»Da steppt der Bär!«

Tanzbären zwischen Tierquälerei, Tradition und Folklore

6. März 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Text: Petra Böhm; Fotos: Sammlung Wulf Wager, Niederbayerisches Landwirtschaftsmuseum Regen

Die Geschichte der Tanzbären ist eine lange und leidvolle. Bereits im Altertum wurden Bären zum Tanzen abgerichtet, im Mittelalter waren sie eine Attraktion und fester Bestandteil von umherziehenden Gauklertruppen. Auch in der indischen und türkischen Folklore kennt man Tanzbären. Die Tradition der Tanzbären verbreitete sich über weite Teile Europas. Tatsächlich beruht der vermeintliche Tanz des Bären zur Musik auf einer Täuschung des Publikums: nicht die Sanftheit der Musik macht die Kreatur zu einem kulturellen Wesen, sondern meist unmenschliches Training. Das ist bei den Bären nicht anders als bei den indischen Schlangenbeschwörern, die auf dem Blasinstrument Pungi einer tauben Kobra vorspielen. Die Tänze der Bären wurden meist auf Trommeln, Flöten oder Sackpfeifen rhythmisch-akzentuiert und laut begleitet – später auf Harmonikainstrumenten.

Im 19. Jahrhundert erlebten die Vorführungen der Tanzbären eine letzte Blütezeit. Sogar in die Kunstmusik fanden sie Eingang: So gehört etwa zu Robert Schumanns (1810–1856) Zwölf vierhändigen Klavierstücken für kleine und große Kinder, Op. 85 ein Bärentanz und in der 1882 uraufgeführten Operette Der Bettelstudent von Carl Millöcker (1842–1899) soll in einer in Krakau spielenden Marktszene ein Tanzbär auftreten.

Die Qualen des Meister Petz

Vielfach wurden die Bären damals in jungen Jahren gefangen oder in Gefangenschaft gezüchtet und dann zur Unterhaltung von Menschen zum Aufführen von allerlei Tänzen und Kunststücken gezwungen zu werden. Bei der Ausbildung der Tanzbären ging es nicht ohne gewaltsame Methoden, denn nicht Lust und Talent brachten die Bären zum Tanzen, sondern Schmerz und Angst. Vielfach kamen heiße Metallplatten bei der Dressur zum Einsatz. Und die empfindlichen Nasen der Bären wurden mit Ringen durchbohrt, um die Bären an die Kette legen und ihnen den Willen der Bärenführer aufzwingen zu können. Nach den Auftritten verbrachten sie ihre Zeit unter schlechten Haltungsbedingungen, angekettet oder in kleinen Verschlägen. Da ihre Halter meist arm waren, war auch der Ernährungszustand der Bären eher schlecht. Nicht umsonst etablierte der Volksmund den Spruch »Er bekommt Prügel wie ein Tanzbär!«

In Europa gab es Tanzbären bis um die letzte Jahrtausendwende unter anderem in Russland, Bulgarien, Rumänien, Serbien und in der Türkei. Zum Glück wurden aus Tierschutzgründen Tanzbären in Europa längst verboten. In Bulgarien konnten 2007 die letzten Tanzbären gerettet und im Bärenwald Belitsa untergebracht werden. Das Bärenschutzzentrum bietet geretteten Bären ein artgerechtes, lebenslanges Zuhause.

Der Tanzbär beim Urzelntag

Nun findet man die Figur des Tanzbären nur noch in Bräuchen. Als Beispiel hierfür sei der Urzelntag in Sachsenheim in Baden-Württemberg genannt. Dieser Brauch wurde von den Siebenbürger Sachsen aus der alten Heimat Agnetheln, einem Ort in Rumänien, mitgebracht. Dort fand der Urzelntag nach den Zunfttagen statt und diente dazu, die Zunftlade vom alten zum neugewählten Zunftmeister zu begleiten und zu beschützen. Die Urzelnzunft Sachsenheim führt diesen Brauch angepasst mit allen Traditionsgestalten durch. Der mitgeführte Karpartenbär und sein Treiber vertreten dabei die Zunft der Kürschner. Ein kleiner Mann wird dafür extra in ein echtes Bärenfell eingenäht und muss den ganzen Tag darin verbringen.

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Bär und Bärentreiber beim Urzelntag in Sachsenheim in Baden-Württemberg. www.urzelnzunft.de
Bär und Bärentreiber beim Urzelntag in Sachsenheim in Baden-Württemberg. www.urzelnzunft.de

Der Bärentreiber trägt eine Fellmütze und animiert durch Trommelschläge den Bär an der Kette zum Tanz. Eine Parade mit festen Figuren wie Peitschenschwinger, einem Hauptmann mit Engelchen und Reifenschwinger und einer Blaskapelle, führt dann durch den Ort. Der Urzelntag ist ein fester Bestandteil der schwäbisch-alemanischen Fasnachtstradition geworden.

Zudem finden wir Tanzbären auch immer wieder in verschiedenen Liedern. Am bekanntesten dürfte wohl das verharmlosende Kinderlied Ich bin ein kleiner Tanzbär sein.

Ich bin ein dicker Tanzbär

  1. Wir sind zwei dicke Tanzbär’n
    und kommen aus dem Wald.
    Wir suchen einen Freund aus
    und finden ihn schon bald.
    Ei, wir tanzen hübsch und fein
    von einem auf das and’re Bein.
  2. Wir sind drei dicke Tanzbär’n
    und kommen aus dem Wald.
    Wir suchen einen Freund aus
    und finden ihn schon bald.
    Ei, wir tanzen hübsch und fein
    von einem auf das and’re Bein.
  3. Wir sind vier dicke Tanzbär’n
    und kommen aus dem Wald.
    Wir suchen einen Freund aus
    und finden ihn schon bald.
    Ei, wir tanzen hübsch und fein
    von einem auf das and’re Bein.

Landler in G ist GEMA-​frei und kann jederzeit ohne Genehmigung öffentlich aufgeführt werden.

Aufmacher:
Friedrich Preller d. Ä. (1804–1878) malte 1824 sein Bild Bärentreiber in Antwerpen. Es zeigt einen Bären, dessen Tanz von einem Musiker auf Tabor und Einhandflöte begleitet wird.

Foto: Museum Weimarer Stadtschloss

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