»Das Schwarzwaldmädel«

Von der Operette auf den Tanzboden

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7. Juni 2023

Lesezeit: 7 Minute(n)

Die Operette Das Schwarzwaldmädel feiert im August 1917 mitten im Ersten Weltkrieg an der Alten Komischen Oper in Berlin Premiere. Die Musik stammt von Leon Jessel (1871–1942), das Libretto von August Neidhart (1867–1934). Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: Auf einem Ball verliebt sich der Maler Hans Hauser in das Schwarzwaldmädel Bärbele Riederle. Kurz darauf folgt er ihr nach St. Christoph, ihrem Heimatort. Dem Zuschauer ist sofort klar, dass beide füreinander bestimmt sind. Doch freilich kommt es zuerst noch zu allerhand Verwirrungen und Verwechslungen, ehe sie sich ihrem Liebesglück hingeben können.
Text: Magnus Kaindl Fotos: Beratungsstelle für Volksmusik des Bezirks Schwaben, Steffi Zachmeier, Sammlung Roland Pongratz
 

Der Stoff trifft offensichtlich den Zeitgeist ausgelassener Unterhaltung der goldenen 1920er Jahre und ist Leon Jessels berühmtestes Werk. Bis weit in die 1930er Jahre wird die Operette über 6.000 mal aufgeführt – darunter auch in Städten wie Buenos Aires. Schnell verbreiten sich Notenauszüge und Potpourris für verschiedene Orchesterbesetzungen. Einige Melodien wie Malwine, ach Malwine, du bist wie eine Biene, Erklingen zum Tanze die Geigen oder eben das in diesem Artikel noch näher zu betrachtende Mädle aus dem Schwarzen Wald werden zu regelrechten Gassenhauern. In den Zwischenkriegsjahren entstehen zudem bereits drei Verfilmungen zum Schwarzwaldmädel – 1920 noch als Stummfilm, 1929 und 1933 mit Ton.

Erfolge auf Bühne und Leinwand

Vor Leid und Tod verschont hat Leon Jessel dieser Erfolg aber tragischerweise nicht. Wegen seiner jüdischen Abstammung fällt er unter den Bannstrahl des NS-​Regimes und stirbt im Januar 1942 an den Folgen schwerer Misshandlungen während seiner Inhaftierung in Berlin.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt das Schwarzwaldmädel eine Renaissance, jedoch weniger auf der Bühne als vielmehr im Kino und dem neuen Massenmedium Fernsehen. Die vierte Verfilmung von 1950 ist bis heute einer der größten deutschen Kinoerfolge. Als erste Farbfilmproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt begründet das Schwarzwaldmädel mit seiner überragenden Sogwirkung die neue Heimatfilmwelle der 1950er Jahre. Weitere Fernseh-​Fassungen folgen 1961 und zum vorerst letzten Mal 1973.
Vor diesem erfolgreichen Hintergrund verwundert es nicht, dass das Schwarzwaldmädel auch als Tanz seine Verbreitung gefunden hat. Im Zuge meiner Recherchen konnte ich mich dazu mit Steffi Zachmeier aus Nürnberg, Christoph Lambertz von der Beratungsstelle für Volksmusik im Bezirk Schwaben, der auch die Noten im aktuellen Notenteil beigesteuert hat, sowie mit dem Volkskundler Wolfgang A. Mayer austauschen.
Grundlage für den Tanz ist eine Musiksequenz aus dem 2. Akt, die im Original mit folgendem Liedtext überliefert ist:

»Mädle aus dem Schwarzen Wald, | Ihr süßen kleinen Schätzle, | Schmeichelkätzle gieb ein Schmätzle, | sei doch nicht so kalt. | Mädle aus dem Schwarzen Wald, | die sind nicht leicht zu habe. | Nur ein Schwabe hat die Gabe, | stiehlt ins Herz sich bald!«

Das Stück ist im 2/4-​Takt notiert und erinnert mit seiner Tempoangabe »sehr mäßig« an eine langsame Polka oder einen Rheinländer. Und tatsächlich sind für das Schwarzwaldmädel mit Wechselschritten, Gehschritten und Drehen der Tänzerin typische Tanzelemente eines Rheinländers überliefert, wie sie uns heute geläufig sind.

Titelseite der Illustrierten Filmbühne Ausgabe Nr. 776

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Erste Tanzaufzeichnungen

Erste verlässliche Quellenangaben vom Tanz aus Bayern stammen von einer »Besuchsreise« von Gretel Horak bei Trachtenvereinen in Bayerisch Schwaben und Franken 1933, deren Ergebnisse ihr Mann und Musikwissenschaftler Karl Horak 1980 publiziert hat.1 Bereits ein Jahr vorher schreibt Wolfgang A. Mayer in einem Seminarbericht einer Feldforschungs-​Exkursion in Mittelfranken 1979 2: »Das Schwarzwaldmädel ist sicher die jüngste unter den hier kommentierten Figurentanzformen. Die Melodie entstammt der Grundform der erst 1917 uraufgeführten Operette gleichen Namens von Leon Jessel und war ein Schlager der Jahre nach dem 1. Weltkrieg. Die Tanzform kommt punktuell in vielen Teilen Bayerns vor (auch als Rheinländer) und ist vermutlich auch in den dreißiger Jahren in Tanzschulen gelehrt worden. Nach den Exkursionsaufzeichnungen mit den Belegen zwischen Altmühl und Ries ist ein verstärktes Verbreitungsgebiet im Nordschwäbischen zu vermuten.«

