Text: Sandra-Janine Müller Fotos: Sandra-Janine Müller, Georg Drexel, Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt, Lisa Wolf-Barbances, Andreas Richter
Was haben Knöpfe mit Musik zu tun? Manche würden sagen, Musik ist Emotion auf Knopfdruck. Eine bestimmte Melodie kann einen inneren Schalter umlegen und Erinnerungen ans Tageslicht der Gefühle spülen. Das Knopfakkordeon, Trompetenventile und die Powertaste der Stereo-Anlage kommen einem in den Sinn. Bei Knopf im Ohr denken Jüngere vermutlich nicht mehr an das Markenzeichen der Kuscheltiere von Margarete Steiff, sondern eher an In-Ear-Monitoring oder ins Handy gestöpselte Kopfhörer. Wo schließlich Kleidung ins Spiel kommt, zum Beispiel als Bühnenoutfit, sind wir schnell bei Knöpfen in ihrer hauptsächlichen Bedeutung als Verschluss. Freilich ist der Knopf nur ein kleines Detail, aber er kann mehr erzählen, als man denkt und mehr zusammenbringen als offensichtlich.
Metall-, Perlmutt-, Glas-, Horn- und Plastikknöpfe kennt jeder. Aber es gibt noch eine besondere Form: Posamentenknöpfe. Sie gehören zur Familie der Posamenten, was textile Zierbesätze bezeichnet. Darunter fallen auch Quasten, Fransen, Crepinen, Schnüre und Borten. Die Knöpfe bestehen aus einem Holzkern, der mit Garn umwickelt, umwebt und umstickt ist. Bei den besonders komplexen Gorl-Knöpfen wird auf dem fertigen Exemplar zusätzlich unter Spannung eine Art Kordel gedreht und in das Fadenmuster eingehängt.
Vor allem in der Rokoko-Zeit waren diese textilen Knöpfe europaweit verbreitet, bis sie außer Mode kamen und das Geheimnis um ihre Herstellung in Vergessenheit geriet. Zum Glück haben sich etliche Originale an verschiedenen regionalen Trachten, auch in Bayern, erhalten. Die Trachtenkultur-Beratung Bezirk Schwaben hat sie dort wiederentdeckt, die verlorene Kunst um ihre Herstellung erforscht und damit unerwartet einen neuen Handarbeits-Trend in die Welt gesetzt.
Beruf Knopfmacher
Schwabens Trachtenberaterin Monika Hoede hat Spannendes über das historische Handwerk ans Tageslicht gebracht: Posamentenknöpfe kennen wir seit dem 13. Jahrhundert. Ende des 17. Jahrhunderts taucht die Berufsbezeichnung Knopfmacher durch Zugezogene aus Frankreich in Deutschland auf. Mit der Zeit organisierte sich die Berufsgruppe in Zünften. Das 18. Jahrhundert bescherte den Posamentenknöpfen eine Blütezeit. Etwa 100 Jahre lang schmückten sie vor allem Männerwesten und Gehröcke, aber auch Kopfbedeckungen und Handschuhe. Dann kamen mit der Industrialisierung Metall-Knöpfe in Mode und verdrängten nach und nach ihre textilen Verwandten. In mancher Trachten-Region, wie der hessischen Schwalm, dem Schaumburger Land oder dem schwäbischen Ries waren sie allerdings noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gebräuchlich.
Knöpfe aus Metall machte der Gürtler, Gießer oder der Gold- und Silber-Schmied, Knöpfe aus Holz, Knochen und Horn der Drechsler. Nur derjenige, der umsponnene Knöpfe herstellte, durfte sich Knopfmacher nennen. Die männliche Form hat hier übrigens Berechtigung, denn wie so viele Berufe damals, war auch dieser in Männerhand. Nur verwitwete Frauen durften die Tätigkeit ihres Mannes ausüben, und diejenigen, die zum Haushalt eines Knopfmachers gehörten. Trotzdem gab es unter Frauen, Gebrechlichen und Kriegsinvaliden immer wieder auch Störer, die nicht in der Zunft waren und versuchten, sich mit der Handarbeit etwas dazu zu verdienen.
Posamenten und Trompeten
Die Knopfmacher machten nicht nur Knöpfe, sie stellten zudem oft auch Kordeln, Quasten und geflochtene Zierbesätze her. Dadurch überschnitten sich ihre Arbeiten teilweise mit denen der Bortenwirker und Posamentierer. Ein Beleg hierfür ist in der Württemberger Knopfmacherordnung (1719–1830) zu finden, in der vorgegeben wurde, was ein Knopfmacher für seine Meisterprüfung anzufertigen hatte: eine Banderole für eine Trompete, eine goldene Schleife mit Franse (d. h. ein Posamentenbesatz) und eine Garnitur Knöpfe für einen Männerrock. Manch textiler Schmuck von Instrumenten wie Trompeten, Posaunen und Hörnern entstand also in einer Knopfmacher-Werkstatt.
