunk- Zeitung für den 13. Juli 1935
Ich war sehr glücklich, dass der Erwin mit seiner Frau Renate mir in Freundschaft verbunden war. Diese Freundschaft währt über den Tod hinaus und ist auch mit diesem Lied verbunden. Erwin Zachmeier hat es auch in unsere privat mit vielen Zeitgenossen erstellte Festschrift zum 70. Geburtstag von Kurt Becher, dem langjährigen Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, eingebracht (Stein/Bruckmühl 1984, S. 345f), dem die Volksmusikpflege in Bayern so viele Impulse zu verdanken hat.
In meiner Magisterarbeit über die Volksmusik im Bayerischen Rundfunk von 1924 bis 1945 […] (LMU München 1981) konnte ich die mediale Verbreitungsform dieses Flößerliedes über Oberfranken hinaus nachvollziehen: Im Juni und Juli 1936 hat der Reichssender München in Zusammenwirken mit der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) 10 regionale Volkssender-Ausscheidungssingen an verschiedenen Orten zwischen Berchtesgaden und Kulmbach organisiert und zur besten Sendezeit übertragen, in denen die »besten Sänger und Musikanten« aus Bayern gesucht wurden. Diese durften dann bei deutschlandweiten Direktsendungen von der Funkausstellung in Berlin (September 1936 Vom Volkssender) mitwirken – unter dem NS-Motto Volk singt für Volk. Am 13. Juni kam das 3. Volkssender-Ausscheidungssingen aus Kulmbach und hatte als Titel die letzte Strophe des Kulmbacher Flößerliedes: … des Abends, wenn’s dann achta schlagt, wir zum Feierabend seins bewegt.
Zur Vorbereitung dieser großen Aktion kam es 1935 zu einer Art Generalprobe: Am 13. Juli wurde von 21 bis 22 Uhr überregional aus Kulmbach das Volksliederpreissingen der Ostmark übertragen. Die dort u. a. von Wilfrid Feldhütter nach Rundfunkkriterien ausgewählten Gruppen durften am Samstag, 17. August, im Abendprogramm vom Volkssender und am Sonntag im Mittagskonzert aus der Sendehalle II der Rundfunkausstellung in Berlin mitwirken. Bei der Ankündigung finden sich u. a. auch die Kronacher Flößer.
Nachdem unsere Feldforschungen das Kronacher Flößerlied in verschiedenen Varianten (ohne Bezug zu Oberfranken, auch mit unterschiedlichen Handwerksberufen, u. a. als Bräuburschenlied in Holzkirchen nach Information von Franz X. Taubenberger) in oberbayerischen Orten feststellen konnten, haben wir es 1992 in unser Taschenliederheft Wirtshauslieder I – Lieder für gesellige Stunden (Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern, Bruckmühl 1992 ff.) aufgenommen mit der Bemerkung: »Diesen Wechselgesang machten in den 30er Jahren die Kronacher Flößer in ganz Bayern bekannt. In vielen Rundfunksendungen … war er zu hören. Damit kam er ins Repertoire oberbayerischer Wirtshaussänger […] Erwin Zachmeier hat das Lied auf vielen Volksmusikwochen unvergesslich angestimmt. […]« – Bei unseren Wirtshaussingen war Lothar Rosner, der damalige Kämmerer des Bezirks Oberbayern, gern der Vorsänger.
Schon 1989 hat Prof. Dr. Otto Holzapfel in seinem Beitrag 75 Jahre Deutsches Volksliedarchiv in Freiburg i.Br. (Sänger- und Musikantenzeitung, 32. Jg. S. 170 ff.) auf die verschiedenen Aufzeichnungen und die unterschiedlichen Lebenswelten des Kronacher Flößerliedes mit Beispielen aus dem DVA hingewiesen. Er zeigt eine variantenreiche Geschichte des Liedes über 180 Jahre auf, vom Soldatenlied (Benennung der Einheit), über verschiedene Handwerke (Lustig ist das Hufschmiedleben… u. v. a.) bis zu Singformen im Kinderlied (vgl. Liedverzeichnis auf cwww.ebes-volksmusik.de).
