Der Münchner Kreis zieht weite Kreise

Die erste Ausland-​Reise nach Spanien 1959

30. Juni 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Vor allem in den Gründungsjahren des Münchner Kreises für Volksmusik, Lied und Tanz e.V. fuhr Toni Goth mit Musikanten, Sängern und Tänzern zu internationalen Volksmusik- und Folklore-​Festivals ins Ausland, um die bairische Kultur zu präsentieren. Diese Auslandsreisen zogen sich bis in die 1990er-​Jahre fort. Eine der ersten Reisen ging 1959 nach Spanien, weitere Fahrten waren beispielsweise 1961 nach Südtirol, 1962 nach Nizza, 1968 nach Holland, 1970 nach England, 1980 nach Malta und schließlich 1992 nach Japan.

Text: Marie Schreiner Fotos: Münchner Kreis für Volksmusik, Lied und Tanz e.V.

Während des Corona-​Lockdowns wurde in der Münchner Schule das Archiv des Münchner Kreises durchforstet und digitalisiert, ein großer Fundus an detailliertest geschriebenen eigenen Erfahrungen in Tagebuchform wurde ans Tageslicht befördert. Einen kleinen Einblick in die Auslandsreise nach Spanien im Jahr 1959 gibt der vorliegende Artikel.
In den späten 1950er-​Jahren begann Toni Goth mit Volksmusik-​Institutionen in Griechenland und Südfrankreich zu korrespondieren um eine mögliche Beteiligung an örtlichen Veranstaltungen in diesen Ländern zu ermöglichen. Um als eingetragener Verein Zuschüsse für diese Auslandsreisen bekommen zu können, wurde der Name Münchner Kreis für Volksmusik, Lied und Tanz ins Leben gerufen, um »den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei [ihnen] um eine wohlorganisierte, große und bedeutsame Einrichtung handelt und nicht nur um eine Ansammlung von kaum abgegrenzten Gruppen und Einzelaktivitäten« (Toni Goth in der 30-​jährigen Festschrift des Tanzkreises). Im Jahr 1959 wurde dieser Name das erste Mal praktisch angewandt, als eine Gruppe von ca. 30 Leuten aus Passau, Wasserburg, Dachau und München zu einer selbstorganisierten Reise nach Südfrankreich und Spanien aufbrach.

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Jungfernfahrt mit Hindernissen

Diese Reise gestaltete sich als eine der schwierigsten und umfangreichsten, sämtliche Vorbereitungen, Aufenthalts- und Veranstaltungsorte, Finanzierung sowie Organisation der Veranstaltungen bzw. Auftritte und des Programms lag in den Händen des Münchner Kreises, vorrangig bei Toni Goth. Die zweiwöchige Fahrt wurde zu Ostern 1959 vorgenommen und beinhaltete Vorstellungen in Marseille und vorrangig Barcelona.

Erste Gesangsproben fanden bereits während der Fahrt statt, da dort alle Beteiligten das erste Mal zusammen waren. Der geplante Auftritt in Marseille konnte allerdings nicht durchgeführt werden. Nach Planänderung wurde bereits am nächsten Tag Barcelona angefahren, sodass die Gruppe am dritten Tag nach anstrengender langer Fahrt endlich spätabends das Hotel in Barcelona erreichte. Die erste Gesamtprobe für das Programm fand am nächsten Vormittag im Hotel statt.
Toni Goth schreibt hierzu: »Es ging etwas eng her, denn die dreißig Mitwirkenden sollten nicht nur singen und musizieren, sondern auch tanzen. […] Schließlich, zur Mittagszeit, hatte ich aus den Gruppen herausgeholt, was momentan herauszuholen war und war wenigstens soweit, dass ich übersehen konnte, wie der Programmablauf eingeteilt werden mußte.«
Für den nächsten Tag war eine zweistündige Veranstaltung im Palacio de la Musica angesetzt. Der Saal war in einer eigenartigen Mischung aus Jugendstil und Maurischer Architektur prächtig ausgestattet: »Dabei alles sehr vornehm mit Plüsch und Seide«. Er fasste über 2770 Besucher. »Wir konnten uns kaum vorstellen, dass es uns gelingen sollte, so viele Menschen anzulocken.«
Am Ende des Probentages konnte Toni Goth berichten: »Max Döpfer las das Manuskript, wir spendeten uns selber Beifall, um die richtigen Zeiten herauszubekommen und dann wurde gesungen, getanzt und musiziert, dass es eine Freude war. «

Übergabe eines Geschenks an den Bürgermeister von Barcelona.