Im nordschwäbischen Ries wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts Männerwesten und Troddelkappen mit Posamentenknöpfen verziert. Für diese protestantisch geprägte Region ist belegt, dass Knopfmacher im 19. Jahrhundert die Bürgerwehr mit Posamentenbesätzen beliefert haben, ebenso vermutlich die Militärmusiken. Auch heute begegnen uns noch Quasten an Tambourstäben und Lyren von Spielmannszügen.
Übrigens wäre die Zwirnspinner-Polka von Hans Matheis aus der »zwiefach«-Ausgabe 3/2024 eine passende Hintergrundmusik für diesen Artikel. Denn zur Familie der Posamentenknöpfe gehören auch die jüngeren Geschwister der umsponnenen Knöpfe mit Holzkern: die kleinen weißen Zwirnknöpfe. Sie hielten gut das Mangeln aus und waren daher als Wäscheknöpfe beliebt. Beim Zwirnknopf-Machen wird ein Aluminiumring mit Garn umwickelt und umstickt. Dabei ist es unerlässlich, den Knopf ab und zu am Faden tanzen zu lassen, damit er sich nicht zu sehr verdreht. Drehen, drehen, drehen, drehen… heißt es also nicht nur beim Rheinländer-Tanzen, sondern auch beim Knöpfe-Machen.
»Knopfmacher der Neuzeit inspirieren sich gegenseitig.«
Textile Auferstehung
2014 veröffentlichte die Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwaben das Buch Posamentenknöpfe mit vielen Anleitungen und einem historischen Teil zum langjährigen Forschungsthema von Trachtenberaterin Monika Hoede. In der Folge entstand unerwartet eine ganz neue Szene in der Welt der Handarbeits-Fans. Als Mitarbeiterin der Trachtenberatungsstelle hatte ich das große Glück, von Anfang an als Mitautorin, Technik-Testerin und Kurs-Konzeptorin live dabei gewesen zu sein. Meine berufliche Selbstständigkeit der Trachtenpunk-Schneiderei erweiterte sich bald um die Posamentenknopf-Manufaktur als erstem Fachhandel für Knopfmacher-Zubehör. Auch Seminare, Knopf-Schmuck und Auftrags-Knöpfe gehören zu meinem Angebot.
Posamentenknöpfe verbinden nicht nur Teile des Gewands miteinander, sondern auch regionale Kleidungs-Geschichte mit aktueller Mode. Somit sind sie gerade für Menschen der Tradimix- und Volxmusik-Szene, die selbst regionale Traditionen, teils unterschiedlicher Kulturen, musikalisch modern in Verbindung bringen, eine stimmige Ergänzung der Auftritts- und Privat-Kleidung.
Grenzenlose Verknüpfungen
Von der Wiederentdeckung der Posamentenknöpfe bis heute sind viele neue Mustervarianten entstanden. Die Knopfmacherinnen und Knopfmacher der Neuzeit inspirieren sich gegenseitig und entwickeln das Niveau der Kunstfertigkeit immer weiter.
Sogar in Japan wird inzwischen nach unserer Art geknopfelt: Ich erinnere ich mich daran, wie ich mich am Anfang meiner Knopfmacherinnen-Karriere durch historische Knöpfe aus Ostwestfalen inspirieren ließ. Statt einer Raute gelang es mir, zunächst ein Herz und schließlich eine detailreiche Note in den Knopf zu weben. Gerade wollte ich das Faden-Kunstwerk stolz bei Facebook präsentieren, da entdeckte ich dort ein Bild von fast dem gleichen Knopf – die Japanerin Minako Ono war in einer anderen Ecke der Welt auf die gleiche Idee gekommen! Das führte zu einer freundschaftlichen Verbindung, die noch heute besteht. Auch dank Internet hat sich das textile Thema weithin verbreitet, regt überall die Fantasie der handarbeitsliebenden Menschen an und verknüpft sie grenzüberschreitend miteinander.
Was haben also Knöpfe mit Musik zu tun? Beides verbindet!
Aufmacher:
Literatur:
- Hoede, Monika und Sandra-Janine Müller, Schwaben umspinnt. Die Knopfmacherin, der Knopfmacher, Augsburg 2021.
- Hoede, Monika, Jürgen Sturma, Sabine Krump, Gerd J. Grein, Sandra-Janine Müller, Posamentenknöpfe, Augsburg 2014.
- Schramm, Hans, Die deutsche Knopfindustrie, Naunhof-Leipzig 1921, S. 13–18.
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