Text: Maria Karwinsky, Alfred Heindl, Peter Igl, Peter Riedner Fotos: Archiv VVV
Wastl Fanderl, bereits bekannt in Bayern und Österreich durch seine zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen, gründete am 5. Februar 1965 in München zusammen mit seiner Frau Lisl, Annette Thoma, Marianne von Kaufmann, Clara Huber – der Witwe von Prof. Kurt Huber – und Ulrich Philipp Graf zu Arco-Zinneberg den Verein für Volksmusik und Volkslied e.V. Organ des Vereins wurde die Sänger- und Musikantenzeitung (von Wastl Fanderl 1958 gegründet), in der die wichtigsten Informationen aus dem Vereinsleben standen.
Dem Verwaltungsrat, der sich 1966 etablierte, gehörten zahlreiche bekannte Persönlichkeiten Bayerns an: Herzog Albrecht von Bayern als Vorsitzender, Dr. Wilhelm Högner (Ministerpräsident a. D.), Dr. Alois Hundhammer (Stv. Ministerpräsident), Dr. Hans Dümmler (Bayerische Versicherungsbank-Allianz), Hans Dürrmeier (Generaldirektor Süddeutsche Zeitung), Dr. Alois Egger (Bayerischer Bauernverband), Gustl Feldmeier (Kaufhaus Ludwig Beck am Rathauseck), Siegfried Janzen (Direktor Siemens), Clara Huber, Karl Edelmann, Waldemar von Knöringen, Kurt Österreicher (Bayerischer Landwirtschaftsverlag), Dr. Josef Singer (Präsident des Bayerischen Senats), Dr. Adam Deinlein (Regierungspräsident von Oberbayern), Fürst von Donnersmarck, Generalvikar Matthias Defregger.
In der Vereinssatzung stand u. a.: »Zweck des Vereins ist die Pflege und Förderung von Volksgesang, Volksmusik und Volkstanz. Der Verein sieht also seine Hauptaufgabe auf dem Gebiet der Erziehung, Ausbildung und Jugendpflege. Insbesondere der Unterricht in jeder Art von volkstümlicher Musik durch geeignete Wanderlehrer und die Ausbildung der Jugend in den Familien, aber auch besonders in den Schulen und die Pflege von Volks- und Hausmusik und der Volksbildung stellen den Kern seiner Aufgaben dar.«
Die Satzung wurde im Lauf der letzten Jahrzehnte immer wieder angepasst und verändert. Die »Wanderlehrer für volkstümliche Musik« haben nicht überlebt. Unsere Ziele heute richten sich auf die Herausgabe und den Vertrieb von Publikationen, die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten, die Förderung von jungen Musikanten durch den Stammtisch im Hofbräuhaus, und vor allem den Erhalt von Volkslied, Volksmusik und Volkstanz als wichtigen Bestandteil unserer Kultur und Gesellschaft. Nachfolger von Wastl Fanderl bzw. Annette Thoma als Vorsitzende des Vereins war der Regierungspräsident von Oberbayern Raimund Eberle, der dieses Amt fast 25 Jahre lang innehatte.

Franz Mayrhofer und die Brüder Rehm bei der Jubiläumsveranstaltung 40 Jahre VVV, 2005.

Wastl Fanderl und Erich Mayer (v. r.), 1985

Die Ära Eberle (1971–1995)
Eine Idee bei der Vereinsgründung 1965 war es, für die bayerische Volksmusik eine zentrale Einrichtung ähnlich dem Österreichischen Volksliedwerk zu schaffen. Die Organisation eines bayerischen Seminars für Volksliedforschung war 1967 die erste große Aktion des neu gegründeten Vereins. Die Leitung lag bei Walter Deutsch, Referenten waren u. a. Georg von Kaufmann, Tobi Reiser, Sepp Eibl, Karl Horak, Karl-Heinz Schickhaus. Der Abschlussabend des viertägigen Seminars wurde im BR übertragen.
In den folgenden Jahren kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Vorstandschaft, vor allem wegen der allzu hoch gesteckten Ziele des
Vorsitzenden Dr. Berthold über die inhaltliche Ausrichtung des Vereins. Ab Juli 1969 begann man unter der Federführung von Ministerialrat Raimund Eberle von der Bayerischen Staatskanzlei mit der Neukonstitution des Vereins. Es wurde eine neue, vereinfachte Satzung ausgearbeitet. Im Juli 1971 wurde der Vorstand neu gewählt. Raimund Eberle (1929–2007), der spätere Regierungspräsident von Oberbayern, wurde Vorsitzender und es kam wieder Ruhe in den Verein. Als weitere Vorstandsmitglieder waren Georg Thomas, Julius Martius, Heinrich Stamm, Claus Winkler und Clara Huber tätig.