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Am nordöstlichen Riesrand, bereits in Mittelfranken gelegen, ist im Gemeindegebiet von Polsingen/Lkr. Weißenburg-​Gunzenhausen die heute häufigste Form dokumentiert (vergleiche Tanzbeschreibung). Ein weiterer Beleg findet sich in Mörlach/Lkr. Roth. Überhaupt scheint der Tanz in Franken weit verbreitet. Steffi Zachmeier hat bei ihren Recherchen rund 15 weitere Ortsangaben vor allem mit Notenbelegen gefunden, die überwiegend in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg datieren und einen Verbreitungsschwerpunkt in Mittelfranken bestätigen.
Aus dem Nordschwäbischen gibt es zudem einen Beleg einer völlig eigenständigen Rheinländervariante aus Stoffenried/Lkr. Günzburg, die auf die Melodie des Schwarzwaldmädels getanzt wurde. Sie hat bislang keine Vergleiche und kann als regionale Eigenheit angesehen werden3.

Schwarzwald-Mädel! aus einer Musikantenhandschrift des Regener Musimoasters Anton Fuchs (1895–1970) aus dem Jahre 1931.

Weitere Tanzaufzeichnungen hat Wolfgang A. Mayer zu Beginn der 1980er Jahre in Rohrstetten und Auerbach/Lkr. Deggendorf gemacht, die bis dato die einzigen Belege in Niederbayern sind. Wie Roland Pongratz mitteilt, sind die Noten des Schwarzwaldmädel in diversen Musikantenhandschriften aus dem Lkr. Regen aus den 1930/50er-Jahre zwischen Zwiefachen und Figurentänzen enthalten, was auf eine weite Verbreitung des Tanzes hinweist. Hinzu kommt noch ein einzelner Nachweis aus Aichach/Lkr. Aichach-Friedberg von 1974 (bis zur Gebietsreform 1972 Oberbayern).

Ein regionaler Bezug zum Schwarzwald lässt sich indes nicht feststellen. Die Tanzform scheint, das württembergische Ries ausgenommen, bei unseren schwäbischen Nachbarn nicht geläufig gewesen zu sein.

 

Auf dem Tanzboden

Letztlich aber ist es egal, wie und wo das Schwarzwaldmädel getanzt wurde und auch heute wieder Verbreitung findet – Hauptsache die Musikanten und Tänzer haben Freude an dieser überaus eingängigen, reizvollen und swingenden Melodie. Das entschleunigte Spielen und die Gemütlichkeit der Tanzschritte schaffen ein genussvolles Tanzerlebnis, dem auch ich seit rund 15 Jahren erlegen bin, als ich den Tanz das erste Mal von Katharina Mayer gelernt habe. Seitdem begleitet mich dieser tänzerische Schatz auf den Tanzböden und zaubert nicht nur mir, sondern allen Tänzern jedes Mal aufs Neue ein zufriedenes und vergnügtes Lächeln ins Gesicht.

Das Schwarzwaldmädel ist anbei in der bekanntesten Rheinländer-Form wiedergegeben. Der mir dazu bekannte Liedtext wurde vermutlich im Laufe der Zeit zurechtgesungen. Die Melodie ist im Notenteil dieser Ausgabe abgedruckt. Das Schwarzwaldmädel lässt sich zudem auch wunderbar ohne Tanzpartner tanzen. Eine Variante als Line-Dance ist ebenfalls abgedruckt.

 

Anmerkungen:

  • Karl Horak 1980: Meine Feldforschungen zum bayerischen Volkstanz. In: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege (Hrsg.): Grundsätzliche Probleme, gegenwärtige Situation, vordringliche Aufgaben: Vorträge und Ergebnisse des Seminars in Herrsching am Ammersee, 4.–10. September 1978.
  • Wolfgang A. Mayer 1979: Überlieferung, Veränderung, Neubildung: Probleme der Volksmusik am Beispiel Mittelfranken: Vorträge und Ergebnisse des Seminars in Pappenheim, 3.–9. September 1979.
  • Gibele Gäbele – Tänze aus bayerisch Schwaben und dem schwäbisch-alemannischen Alpenraum, Altusried 1989, Nr. 9c, 14.

Wenn Sie weitere Hinweise oder bislang unbekannte Informationen zum Schwarzwaldmädel haben, freue ich mich über Ihre Nachrichten! Kontakt magnus.kaindl@muenchen.de

Tanzbeschreibung Schwarzwaldmädel

Paartanz-Choreographie

Ausgangsstellung

Beliebig viele Tanzpaare auf der Tanzfläche im Kreis.

