Mit einer außergewöhnlichen Hommage an die 1930er-Jahre lädt das Brechtfestival Augsburg im Februar 2025 Tanzbegeisterte und Wagemutige aus aller Welt in die Geburtsstadt von Bertolt Brecht zum Tanzmarathon Die 48 Stunden von Augsburg. Vom 28. Februar bis 2. März wird zwei Tage lang getanzt. Wer am längsten durchhält und dabei die beste Figur macht, gewinnt.
Text: Tina Bühner Fotos: Fabian Schreyer, Felicitas Rachuth, Christine Walter
Beim Tanzmarathon geht es nicht nur um pure Ausdauer, sondern auch um die kulturelle Vielfalt der Stadt. Über die Grenzen von Traditionen, Generationen und Genres hinweg wird Tanzkultur in ihrer ganzen Breite und Tiefe gefeiert. Tanzende und Publikum kommen in den Genuss von Schrittfolgen, Rhythmen und Traditionen aus aller Welt, bewegen sich tanzend durch die Augsburger Migrationsgeschichte und schreiben gemeinsam Geschichte – ganz im Sinne der Devise: Wer da ist, gehört zur Heimat.
Die Vielfalt der Brechtstadt
Augsburger Tanzgruppen und -vereine gestalten Etappen mit ihrer jeweiligen Musik. Auf der Tanzfläche wechseln sich alevitische, kroatische, bayerische und assyrische Schrittfolgen ab, vor griechischen erklingen jüdische Melodien, Tradition trifft auf Moderne, Vintage auf Gegenwart. Nebenbei entsteht somit ein Porträt der Vielfalt der Brechtstadt.
Im Schlagabtausch der Generationen verändert sich der tonangebende Rhythmus: Von der Kinderdisko über den Rave bis zum Walzer wird zu afrikanischer, asiatischer, amerikanischer und europäischer Musik getanzt. In abendlichen Shows lassen die Conférenciers – der Performer und Sänger Damian Rebgetz und das Puppentheater Das Helmi – das aktuelle Tagesgeschehen Revue passieren; mit dabei: die Hochzeitskapelle. Jede und Jeder kann zuschauen und nach Lust und Laune mittanzen.
8 Volkstänze, 48 Stunden und 5.000 Euro Preisgeld
Wer am Wettbewerb teilnehmen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Beim Langstreckenwettbewerb ist man 48 Stunden lang (abzüglich medizinisch festgelegter Ruhephasen) auf der Tanzfläche in Bewegung. Von den Tanzenden, welche die Zeit regelkonform absolvieren, gewinnt diejenige Person mit der höchsten Gesamtpunktzahl in der B-Note das Preisgeld von 5.000 Euro. Die Kurzstreckenwettbewerbe stehen (auch) Kurzentschlossenen offen. Hier werden acht Augsburger Volkstänze, die von den Teilnehmenden im Langstreckenwettbewerb nur kurz in den Shows vorgetanzt werden müssen, von allen Anwesenden getanzt.
Auf den acht Kurzstrecken gibt es kleine Sachpreise zu erringen, die nach Stilnoten einer Fachjury vergeben werden. Für diese acht Augsburger Volkstänze stehen auf der Webseite brechtfestival.de Lernvideos bereit, die vom Brechtfestival in Kooperation mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. erstellt wurden.
Mit dabei sind die Tänze: Teke mit der Tanzgruppe der Alevitischen Gemeinde Lechhausen, Bagiye mit dem Assyrischen Mesopotamienverein Augsburg, Zavrslama mit der Folkloregruppe der kroatischen Mission, griechischerSirtos mit der Tanzgruppe des Griechisch Makedonischen Vereins Augsburg e.V., Amapiano mit der Augsburger Tanzgruppe Afro-Amapiano Dance Augsburg, vietnamesischer Stabtanz mit der Tanzgruppe des Vietnamesisch-Deutschen Vereins in Schwaben, Shir mit der Tanzgruppe Jad be Jad der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg, ein bayerischerRheinländer mit der Beratungsstelle für Volksmusik des Bezirks Schwaben und türkischer Şemamme mit Yasemin Bozoğlu.
Die Videos dienen nicht nur zum Erlernen der Schritte und Bewegungen, sondern auch, um fit zu werden. Denn Kondition wird nötig sein – vor allem für die Langstrecke! Wer nicht davor zurückschreckt, die kompletten 48 Stunden unter Wettbewerbsbedingungen durchzutanzen, sollte sich rechtzeitig um einen Langstreckenpass kümmern und mit dem Training beginnen. Denn nur wer nachweislich fit genug ist, wird zur Langstrecke zugelassen.
Im Brecht’schen Kraftklub: Ein Tanzpalast der besonderen Art
Die 48-stündige Tanzreise findet an einem Veranstaltungsort statt, der die Idee des Festivals ideal ergänzt: Brechts Kraftklub, ein ungenutztes Möbelhaus, das 2024 zur Festivalzentrale umgebaut wurde und jetzt als Schmelztiegel der Tanzkulturen dient. Hier wird getanzt, gefeiert und die urbane und historische Identität Augsburgs erlebbar gemacht.
Ein Brecht’sches Gesamtkunstwerk
Das Brechtfestival vom 21. Februar bis 2. März ist das letzte unter der künstlerischen Regie von Julian Warner. Mit seinem innovativen Ansatz hat er es geschafft, Brecht in der Stadt zu einem Thema zu machen, über das unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen miteinander in Austausch kommen – von der Alevitischen Gemeinde über den Boxclub bis hin zum Jugendzentrum. Nach Bert’s Birthday Bash in Augsburg-Lechhausen (2023) und Brechts Kraftklub vor den Toren von Augsburg-Oberhausen (2024), folgt im Februar 2025 nun also das große Finale mit dem Tanzmarathon Die 48 Stunden von Augsburg. Festivalleiter Julian Warner spricht hier von einem »Brecht’schen Gesamtkunstwerk«, das die Widersprüche unserer Zeit zum Tanzen bringt – und dabei freudvoll über Grenzen hinwegtanzen möge.
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