Eine historische Zampogna in Marktoberdorf

Spuren italienischer Wandermusikanten

4. Juli 2023

Lesezeit: 3 Minute(n)

In der Sendung Kunst und Krempel im BR Fernsehen wurde im Dezember 2020 eine absolute Rarität vorgestellt. Hans Schweiger aus Marktoberdorf im Ostallgäu präsentierte den staunenden Experten für Musikinstrumente eine ungewöhnlich große Zampogna, einen italienischen Dudelsack. Seit ca. hundert Jahren befindet sich das Instrument im Familienbesitz. Das genaue Jahr ist nicht mehr bekannt, es muss Anfang der 1920er-​Jahre gewesen sein, als eine Gruppe von drei oder vier italienischen Wandermusikanten nach Marktoberdorf gekommen ist.
Text: Christoph Lambertz Fotos: Christoph Lambertz

Die Musikanten waren in Geldnot und wollten deshalb ein Instrument verkaufen. Drei junge Männer aus der Musikkapelle, darunter Herrn Schweigers Vater, legten zusammen und kauften gemeinsam die Zampogna. Sie kam in den Jahren zwischen den Weltkriegen auch zum Einsatz, wohl zusammen mit anderen Instrumenten wie Klarinette. Nachdem die zwei Miteigentümer des Dudelsacks gestorben waren und ihre Nachfahren kein Interesse an dem Instrument hatten, verblieb es bei der Familie Schweiger. Herr Schweiger kann sich aber nicht erinnern, die Zampogna jemals selbst gehört zu haben, sie ist leider nicht mehr funktionsfähig. Aber sie kommt immerhin im Musikunterricht seiner Tochter an einer Kaufbeurer Schule als Anschauungsobjekt immer wieder zum Einsatz.

Abgesehen davon, dass eine so große Zampogna eine absolute Rarität ist, ist sie ein Zeugnis dafür, dass italienische Dudelsackspieler bis in die 1920er- und 1930er-​Jahre als Wandermusikanten umherreisten. Es ist bekannt, dass die Zampognari seit Ende des 18. Jahrhunderts durch ganz Europa wanderten und so bis Irland und Schweden kamen. Auch bei uns waren sie bekannt und wurden immer wieder abgebildet, so z. B. auf einer (undatierten) Postkarte vom Cannstatter Volksfest aus dem 19. Jahrhundert oder auf einer Fotografie, die der örtliche Apotheker aus Schöntal an der Jagst um 1900 gemacht hat. Sogar in den süddeutschen Krippen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts haben die italienischen Wandermusikanten ihre Spuren hinterlassen: häufig wurden musizierende Hirten als Zampognari dargestellt.

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Infos zum Instrument

Die Zampogna ist die traditionelle Sackpfeife in Mittel- und Süditalien. Ihre Besonderheit: die Grifflöcher für das Melodiespiel sind auf zwei Pfeifen verteilt, sodass ein einziger Spieler zweistimmig oder polyphon spielen kann. Die zwei Bordunpfeifen, die den dudelsack-​typischen Dauerton erzeugen, sind kürzer als die Melodiepfeifen. Der Bordunton klingt also nicht wie bei den meisten anderen Dudelsäcken tiefer als die Melodie, sondern höher.

Historische Fotografie eines Zampognaspielers aus Schöntal/Jagst, entnommen der Publikation Sackpfeifen in Schwaben. Die Wiederentdeckung eines vergessenen Volksmusikinstrumentes von Ernst Eugen Schmidt, herausgegeben vom Schwäbischen Kulturarchiv des Schwäbischen Albvereins, Stuttgart 1997.

Postkarte »Gruss vom Cannstatter Volksfest« [Sammlung Wulf Wager]

Ein Zampogna spielender Hirtenknabe als Krippenfigur, hergestellt von Sebastian Osterrieder in München zwischen 1910 und 1920. [Bayerisches Nationalmuseum, Inv. 99/147.38]

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