In unserem Exkursionsband Auf den Spuren von Christian Nützel in Oberfranken (VMA 1997) weisen wir auf das Flößermuseum Unterrodach in einem ehemaligen Floßherrenhaus hin, mit den Exponaten zum Flößerhandwerk im Frankenwald und der Mainflößerei. Ingeborg Degelmann berichtet detailliert über die Herkunft, die Liedträger und die verschiedenen Wandlungen im Gebrauch des Liedes, weg vom Berufslied der Flößer zum Erinnerungslied über die Flößerei, zum geselligen Unterhaltungslied, zum Touristenlied der 1930er-Jahre – und zu frühen Aufzeichnungen (u. a. Sammlung Nützel) und Abhandlungen dazu.

Eintrag in der Rundfunk- Zeitung für den 17. August 1935
Die Flößer in anderen Liedern
Nur noch einmal in meinem Leben
auf der Innbruck möcht ich stehn.
Nur noch einmal auf heitren Wogen
meine Heimat möcht ich sehn.
Da kommen Flößer, lustige Leute,
Tiroler Jodler schallts von weitem,
drüaho-aho-aho-aho,
huljaüri, heut schlafst bei mir.
Bei den Arbeiten zu einer Wanderausstellung über Wastl Fanderl (1915–1991) stellten wir fest, dass er zusammen mit Leo Döllerer am 22. November 1950 eine Studioaufnahme im Bayerischen Rundfunk mit obigem Lied gemacht hatte. Fanderl kannte dieses Heimatlied, da es damals noch in vielen Wirtshäusern gesungen wurde. Für ihn war es ein Hörbeispiel (Parodie) für sogenannte volkstümliche Alpenlieder, das er für eine Sendung brauchte. Wir haben das Lied dokumentiert in der Broschüre Begegnung mit Wastl Fanderl (VMA 1996, S. 146) und auf der CD Wastl Fanderl und seine Sängerfreunde (BR/VMA 1996, Nr. 13).
4. Bin i net a kreuzlustiga Flösslasbua,
Und der mir’s nöt glaab’n wöll,
Der schaut mir’s halt zua.
Muass allewei auf’n Floass nauf steah’,
Muass allewei schrei’n, ja schrei’n:
Abi fahr’n ma auf Wean, Madl secht’ ma gern,
Und a Bier mög’n ma aa viel dra’.

Eintrag in der Rundfunk-Zeitung für den 18. August 1935
Im Jahr 2016 gab es in Benediktbeuern eine Ausstellung Flößerhandwerk im Umbruch – Die Flößer auf Isar und Lech. Auf Einladung von Bezirksrätin Helga Hügenell und Frau Helga Lauterbach (Autorin des Buches Floßmeister und Flößerbräuche – Tradition und Geschichte an der Isar und Loisach) sollten wir am 12. November einen öffentlichen Singnachmittag in der Ausstellung durchführen. Dazu sollten wir umfangreiche Forschungen zu Liedern über die Flößer durchführen, was nicht leicht, aber zeitintensiv war. Einige Ergebnisse konnten wir bei dem Singnachmittag vorstellen, wie z. B. obige 4. Strophe eines Liedes D’ Holzknecht auf einem Textblatt in der Sammlung Schmucker (Ruhpolding) Lieder zum Preissingen in Traunstein 1931 mit der Anmerkung »Von Josef Gerg, Flößer in Wackersberg.« – Zum Singen haben wir den Text mit einer damals volkläufigen Melodie unterlegt, ebenso die sieben eher nostalgisch-beschreibenden Vierzeiler von Der letzte Woidschrogn im Loisachtal 1883, hier ein paar Textauszüge:
1. A Woidschrogn is a Floß,
den jetzt nimmer a jeder mach’n ko.[…]2. Auf Minga und Passau
hob’m ma Bretta obi gführt,
auf Wien san ma weiter gfohrn,
Bua, dort hot si was grührt.
