Rauhnacht

Die Gruppe Quetschendatschi bringt die Zeit zwischen den Jahren zum Klingen

27. Oktober 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Text: Evi Heigl Fotos: Thomas Rimili CD-​Cover: ­loopdesign Kati Bayer
Harmonikaspieler und Stückemacher Johannes Sift war mit seiner Formation Quetschendatschi aus Bayerisch-​­Schwaben wieder im Studio und hat sich dieses Mal ganz den Rauhnächten verschrieben. Im Gespräch mit Evi Heigl erzählt er von seinen ganz persönlichen Erfahrungen rund um die besonderen Nächte und wie er sie zum Klingen gebracht hat.

Evi Heigl: Johannes, du hast dich intensiv mit der Zeit der Rauhnächte befasst. Was fasziniert dich daran?

Johannes Sift: Ich finde, das ist eine ganz spannende Zeit. Es gibt ja mehrere Rauhnächte und die am weitesten verbreitete Zählweise ist, dass man die Zeit zwischen Hl. Abend und Dreikönig betrachtet. Das sind genau zwölf Nächte. Zum einen ist es eine dunkle und bedrohlich wirkende Zeit, ihr wohnt aber auch ein Zauber inne, in dem das Wunderbare im Leben, das Schöne, der Segen, zum Vorschein kommt. Da geht etwas Altes, ein Jahreskreislauf zu Ende, aber gleichzeitig wird so das Neue geboren, die Sonnwende ist da. Das betrifft uns alle auf der nördlichen Halbkugel und dem können wir uns nicht entziehen. Das finde ich das Tolle daran, dass es gewisse Dinge in der Natur gibt und im Jahreslauf, die wir nicht beeinflussen können – zum Glück!

Inwiefern hat dich nun diese Zeit musikalisch inspiriert?

Die Rauhnächte werden ja auch verstanden als eine Art »Niemandszeit«, die keinen Gesetzen folgt. Sie ist magisch und wurde deshalb in früheren Zeiten auch gern für allerhand Orakelbefragungen, wie man es z. B. noch vom Bleigießen kennt, genutzt. Für mich ist das eine Zeit im Jahr, die meist etwas ruhiger ist. Ich versuche mittlerweile – wenn es terminlich möglich ist – mich in dieser Zeit bewusst rauszunehmen. Und in der Stille entsteht dann oft so Einiges, wie auch die Stücke für unsere CD, nämlich zwölf – für jede Rauhnacht eines.

Du hast diese Titel kürzlich mit deinem Trio Quetschendatschi eingespielt. Wie seid ihr beim Arrangieren deiner musikalischen Einfälle vorgegangen?

Bei ein paar Stücken hatte ich Ideen, welcher Teil auf welchem Instrument gut klingt, wo Sabrina auf der Harfe was übernehmen kann oder Hackbrett spielt. Oder wo vielleicht ein Tubasolo ganz gut wäre. Stefan und Sabrina haben sich natürlich auch mit ihren Ideen eingebracht. Das sind Stücke, die ganz tief aus der Seele von uns allen dreien kommen. Und so sind manche Dinge während der Proben entwickelt worden oder sogar erst während der Aufnahmen im Studio entstanden. Gerade die ganzen Percussion-​Sequenzen habe ich schon im Vorfeld immer mitgehört – z. B. bei Habergoaß. Da war mir klar: Da ist mehr dabei als nur unser bisheriges Instrumentarium.

Das heißt, ihr habt noch zusätzlich jemanden ins Boot geholt?

Genau! Wir haben die Aufnahmen ja mit Johann Bengen vom TapTone-​Studio in München gemacht. Sein Tonstudio bot uns alle Möglichkeiten, die wir brauchten. Und er war beim Entstehungsprozess selber kreativ dabei. Johann ist Schlagzeuger und so spielt er bei manchen Stücken z. B. Daf, eine orientalische Rahmentrommel, oder Schlagzeug mit. Er hat ein gutes Gespür dafür, was stilistisch passt. Und ich denke, er hatte selber viel Spaß dabei!

Und es kommen noch weitere Instrumente zum Einsatz.

Ja, ich spiele neben der Harmonika noch Geige, Tamburello und Maultrommel. Sabrina spielt Hackbrett oder Harfe und Stefan spielt Helikon und Gitarre. Ach ja, und ein Glockenspiel ist auch mal dabei. Und sogar die Kirchglocken vom Marienmünster in Dießen sind zu hören! Die kommen bei der Silvesterpolonaise vor. Bei dem Stück lassen wir’s einfach mal krachen. Das ist dann auch ein bisschen ironisch und fällt etwas aus dem Rahmen. Aber das darf am Silvestertag schon mal sein.

Als ich die Aufnahmen durchgehört habe, war mein erster Eindruck: Das sind keine klassischen Stücke, die man erwartet, wenn von Harmonikamusik die Rede ist. Ihr arbeitet sehr viel mit Klängen, Klangfarben und ungewöhnlichen Strukturen.

Ja, das sind Stimmungen, die zu den einzelnen Rauhnächten passen. Irrlicht ist so ein Stück, das so herumgeistert. Da spielt das Hackbrett ziemlich schräge Töne mit ganz viel Obertonklängen. Der Wintersturm hingegen ist ein sehr wildes Stück, da wirbeln die Schneeflocken und es gibt ein richtiges Wintergewitter. Im Auge des Orkans ist dann ein Tubasolo, das die Ruhe darstellt, bevor es wieder von Neuem zu stürmen beginnt.

Man hat beim Zuhören das Gefühl euch sehr nahe zu kommen. Man hört das typische Rauschen und Schnurren der Stimmzungen der Harmonika überdeutlich und manchmal sogar die Anblasgeräusche beim Helikon.

Ja, oder man hört, wenn die Finger auf der Harfensaite auftreffen. Wir wollten das bewusst nicht so steril haben, weil ich es sehr gerne mag, wenn man die Spielgeräusche bis zu einem gewissen Grad hört. Dadurch wird auch hörbar, dass das eine recht intime Musik ist. Die Zeit der Rauhnächte hat ja auch sowas vollkommen Intimes, dem jede und jeder vielleicht was abgewinnen kann. Gerade im Advent ist so viel High Life und die staade Zeit ist eigentlich alles andere als staad. Vielleicht hat man nach Weihnachten ein bisschen mehr Zeit, sich auf sich selber zu besinnen. Das wäre natürlich das Schönste, wenn unsere Musik es leisten kann, dass man die Qualität der Rauhnächte-​Zeit wieder für sich selber entdeckt.

Lieber Johannes, vielen Dank für die sehr persönlichen Einblicke!

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Aufmacherbild:
Johannes Sift, Sabrina Walter und Stefan Hegele (v. l.) sind das Trio Quetschendatschi.

Foto: Thomas Rimili

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