Ist es Heimatsound? Neue Volksmusik? Pop? Jazz? So ganz lässt sich die Musik des Widersachersaller Liedermacher nicht einordnen. Wie viel Biographisches steckt in seinen Liedern und Melodien und welche Rolle spielen die Blaskapelle und die Kindheit an der Grenze zu Tschechien? Florian Schwemin hat für die »zwiefach« mit Matthias Matze Wolf, einemGrenzgänger zwischen den Genres gesprochen.
Text: Florian Schwemin
Servus Matze, ich glaube, zunächst müssen wir aus Transparenzgründen festhalten, dass wir zusammen mit einem Musikprojekt in regelmäßiger Unregelmäßigkeit vor allem in Schulen gemeinsam Musik machen. Mit De Iwe Affes bringen wir unter anderem mit Sebastian Gröller Kindern den Spaß an der Volksmusik näher. Mit vielen Instrumenten, neuen Interpretationen und einer guten Portion Humor. Davon allein kann natürlich kein Mensch leben. Du hast Deine Leidenschaft zum Beruf gemacht und bist als (oder mit?) Widersacher aller Liedermacher unterwegs. Fangen wir mit dem Namen an, wie kam es dazu? Und was hast Du gegen Liedermacher?
Gegen die hab ich eigentlich überhaupt nix. Der Name entstand aus einem wortspiellastigen Kabarettprogramm vor mittlerweile acht Jahren. Irgendwann hab ich musikalisch was ganz anderes gemacht. Zwecks einer pragmatischen Faulheit blieb der Name aber. Mittlerweile bedeutet der für mich aber fast sowas wie eine Erlaubnis zum Abstrusen, Andersartigen, zum künstlerischen Grenzgang.
Wie würdest Du Eure Musik beschreiben?
Ich tu mich schwer ein Genre zu spezifizieren, aber vor allem ist unsere Musik »ganz füll Gfüll«. Wir schauen immer darauf, dass wir mit den Ohren und den Herzen bei der Musik sind und wenn beim Spielen irgendein zufälliger Impuls kommt, dann versuchen wir da als Band mitzusurfen. Da sind wir irgendwie frei. In der Musik ist immer ein uns eigener Sound und Flow.
»Musik ist manchmal wie Davonfliegen.«
Dein nordoberpfälzer Dialekt macht für mich einen ganz zentralen Teil Eurer Musik aus. Ist das manchmal Thema wenn Ihr gebucht werdet oder aufnehmt? Und ändert sich da mit dem Umzug nach München etwas?
Ich glaube den Leuten, die sich für unsere Musik interessieren, geht es nicht primär um den regionalen Dialekt. Zwar kommen in der Oberpfalz schon viele Leute zu unseren Konzerten, wir haben aber die letzten Jahre auch immer viel in Südbayern gespielt und wurden da ebenso wohlwollend belauscht, wie daheim.
Der Dialekt ist bei uns aber auch als musikalisches Klangelement im Gesamtsound zu verstehen. Das Nordoberpfälzische ist voller runder Vokale, aber auch kantiger, schneidender Sounds, da lässt sich unglaublich gut damit spielen. Aber selbst da, bei meiner eigenen Sprache, habe ich mir oft Wörter herumgebogen und zurechtgeschliffen, dass die Laute besser fließen.
Durch Umzüge und verschiedene Einflüsse kann ich derzeit nicht für eine Aufrechterhaltung meines lupenreinen nordoberpfälzer Dialektes garantieren. Ich entschuldige mich bei Andreas Schmeller persönlich dafür. Aber so ist Sprache hald eh: lebendig.
Nicht nur in Deiner Sprache, auch in Deinen Texten und auch musikalisch geht es um Wurzeln, um Heimat, um das Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit. Was ist für Dich ganz persönlich Heimat?