3. In Wien hom ma gor ausglon,
an Floaß hom ma a verkafft,
an Hoamweg hom ma brav g’suffa
und a a diam grafft.
2. Auf Minga und Passau
hob’m ma Bretta obi gführt,
auf Wien san ma weiter gfohrn,
Bua, dort hot si was grührt.
3. In Wien hom ma gor ausglon,
an Floaß hom ma a verkafft,
an Hoamweg hom ma brav g’suffa
und a a diam grafft.
Die Flößer in Oberau (GAP) hatten oft auch Gips transportiert. Nach der Oberauer Chronik ging das letzte Floß von Oberau aus im Jahr 1925 ab. Und dann wird die neue Zeit bedauert mit der Eisenbahn und der Technik. Die Flößerei wird unrentabel. Die Burschen kommen nicht mehr vom Oberland (Gebirge) hinaus ins Unterland:
7. Pfüadigott du schöns Unterland
Pfüadigott Floaßerei.
Mehrere weitere Lieder haben wir an diesem Nachmittag gesungen, so auch neu entstandene, z. B. von Wastl Biswanger (1938–2013) aus Ingolstadt As Floß is gschirrt … nach alten Texten – oder Auf gehts bald, Flößerleit von Ernst Zwanzleitner für die Fernsehsendung Klingendes Österreich 1988. Dazu kamen viele aktuelle Schnaderhüpfl/Gstanzl über die Unterhaltungsfloßfahrt von Wolfratshausen nach München. Ein Vierzeiler aus der Zeitschrift Aurora (München 1828) lautet:
Frische Buam san de Flößla
gehen selten zur Beicht.
A lebfrischa Flößla
versündt si net leicht.
In der Liedüberlieferung, in Handschriften und Gebrauchsdrucken finden sich Heimatlieder (siehe oben bei Wastl Fanderl), die von den Sängern mit Ortsbezügen der Flößer ins eigene Umfeld konkretisiert wurden: Ein Lenggrieser ist’s gewesen …. Auch in Holzknecht-Liedern oder Gesängen über die Fuhrleut am Land (Westermair’s Lieder-Büchl Nr. 4, München 1925, Nr. 273) sind immer wieder Strophen zu finden:
2. Vom Oberland kommen die Flößer daher
Auf der Isar, man sieht sie recht gern,
Da kann man gar oft voller Lust, voller Freud’
Ihre Juchzer und Leibjodler hör’n.
Gern schicken wir Ihnen die vollständigen Liederblätter und die angesprochenen Aufsätze zu. Schreiben Sie bitte an EBES-Volksmusik (Förderverein Volksmusik Oberbayern, Pfarrweg 11, 83052 Bruckmühl, +49 8062 8078307, ernst.schusser@heimatpfleger.oberbayern).
Natürlich sammeln wir immer weiter. Die Flößerlieder lassen uns nicht los. Für den 33. Deutschen Flößertag in München 2022 hatten wir ein kleines Liederheft mit geselligen Liedern zum gemeinsamen Singen beim Festabend am 15. Oktober im Hofbräusaal erstellt. Es war ein sehr informativer und lustiger Abend, voller neuer Erkenntnisse – und vieler neuer und alter Flößerlieder, die wir von den teilnehmenden Gruppen und Vereinen erhalten haben. Lautstark stimmten die Oberfranken ihr Kronacher Flößerlied an und alle durften mitsingen.
Damals und heute – wenn es auch immer weniger aktive Flößer gibt, die Erinnerung bleibt auch in den Liedern erhalten. Immer wieder entstehen neue Lieder, und immer wieder finden wir alte Lieder, die dieses schwere Handwerk, die Freiheit, die Freude, die sprichwörtliche Lustigkeit des Berufes und viele menschliche Seiten besingen. Ob es immer so lustig war, das Flößerleben?
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