»… as Wasser verdampft und über bleibt as Salz!«

Volksmusikalische Aspekte zum grenzüberschreitenden Abbau und Handel mit Salz

23. Januar 2025

Lesezeit: 7 Minute(n)

Text und Lieder: Ernst Schusser und Eva Bruckner

In den Jahren 2023 und 2024 standen die Kulturtage im Landkreis Traunstein unter dem Titel SALZ REICH. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Vorträgen wurden die ganz verschiedenen historischen und gegenwärtigen Aspekte rund um das Salz in der Region zwischen Salzburg und Rosenheim thematisiert. Grundlage der Betrachtungen waren natürlich die immensen unterirdischen Salzbestände, die den Salzabbau und Salzhandel zu einem einträglichen Monopol-Geschäft für die jeweiligen Obrigkeiten werden ließen. Zudem bestand seit dem frühen 19. Jahrhundert eine leistungsfähige Zusammenarbeit zwischen den vier Standorten und Salinen in Berchtesgaden, Reichenhall, Traunstein und Rosenheim, was sich auch in der Bevölkerung und der Kultur bemerkbar machte, ebenso in der Zulieferer-Wirtschaft, wie z. B. bei den Fuhrleuten oder den Holzarbeitern in Ruhpolding, die die Traunsteiner Saline mit Brennholz versorgten.

Der Salzmeier schafft: »Hoazts de Sudpfannen o,
der Herzog braucht’s Salz, dass er Geld kriagt davo!«
In d’ Pfannen fliaßt d’ Sole – des is scho was Alt’s –
as Wasser verdampft und über bleibt as Salz!

Auch wir haben bei diesen Kulturtagen mitgemacht und unter freiem Himmel, z. B. bei einem sommerlichen Abend zwischen den spannenden Geschichten und Märchen von Erzählerinnen, die Besucher zum Mitsingen von Liedern über das Salz eingeladen. Zum anderen haben wir wie die alten Bänkelsänger auf Straßen und Plätzen in Städten und Dörfern der Salzregion als Moritatensänger vom Förderverein Volksmusik Oberbayern mit unserer großen Bildertafel und kleinen Liederheften und Blättern die Passanten zum Verweilen und Mitmachen animiert. In Bad Reichenhall, Traunstein, Berchtesgaden und Rosenheim haben wir neben den für die Straßensänger typischen alten Balladen, schaurigen Moritaten und spannenden Erzählliedern über bayerische Helden wie den Jennerwein oder den Kneißl auch Gesänge über das Salz, die Bergleute und Holzknechte, die Saliner und den Transport des weißen Goldes auf den Salzstraßen gesungen:

Das Salz is für Traunstoa a goldene War’,
vo der lebn de Leut scho a paar hundert Jahr!
As Salzwasser rinnt vo Reich’nhall zu uns her,
durch Deicheln und Pumpn übern Bergwald daher.

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Der Salzquell fließet stark und reich

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Besonderen Lokalkolorit entwickelte dabei das Traunsteiner Salzlied von Bertl Witter (1924–2004), der selbst im Härthaus der Saline Traunstein geboren und aufgewachsen ist. Das aus der bayerwaldler Überlieferung (Aufzeichnung von Ludwig Simbeck in den 1930er-Jahren bei Maria Späth aus Neukirchen Hl. Blut) stammende Lied von den Salzpaschern hat die Passanten mit drastischen mundartlichen Lebensbeschreibungen in das Schmugglerwesen zwischen Bayern und Böhmen eingeführt, wo das Salz eine wesentliche Rolle spielte. Eva Bruckner hat zudem nach alten Text- und Melodievorlagen ein balladenhaftes Lied mit 26 Strophen von der Salzprinzessin völlig neugestaltet. (Das Liederblatt ist erhältlich bei: Förderverein Volksmusik Oberbayern, +49 8062 8078307, ernst.schusser@­heimat­pfleger­.ober­bayern). Es war eine große Freude für uns, wenn die Passanten stehenblieben, sich verwundert über die unvermuteten Straßensänger austauschten, mit dem Handy Freunde am gemeinsamen Gesang teilhaben ließen – oder gar Bekannte anriefen, dass sie auch kommen sollten!