Wastl Fanderl und Annette Thoma waren von da an nur mehr als Fachbeiräte dabei und konnten, entlastet von Vereinsaufgaben, ihre Erfahrungen in vielfältiger Weise ins Vereinsleben einbringen. Später wurden Erich Mayer, Karl-Heinz Schickhaus und Friedl Schön als Fachbeiräte hinzuberufen.
In der Zeit von Raimund Eberle als Vorsitzendem verstand sich der Verein vor allem als Förderverein. Schwerpunkt der Aktivitäten war ab 1973 das Volksmusikseminar für Lehrer auf dem Petersberg bei Dachau, das in den Pfingstferien abgehalten wurde. Für die Verteilung von über 220.000 Liedblättern an Schulen und Kindergärten vorwiegend in Oberbayern übernahm der VVV die Druck- und Versandkosten. Zur jährlichen Mitgliederversammlung organisierte man jeweils einen anschließenden Hoagarten. 1967 begann man mit den jährlichen Ausflügen und Studienfahrten, die sich großer Beliebtheit erfreuten.
Der Vorstand konnte über viele Jahre in einer stabilen Zusammensetzung arbeiten. Es gab wenig personelle Veränderungen. Im Lauf der Zeit kamen Alex Reichlmaier für Georg Thomas, Friedl Schön für Heinrich Stamm und Johann Ettl für Julius Martius hinzu. 1989 bestand der Vorstand schließlich aus Raimund Eberle, Claus Winkler, Johann Ettl, Clara Huber, Franz Mayrhofer und Florian Reichlmaier.
Franz Mayrhofer als Vorsitzender (1995–2009)
Der studierte Geiger Franz Mayrhofer, langjähriger Leiter der Münchner Schule für bayerische Musik (später Wastl-Fanderl-Schule) in München-Bogenhausen, kam in den 1980er-Jahren zum VVV. 1994 machte der damalige Vorsitzende Raimund Eberle den Vorschlag, den Verein aufzulösen. Die wesentlichen Aufgaben seien erledigt. Mayrhofer meinte jedoch, dass das doch sehr schade wäre, und kümmerte sich um eine neue Vorstandschaft.
1995 übernahm dann bei der Mitgliederversammlung im Münchner Kolpinghaus eine neue Mannschaft die Verantwortung: Franz Mayrhofer (Vorsitzender), Hans Ettl, Claudia Harlacher, Angelika Kapfer, Florian Reichlmaier und Dr. Frank Schubert. Kapfer, Harlacher und Reichlmaier schieden nach einigen Jahren wieder aus. Dafür rückten Jutta Hörger, Dr. Peter Igl und Carmen E. Kühnl nach.
Höhepunkte des damaligen Vereinslebens waren die jährlichen Studienfahrten. Sie führten jeweils an Wochenenden z. B. in die Steiermark, ins Burgenland, in die Wachau, nach Krumau, ins Mühlviertel, nach Graubünden und in den Bregenzer Wald. 1997 fuhr man sogar für eine ganze Woche in die Zips, ein Gebiet im Nordosten der Slowakei, das früher von zahlreichen deutschen Siedlern bewohnt war, und machte sich auf kulturelle Spurensuche.
Da die beliebten Liedblätter des Vereinsgründers Wastl Fanderl allmählich zur Neige gingen, kam die Idee auf, sie in Buchform zu veröffentlichen. So brachte der Verein 2002 in einer ersten Auflage einen Reprint der Flugblattsammlung heraus. Zum 40-jährigen Vereinsjubiläum wagte sich der VVV 2005 an einen Nachdruck des Steyerischen Rasplwerks von Konrad Mautner. Dafür stellte Heinz Neumeier aus Dachau sein kostbares Original als Druckvorlage zur Verfügung.
Viele Sänger und Musikanten, die VVV-Mitglieder waren, beklagten sich immer wieder über die Behandlung der Volksmusik durch die GEMA. Unser Vorstandsmitglied Dr. Frank Schubert regte deshalb Gespräche mit der GEMA an, die das Ziel hatten, Vorschläge für eine Verbesserung der Zusammenarbeit zu entwickeln. Leider führten die Beratungen aber nicht zum gewünschten Ergebnis.
Ende der 1990er-Jahre entstand die Idee, einen jährlichen Singtag in den Bergen durchzuführen. Die Stadlbergalm bei Miesbach bekam den Zuschlag. Fast 20 Jahre wurde die Veranstaltung dort abgehalten. Inzwischen findet der Singtag auf der Schwaigeralm oberhalb von Fischbachau statt, und zwar immer am zweiten Samstag im Oktober. Ebenso gab es Überlegungen, einen regelmäßigen Hoagarten in einer Münchner Gaststätte anzubieten. Umgesetzt wurden diese Planungen aber erst 2014.