Erste Erfolge

Die Vorstellung selber war dann ein voller Erfolg, das Programm lief wie am Schnürchen. Tatsächlich waren im Zuschauerraum alle Stühle besetzt, unter den Besuchern fanden sich vor allem deutsche Ausgewanderte aber auch viele Einheimische. Dasselbe Programm wurde auch bei allen anderen Auftritten in Barcelona gezeigt, welches überall großen Zuspruch erzielte.

»Bald waren wir auch daran gewöhnt, dass sich Scharen von Freunden und Bewunderern am Bühnenausgang einfanden um uns nochmals die Hand zu drücken und uns zu versichern, wie groß ihre Freude sei, dass sie diesen Abend miterleben durften.«
Neben den Veranstaltungen war für die Gruppe natürlich auch die Möglichkeit zu Ausflügen gegeben und ein Stierkampf wurde angesehen. Auch Verpflichtungen wie ein Empfang beim Bürgermeister im Rathaus oder dem Generalkonsul der Bundesrepublik waren vorgesehen.

Flugblatt für eine Veranstaltung in Barcelona am 30. März 1959.

Presse-​Echo und Kontakte

Die Presse aus Barcelona schrieb über die Veranstaltung im Musikpalast: »Die sympathische bayerische Trachtengruppe befindet sich auf einer Tournee durch Spanien. Die insgesamt 40 Teilnehmer beiderlei Geschlechts traten in ihren jeweils typischen ländlichen Trachten auf. […] Außerordentliches Gefallen fanden die alpinen Volkslieder, die ›Länder‹, ländliche Tänze fast ausschließlich im Walzer-, Polka- oder Mazurkatakt, die mit bayerischen Musikinstrumenten intonierten Musikstücken, unter anderem von Mozart, Haydn, Schubert und anderen klassischen Komponisten. […] Anschließend zeigte sich die gesamte Gruppe von Tänzern und Sängern noch einmal in der ganzen Eigentümlichkeit und Anmut Bayerischer Volksart.«

Gruppenmitglieder des Münchner Kreises vor einem Veranstaltungsplakat in Barcelona.

Auch ein gemeinsamer Abend mit spanischen Tanzgruppen war vorgesehen. Die Erwartungen an das Können der Gruppen wurde weit übertroffen. Einer der Gruppenmitglieder berichtet: »Sechs Damen und sechs Herren mit Tamburin zeigten einen Springtanz in verblüffend exaktem Rhythmus und mit echt südlichem Temperament, weiter ein reizvolles Tanzspiel und verschiedene andere Tänze. Dazwischen brachten wir Tänze aus unserem Programm.« Bestaunt wurden auch die farbenfrohen Kostüme der Spanier.

Außerplanmäßig wurden am Abreisetag noch spontan drei weitere Veranstaltungen zum Abschied und Dank eingeschoben, was allerdings die Reise finanziell schwer belastete. Um die finanzielle Lage etwas zu bessern, wurde das gesamte Programm nach der Rückkehr in Wasserburg nochmals aufgeführt, was wehmütige Gedanken an die vorangegangene Reise hervorbrachte.
So schreibt Toni Goth in seinen Erinnerungen: »Und noch einmal erlebten wir uns selbst, im Geiste den ›Musikpalast‹ um uns und im Herzen viele Erinnerungen, die vom Ansager noch bewusst heraufbeschworen wurden. Und es war eine gute Aufführung, das bekannte Programm und bereichert durch einige Tänze der Wasserburger Gruppe mit ihrer eigenen Musik.«
Toni Goth und sein Münchner Kreis hatte damit Geschmack gefunden am Reisen mit Musik und zog in den folgenden Jahren immer weitere internationale Kreise. Noch im selben Jahr ging es diesmal mit anderer Besetzung wieder ins Ausland nach Nizza, Imperia und Como zu internationalen Folklorefestspielen.

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Aufmacher-Foto: Aufführung in Wasserburg am 10. Mai 1959: Helmut Ranftl und Hildegard König tanzen einen Schuhplattler.

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