Neben der Sprache und dem Wald allen voran Kohlrabi, Do¯tsch und Schwammerbrey. Auch Zoigl spielt für mich eine große Rolle und die Ratscherei, die man mit den Leuten in der Zoiglstum vor Ort hat. Da kann ich mich unterhalten, ohne über irgendwas nachzudenken, weil ich das schöne Spiel der Phrasen mit einer unterbewussten Souveränität beherrsche. Da macht sich dann bereits nach dem ersten Zoigl eine derartige Tranquilität breit, die zwischen all dem Gemurmel einem angenehmen Wachkoma gleicht – als wäre man vom wohligen Blubbern der maternalen Fruchtblase umhüllt. Dieses Gefühl, diese Geborgenheit, diese Sorglosigkeit – das ist Heimat.
Du stammst von der böhmischen Grenz aus Bärnau. Grenzüberschreitende Kulturarbeit liegt in der Familie. Hat Dich das irgendwie geprägt?
Durchaus! Mit sieben Jahren habe ich das erste Mal im deutsch-tschechischen Theater mitgespielt, das mein Vater organisiert hatte. Da habe ich nicht nur gelernt, wie man auf der Bühne steht, sondern auch ein paar Brocken tschechisch und vor allem war ich da mit Menschen in Kontakt, die teilweise ebenso wenig deutsch wie ich tschechisch konnten. Das prägt einen schon und nimmt einem die Berührungsängste von den Fremden.
Nochmal zur Musik: Du zitierst in den Texten und in den Melodien immer wieder Volksmusik. Die Annamirl, der Hans, der daheim bleiben soll, auf dem neuen Album sogar ein selbstgestrickter Zwiefacher. Das Ganze aber eingebettet in groovende, teilweise jazzige Klänge. Da steht bestimmt eine ganze eigene musikalische Entwicklung dahinter. Wie können sich die Leser die vorstellen?
Das ging bei mir los mit Liedern von der Stonewood Stringband, Fredl Fesl, Reinhard Mey oder Angelo Branduardi. Ich hab in der zweiten Klasse eine Gitarre zu Weihnachten gekriegt. Von da an hat man mich eigentlich nur noch schrammelnd und krakelend vorgefunden.
Dann habe ich immer viel ausprobiert: Orgel in der Kirche, Saxophon in der Blasmusik und Big Band. Mit 14 hab ich in meiner ersten Band gespielt: Classic Rock und Punk war des, schon mit den ersten eigenen Liedern. Furchtbar schlecht versteht sich.
Später haben wir dann mit einem Ukulelen-Orchester, mit Coversongs und Comedy die Bühnen der Oberpfalz unsicher gemacht. Da habe ich vor allem gelernt, dass man auf der Bühne allen möglichen Schmarrn machen kann und die Leute halten es zumeist für unterhaltsam. Aber auch einen musikalischen Beachvibe zu verbreiten.
Später hab ich dann in Würzburg Musik studiert und da ist natürlich ganz vieles aufgebrochen: Von Bach bis Count Basie hab ich da alles aufgesogen, und in allen möglichen Combos mitgespielt. Auch der harte Job des Hochzeitsmusikers wurde von mir ausgeübt, von Dinner Jazz, bis zum Partyset hab ich mir die Finger wund gespielt. Irgendwann wollte ich dann einen eigenen Ausdruck finden, der ganz frei von irgendwelchen dienstleitungsbezogenen Zwängen ist. So ist dann der Widersacher-Kosmos entstanden.
Was ist Musik für Dich?
Als ich bei einem Familiengeburtstag einmal akkordeonspielend auf der Eckbank saß, da meinte mein Opa: »Wenn er da hinten so sitzt und spüllt, da is er einfach frei.« Und das stimmt: Musik ist manchmal wie Davonfliegen. Wenn ich mit der Band spiele, dann setze ich mich auf den Teppich und tanz da drauf herum, ganz frei, ungebunden und selbstvergessen.
Gibt es noch Grenzen, die Du – mit der Band oder solo – überschreiten oder zumindest austesten willst?
Ja immer. Die Band ist für mich sowas wie ein Forschungsfeld in dem man immer wieder neue Klangwelten erkunden kann. Ob es aber Synthesizer, Oszilloskope oder doch japanische Klangschalen und Xylophone sein werden, kann ich gerade noch nicht genau sagen. Aber wir bleiben auf der Suche nach einem neuen, andersartigen Klang.
Vielen Dank!
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