Die Zeit von Carmen E. Kühnl (2010–2023)
Carmen E. Kühnl wurde 2010 zur Vorsitzenden gewählt. Diese Aufgabe erfüllte sie bis zu ihrem Tod im Februar 2023 sehr engagiert und mit vielen Ideen. Der Aufbau von Netzwerken und vielfältigen Kontakten nahm einen hohen Stellenwert ein. Carmen E. Kühnl war in verschiedenen Gremien tätig und sorgte für eine effektive Außenwirkung durch Plakate, Handzettel, Faltblätter, Stellwände und dergleichen. Die Präsenz des VVV war ihr immer ein wichtiges Anliegen. Sie war Mitglied im Redaktionsteam der Zeitschrift »zwiefach« und verfasste z. B. Artikel über Blasmusik im Fußballstadion, die Unterbiberger Hofmusik oder Clara Huber, die Mitbegründerin des VVV.
Auch im Bayerischen Rundfunk war sie werbewirksam unterwegs. Ein besonderes Anliegen war für sie die Teilnahme des VVV an Veranstaltungen wie z. B. dem drumherum in Regen. Dort organisierte sie Auftritte von Musikgruppen und Singstunden etwa mit Traudi Siferlinger und Kathi Gruber. Ein weiteres Anliegen war der Alpenländische Volksmusikwettbewerb in Innsbruck. Der VVV war dort Mitveranstalter und regelmäßig mit einem Stand vertreten. Auch am Mittendrin in Eichstätt nahm der VVV teil und beteiligte sich mit Sing- und Tanzstunden.
Wichtig waren ihr zudem z. B. die jährlichen Studienfahrten unter Leitung von Heine Angerer, bei denen die Volksmusik der besuchten Regionen eine wichtige Rolle spielte. Der VVV setzte sich mit anderen Gleichgesinnten auch vehement für die Beibehaltung der Volksmusik im UKW-Programm des Bayerischen Rundfunks ein. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Petition an den Bayerischen Landtag eingereicht. Sie hatte aber leider keinen Erfolg.
Ein Höhepunkt dieser Jahre war die Feier eines Doppeljubiläums: 50 Jahre VVV – 100 Jahre Wastl Fanderl. Aus diesem Anlass gab es 2015 eine große Volksmusikveranstaltung im ausverkauften Festsaal des Münchner Hofbräuhauses in Anwesenheit des Schirmherrn Herzog Max in Bayern. Rund 60 Sänger und Musikanten wirkten beim moderierten Programm und beim Tanz mit. Der Bayerische Rundfunk zeichnete den Festakt auf, den man in zwei Abendsendungen miterleben konnte. Zum Jubiläum brachte der VVV auch eine Doppel-CD mit aktuellen und historischen Aufnahmen heraus.
2014 wurde mit Unterstützung des Münchner Hofbräuhauses ein monatlicher Stammtisch für junge Musikanten eingerichtet, der sich inzwischen etabliert hat. Mit einer Veranstaltung im Herbst 2024 wurde das 10-jährige Bestehen groß gefeiert. Zu erwähnen ist auch noch der Bauernmarkt zur Wiesnzeit am Odeonsplatz und in der Ludwigstraße in München, an dem sich der VVV seit einer Reihe von Jahren mit einem Stand regelmäßig beteiligt.
Carmen E. Kühnl hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass sich der VVV stärker als bisher für den Volkstanz engagiert. Ergebnis dieser Bemühungen war die Herausgabe des Buchs Bairisch Tanz’n zwischen Tradition und Geselligkeit, das 2019 erschien. Dieses Werk verdankt der VVV vor allem der Zusammenarbeit mit Ingeborg Heinrichsen und Maria Karwinsky.
Der Tod unserer langjährigen Vorsitzenden Carmen E. Kühnl im Februar 2023 hat den Verein stark getroffen und eine personelle und inhaltliche Neuorientierung ausgelöst. Es gab mehrere Wechsel im Vorstand. Im Herbst 2023 war Maria Karwinsky bereit, den Vorsitz zu übernehmen.
Im Sommer 2024 wurde zum 100. Todestag von Konrad Mautner, dem Verfasser des Rasplwerks, eine eindrucksvolle Veranstaltung im Alten Wirt in Obermenzing durchgeführt. Auf Vorschlag von Ernst Schusser und unter seiner Federführung brachte der Verein zum Jahreswechsel 2024/25 einen kommentierten Nachdruck des Bücherls Hirankl-Horankl von Wastl Fanderl (Erstveröffentlichung 1943) heraus. Zu unserem 60-jährigen Vereinsjubiläum planen wir eine Jubiläumsveranstaltung im Herbst 2025.
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