Die Paarbildung kann selbstverständlich ohne Bindung an Geschlechterrollen erfolgen. In der vorliegenden Tanzbeschreibung wird jedoch auf die Bezeichnungen Tänzer und Tänzerin zurückgegriffen, um die Tanzschritte und Figurenabfolgen besser erklären zu können.

Rheinländerfassung: das Tanzpaar steht in Tanzrichtung blickend hintereinander; der Tänzer steht dabei seitlich nach links versetzt hinter der Tänzerin; beide heben ihre Hände etwa auf Schulterhöhe nach oben; er fasst mit seiner rechten Hand über der rechten Schulter der Tänzerin ihre rechte Hand und mit seiner linken Hand über ihre linke Schulter ihre linke Hand.

 

Schrittfolge

Wechselschritte nach links und rechts und vorwärts gehen

Takt 1:                 Das Tanzpaar macht mit dem Innenfuß (beide links) beginnend einen Wechselschritt in Tanzrichtung nach schräg links vorwärts.

Takt 2:                 Beide machen mit dem Außenfuß (beide rechts) beginnend einen Wechselschritt in Tanzrichtung nach schräg rechts vorwärts.

Takt 3-4:             Beide machen mit dem Innenfuß beginnend vier Gehschritte vorwärts. Der Tänzer kann dabei entweder seitlich nach links versetzt neben der Tänzerin hergehen oder er stellt sich direkt hinter die Tänzerin und führt diese vor sich her.

Tupfschritte und Tänzerin drehen

Takt 5:                 Die Tänzerin dreht sich nach halblinks und schaut den Tänzer über ihre linke Schulter an. Beide tupfen dazu mit der linken Fußspitze nach schräg links vorwärts.

Takt 6:                 Die Tänzerin dreht sich nach halbrechts und schaut den Tänzer über ihre rechte Schulter an. Beide tupfen dazu mit der rechten Fußspitze nach schräg rechts vorwärts.

Takt 7-8:             Beide heben die gefassten rechten Hände über Kopfhöhe und lösen zeitgleich die linke Handfassung auf. Die Tänzerin dreht sich mit dem Innenfuß beginnend in vier Schritten einmal oder zweimal vor dem Tänzer links herum (gegen Uhrzeigersinn). Dazu macht der Tänzer mit dem linken Fuß beginnend vier kleine Schritte am Platz. Am Ende von Takt 8 werden die Hände wieder in Rheinländerfassung gefasst und der Tanz beginnt von vorne.

 

Liedtext

  1. Mädel aus dem Schwarzen Walde sind nicht leicht zu haben.
    Nur ein Schwabe hat die Gabe sich daran zu laben.
    Mädel aus dem Schwarzen Walde sind nicht leicht zu haben.
    Nur ein Schwabe hat die Gabe, stiehlt ins Herz sich ein!
  2. Mädel aus dem Schwarzen Walde sind nicht leicht zu haben.
    Nur ein Schwabe hat die Gabe sich daran zu laben.
    Mädel aus dem Schwarzen Wald sind süße kleine Schätzle!
    Schmeichelkätzle gib a Schmätzle, sei doch nicht so kalt!

 

Tanzbeschreibung Schwarzwaldmädel

Linedance-Choreographie

Ausgangsstellung

Beliebig viele Tänzerinnen und Tänzer auf der Tanzfläche in Reihen vor-, hinter- und nebeneinander mit ausreichend Platz zu den Tanznachbarn in der eigenen Reihe sowie zur vorderen und hinteren Reihe. Alle blicken in die gleiche Richtung.

 

Schrittfolge

Wechselschritte nach links und rechts sowie vier Schritte im Viereck gehen.

Zählzeit 1-2 (Takt 1):     Mit dem linken Fuß einen Seitschritt nach links, den rechten Fuß beistellen und mit dem linken Fuß noch einmal einen Seitschritt nach links (Wechselschritt).

Zählzeit 3-4 (Takt 2):     Mit dem rechten Fuß einen Seitschritt nach rechts, den linken Fuß beistellen und mit dem rechten Fuß noch einmal einen Seitschritt nach rechts (Wechselschritt).

Zählzeit 5-6 (Takt 3):     Mit dem linken Fuß über den rechten Fuß kreuzen und mit dem rechten Fuß einen Schritt rückwärts.

Zählzeit 7-8 (Takt 4):     Mit dem linken Fuß einen Seitschritt nach links und den rechten Fuß neben den linken Fuß beistellen.

Tupfschritte nach links und rechts und Drehung links herum.

Zählzeit 1-2 (Takt 5):     Mit der linken Fußspitze nach schräg links vorwärts tupfen und wieder beistellen.

Zählzeit 3-4 (Takt 6):     Mit der rechten Fußspitze nach schräg rechts vorwärts tupfen und wieder beistellen.

Zählzeit 5-8 (Takt 7-8): Mit dem linken Fuß beginnend in vier Schritten einmal links herum (gegen Uhrzeigersinn) drehen.

[Variante: Mit dem linken Fuß beginnend in vier Schritten eineinviertel mal links herum (gegen Uhrzeigersinn) drehen.]

Es geht mit neuer Blickrichtung (Vierteldrehung nach links zur Ausgangsstellung) von vorne los.

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