Mir san ma de Schwärzer vom Landl,
da hint af der böhmischen Grenz.
Mir schwirz ma a Salz und an Zucker
und schwanz ma d’ Finanzer a weng.

Bis in die Gegenwart ist auch der grenzüberschreitende wirtschaftliche Charakter des Salzes festzustellen, der auch kulturelle Auswirkungen hat. Hier soll nicht mit harten Zahlen und Fakten Selbstverständliches untermauert werden. Ich möchte nur auf unser Referat im September 2024 bei der internationalen Arbeitstagung Musikalische Regionalgeschichte im Diskurs hinweisen, zu dem Prof. Dr. Thomas Hochradner vom Arbeitsschwerpunkt Salzburger Musikgeschichte (Universität Mozarteum) eingeladen hatte. Eva Bruckner und ich berichteten über vereinende und trennende Aspekte in der Volksmusik in Geschichte und Gegenwart – drent und herent von der Grenze zwischen Bayern und Salzburg.

Da Jaga und da Grenza
san kreuzbrave Leit,
aba do werdn sie allzwoa
koan Waldbuam net z’ gscheit.

Neben Liedern über Schmuggler an der bayerisch-salzburgischen Grenze und der Geschichte der Wieder-Einwanderung der alten, um 1860 in ganz Deutschland modernen Bayerisch-Polka im Zuge der Volkstanzpflege von Salzburg nach Oberbayern als neuer Boarischer, spielte auch das bayerische Forstamt im salzburgischen Unken eine nicht geringe Rolle. Da die Salzburger Bergleute unter den Berchtesgadener Bergen das bayerische Salz herausholen, wurde (vereinfacht) in einem Vertrag festgelegt, dass die Bayern im Forstamt Unken salzburger Holz verwerten dürfen. Als dann 1953 der volksmusik- und volkstanzbegeisterte Georg von Kaufmann (1907–1972) Forstmeister in Unken wurde, war das Forsthaus alsbald Treffpunkt der Volksmusikanten aus Salzburg und Bayern. Auch die Musikanten der alten Gföller Musi arbeiteten für das Forstamt und der Kaufmann Schorsch verewigte ihren Halbe-Fünfe-Marsch in seinem Roten Notenbüchl (1953) als Gföller Marsch. Heute gehört er bei vielen Musikgruppen zum Standard-Repertoire.

Und im Forsthaus Unken wurden die (volksmusikalischen) Gäste von Marianne von Kaufmann vortrefflich versorgt. In der Nachkriegszeit war gutes und reichliches Essen ein großes Plus! Georg Sojer (1925–2015), Holzknecht, Musikant und Volksliedsänger aus Ruhpolding, erzählte die Geschichte, dass in Würdigung der hervorragenden Küche ganz spontan von den Musikanten auf eine alte Schottisch-Melodie gedichtet wurde:

Ja was gibts denn heit auf d’ Nacht? –
Heit gibts a Rehragout …

Auch dieser Kurztext übers Rehragout aus salzburgisch-bayerischer Musikantenfreundschaft ist bis heute im musikalischen Gedächtnis geblieben.

Backe, backe Kuchen,
der Bäcker hat gerufen.
Wer will guten Kuchen backen,
der muss haben sieben Sachen:
Eier und Schmalz,
Butter und Salz,
Milch und Mehl,
Safran macht den Kuchen gehl.
Schieb, schieb in Ofen nein!

Kommen wir zurück zu den Salzliedern! Im Jahr 1995 gab es vom Haus der Bayerischen Geschichte von Mai bis Oktober in Rosenheim, Traunstein und Bad Reichenhall die Landesausstellung Salz macht Geschichte, in die auch Orte wie Berchtesgaden, Seebruck und Grassau eingebunden waren. Von den Organisatoren und den Volksliedgruppen, die bei Ausstellungsveranstaltungen singen sollten, wurde im damaligen Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern nach Liedern über das Salz nachgefragt. Aus unseren vielfältigen Sammel- und Arbeitsergebnissen entstand das Heft Das Salz ein jeder nötig hat (48 Seiten, über 30 Lieder) mit einer umfangreichen Einführung über das Salz in überlieferten Sprüchen, Reimen, Liedern und Musik. Zugleich haben wir mit Unterstützung vieler Gesangsgruppen und Musikanten in Zusammenarbeit mit Werner Brandlhuber (1946–2020) eine Tonkassette mit dem Titel A Handvoll Salz aufgenommen (seit 2010 als CD). Liederheft und CD sind hier erhältlich: Volksmusikpfleger des Bezirks Oberbayern, leonhard­.meixner@­bezirk-ober­bayern.de, +49 8062 5164.

