Text: Magnus Kaindl Fotos: Andreas Winter
Magnus Kaindl: Liebe Doro, wir haben im vorangegangenen Artikel schon sehr viele beeindruckende Einblicke in dein musikalisches Leben und Schaffen bekommen. Lass uns gerne noch einen tieferen Blick auf das FlussSingen werfen. Welche Ideen verfolgt das Projekt und wie können Interessierte mitmachen?
Dorothea Heckelsmüller: Ganz grundlegend finde ich Wasser für die Musik wahnsinnig inspirierend. Into the flow trifft es auf den Punkt – einfach miteinander ins Fließen und so in Kontakt kommen. In der Musiktherapie setze ich nonverbal zum Beispiel leicht spielbare Instrumente wie die Ocean Drum ein, die das Wassergeräusch imitieren. Wasser und sein Klang sind eng miteinander verbunden, es ist uns, die wir ja alle aus dem Fruchtwasser Geborene sind, so vertraut, wir können uns anstecken lassen, in Resonanz gehen, im Musizieren alles zusammenfließen lassen.
Beim FlussSingen kommt die eigene Stimme ins Spiel. Die Idee ist, dass sich Singleiter und Singleiterinnen sowie Wasserengagierte mit interessierten Menschen an Quellen, Bächen, Flüssen und Seen treffen, um dort miteinander zu singen. Alles, was mit Wasser und Fließen assoziiert wird, das können klassische Volkslieder und Jodler sein, Chants, internationale Segenslieder, Circlesongs, vielleicht sogar der Sprung ins kalte Nass selbst.
Alle sind eingeladen mitzusingen und zu tönen ohne irgendwelche Vorkenntnisse. Über meine Homepage www.singingplanet.org bündle ich sämtliche Termine und Orte auf einen Blick. Vermittelnde bzw. Veranstaltende können sich jederzeit gerne an mich wenden, um aufgenommen zu werden. Das FlussSingen befindet sich gerade im dritten Jahr und es freut mich besonders, dass der Zuspruch immer größer wird. Neben Aktionen deutschlandweit gibt es mittlerweile auch Initiativen in Österreich, in Italien und sogar in Griechenland.
Mir ist es total wichtig, Akzente im Umgang mit unserer wertvollsten Ressource, die wir haben, zu setzen. Denn in unserer stark angepassten und durchstrukturierten Gesellschaft sind Flowgefühle oft nur schwer zu ergattern. Nicht nur unser innerer Fluss ist gestört, auch die Flüsse unseres Planeten sind es. Das Thema Wasser und Fließen ist komplex geworden. Die letzten 200 Jahre haben wir Menschen Flüsse begradigt, verbaut, gestaut und ausgebeutet. Wildflusslandschaften sind zu einer Seltenheit geworden. Der ökologische Zustand unserer Oberflächengewässer ist trotz neuer Bemühungen in besorgniserregendem Zustand, vom Grundwasserspiegel ganz zu schweigen.
»Wasser ist unser Lösungsmittel«
Wir brauchen ein neues Wasserparadigma. Um einen universellen kontinuierlichen Fluss herzustellen, brauchen wir funktionierende Wasserkreisläufe. Je mehr und bewusster ich mich mit unserem Wasser, das ja ganz nebenbei für die Gefühlsqualität steht, beschäftige, desto klarer wird mir der Zusammenhang mit uns Menschen, ja unsere Ko-Evolution Mensch und Fluss.
Die Idee vom FlussSingen setzt genau hier an. So wie ein Fluss sich aus vielen Quellen speist, erklingen die gemeinsamen Lieder aus vielen verschiedenen Kehlen. Und so wie sich freifließende Flüsse entfalten, genießen wir Menschen den Ausdruck unserer stimmlichen Vielfalt!
Das ist eine wunderbare Bildsprache, die deutlich zeigt, wie eng wir mit der Natur verbunden sein können, wenn wir es zulassen. Kommen wir von einem globalen auf einen regionalen Aspekt zu sprechen. Du bist in Kaufbeuren aufgewachsen und schreibst und spielst alpen- und weltinspirierte Musik. Hast du einen Bezug zur tradierten Volksmusik?
In meiner Kindheit und Jugend hatte ich überhaupt keinen Kontakt zur Volksmusik. Ich habe bei Deutschlands ältestem Kinderfest, dem Kaufbeurer Tänzelfest, mitgetanzt. Das ist aber dann doch andere Musik. Mit Volksmusik in Berührung gekommen bin ich über meine Tiroler Hakenharfe. Die habe ich vor rund 25 Jahren in der Klangwerkstatt Markt Wald bei André Schubert selbst gebaut. Und ich habe auch in Tracht geheiratet. Es war ein wunderbarer Tag mit Tanzlmusik und bairischen Tänzen.
2012 habe ich dann Magdalena Fingerlos in Landsberg kennengerlernt. Magdalena ist auch Musiktherapeutin. Sie kommt ursprünglich aus dem Lungau, wo sie mit der Volksmusik aufgewachsen ist und bei der Gruppe Ö-Streich mitgespielt hat. Wir haben uns gleich blendend verstanden und so entstand das Duo die ChRomantischen. Unsere Hauptbesetzung ist Magdalena auf der Geige und ich am Akkordeon, weil ein chromatisches Instrument dann doch leichter für unsere Kompositionen zu spielen ist, als die diatonische Hakenharfe. Wir spielen am liebsten durchlebte Musik, ganz ohne Noten. Da sind traditionelle Anklänge immer anzutreffen, auch wenn unsere Musik immer neugierig ist auf andere musikalische Welten. Magdalena lebt zwar mittlerweile in Vorarlberg, wir treffen uns aber regelmäßig und machen nicht nur Musik, sondern singen und jodeln auch miteinander.
Das ist eine perfekte Überleitung. Denn das Jodeln ist ein Markenzeichen von dir. Wann hat dich das Jodelvirus infiziert?
Ich dürfte so 17 Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal ganz fasziniert von diesen Klängen war. Um die 2000er-Jahre war ich in München regelmäßig mit Leuten zusammen, die sich in der Stimmimprovisation ausprobiert haben. Da haben sich hin und wieder auch Jodler-Melodien drunter gemischt.
Initialzündung war schließlich ein Treffen mit Margie Sackl aus Innsbruck 2011. Ich war so begeistert und angefixt, dass ich im Jahr darauf bereits eigenständig den Ostallgäuer Jodelsonntag ins Leben gerufen habe. Später kam Magdalena dazu und wir gestalten dieses Format bis heute zusammen.
Ich finde gegenüber dem Singen ist Jodeln noch ein Stück weit befreiender. Durch die einfachen Silben wird der Kopf schneller frei, man ist weder mit Text noch Noten beschäftigt. Und es gehört natürlich Inbrunst dazu. Der körperliche Aspekt ist sehr reizvoll, Lebendigkeit bis in die letzte Pore, da tun sich tiefe Resonanzräume auf und die Lebenskraft wird deutlich spürbar.
Da wären wir wieder am Beginn Into the flow! Liebe Doro, herzlichen Dank für deine wunderbaren Initiativen. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und Freude in deinem Engagement für eine besser fließende Welt.
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