Der Bürger, Bauer und Soldat
Das Saltz ein jeder nöthig hat
Wie schmöckt die Speis Fleisch oder Fisch
Wan ist darzu kein Saltz am Tisch?

Bei unserer umfangreichen Sammel- und kreativen Gestaltungsarbeit zur inhaltlichen Zusammenstellung des Liederheftes haben wir natürlich die einengenden Grenzen der damaligen echten Volksmusikpflege überschritten. Im Vorwort vom ehemaligen Bezirkstagspräsidenten Hermann Schuster (1937–2021) ist zu lesen:

»Der aktuellen Nachfrage nach ›Salzliedern‹ versucht der Bezirk Oberbayern mit der Zusammenstellung eines kleinen Liederheftes in der Reihe ›Dokumente regionaler Musikkultur‹ gerecht zu werden. Die Ausbeute in den Beständen des Volksmusikarchivs war fürs erste überraschend: Salz kam in Hirten- und Krippenliedern vor, in Koch- und Küchenliedern, in Kindersprüchen und Reimen, aber auch in manchen geistlichen Liedern. Dazu gab es auch einige neuentstandene Lieder über das Salz. Im ›Deutschen Volksliedarchiv‹ in Freiburg fanden sich passende Fuhrmanns- und Bergmannslieder, romantische Lieder u. v. a., das vom Stellenwert des Salzes im Leben der Menschen berichtete.

Die Pressestelle des Bezirks Oberbayern startete zusätzlich eine Umfrage in den Tageszeitungen: Die Leser sollten ihre eigene Erinnerung durchforsten nach Salzsprüchen und Liedern und uns diese mitteilen. Das Ergebnis übertraf die Erwartungen, die man in eine solche Aktion setzt. Durch weiteres persönliches Nachfragen, Feldforschung und Kontaktsuche anhand der bisher gewonnenen Erkenntnisse konnten die Mitarbeiter des Volksmusikarchivs weitere Lieder und Musikstücke erhalten. Sehr gute Ergebnisse brachte auch die Anregung an begabte Sänger, Lieder selbst neu zu gestalten. Die Fülle an Material machte die Auswahl für das Liederheft nicht gerade einfach.«

Hiatz hab i zwoa Rössei,
an schwargladna Wagn.
A Salz fahr i aussi
und ’s Troad fahr i hoam.
Hiatz hab’n halt mir Salzfuhrleut
bald nix mehr z’ toa.
Sie baun ja a Bahn mit
an Gleis aufn Roan.

Ziahgts o, meine Rössl

Noten-PDF

Ja, einfach haben wir uns die Arbeit im Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern damals nicht gemacht. Immer versuchten wir ein Arbeitsziel von verschiedenen Seiten aus zu beleuchten: Gegenwärtige und historische Belege; Beispiele aus der wertenden sog. echten Volksmusik und aus der breiten freiheitlich-vielfältigen musikalischen Volkskultur; Überliefertes und auf der Basis der Überlieferung Neugeschaffenes; Bühnen- und Medientaugliches und Lieder zum natürlichen Selbersingen; Gesänge für Chöre und drei- und zweistimmige Volksgesangsgruppen; Vorhandenes und neue Vorschläge für Kinder und alle Altersstufen usw. usw. – Und immer war es zum Gelingen einer zur Auswahl stehenden demokratisch angelegten und verstandenen volkskulturellen Vielfalt lebensnotwendig, allzu eng gesetzte Grenzen sorgsam und verantwortlich zu erkennen und zu überschreiten und das Aufgezeigte auch praktisch vor- und mitzuleben. So wie es unsere Vorfahren in der persönlichen Gestaltung ihrer Lieder, Musik, Tänze und Bräuche ganz selbstverständlich getan hatten. Damaliges für heute …

Bei Fragen zu den zitierten Liedtexten, steht Ihnen Ernst Schusser gerne zur Verfügung:
+49 8062 8078307, ernst.schusser@heimatpfleger.oberbayern

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