Musik aus den Südtiroler Alpen und darüber hinaus

Ladinisch und Südtirolerisch

6. Juni 2023

Lesezeit: 12 Minute(n)

In einer typisch traditionellen Besetzung mit Steirischer Harmonika, Geige und Zither vereinen Cordes y Butons (Ladinisch: „Saiten und Knöpfe“) traditionelle Musik mit modernen Klängen weltlicher Musik. Die Schwestern Reinhilde und Tamara Gamper aus dem Eisacktal und David Moroder aus dem Grödnertal entlocken ihren Instrumenten und ihren Singstimmen eine weltoffene, authentische und feine Musik aus den Südtiroler Alpen und darüber hinaus. Mit dem Trio, das im Jahr 2021 seine zweite CD vorgelegt hat, habe ich mich in der Musikschule in Klausen zu einem Interview getroffen. Bei diesem Gespräch stand sehr schnell die Frage im Mittelpunkt, was es bedeutet, sich der traditionellen Volkmusik eng verbunden zu fühlen und gleichzeitig ganz weit hinauszuwachsen, um andere musikalische Welten zu erkunden.

Text: Johannes Sift, Fotos: Cordes y Butons

 

An einem Freitagvormittag Ende April, zur besten Uhrzeit für einen Cappuccino (der südlich des Brenners von Natur aus so viel besser schmeckt!), warte ich vor der Musikschule Klausen auf meine Interviewpartner. Im Tal fließt der Eisack, und während die Gipfel der Dolomiten noch schneebedeckt sind, strahlt die Sonne schon so kräftig, dass es angenehm warm ist und die Obstbäume in den Plantagen blühen. Gegenüber, auf der anderen Talseite, thront das ehrwürdige Kloster Säben auf einem mächtigen Felsen über dem Ort. Aus der Musikschule dringen zauberhafte Klänge. Lange muss ich auf meine drei Gesprächspartner nicht warten. Zusammen betreten wir das Gebäude – ein Ort, an dem ich vorher noch nie war, den ich aber sofort wiederzuerkennen meine. Einen Moment lang überlege ich, ob mir der Verstand einen kleinen Streich spielt, aber schnell wird mir klar, dass Cordes y Butons in den Fluren der Musikschule das Bandfoto aufgenommen haben, das es auch aufs Titelbild dieser diatonisch-Ausgabe geschafft hat. Daher kommt mir der Ort also so bekannt vor …!

Wir gehen in einen der Unterrichtsräume, um über die Musik des Trios zu sprechen: über Volksmusik, den Blick darüber hinaus und darüber, was es bedeutet, in dieser Besetzung mit traditionellen Instrumenten zu musizieren, dabei erfrischend anders zu klingen und dennoch ganz tief in der Südtiroler Musik verwurzelt zu sein.

Weltoffene Klänge mit Südtiroler Sprachmelodie

„Die Musik von Cordes y Butons ist Südtiroler Musik, weil es von ins isch und mir Südtiroler sein“, erklärt David Moroder. „Und wenn man genau hinloust, na hört man schon, wouher ma kemm. Sei’s von der Sprache, aber auch irgendwie vom harmonischen Konstrukt.“ Reinhilde Gamper ergänzt: „Und a von der Instrumentenauswahl. Mir sein Südtiroler und die Sprache und die Instrumente sein bodenständig.“ – Womit schon sehr viel über dieses außergewöhnliche Trio gesagt ist.

Doch ganz von vorne, der Reihe nach … Wenn man sich als Nicht-Südtiroler mit Reinhilde, Tamara und David unterhält, wird man anfangs von ihnen gefragt, ob sie besser Hochdeutsch sprechen sollen oder ob sie auf Südtirolerisch mit einem reden dürfen. Für mich sollen sie auf keinen Fall ins Hochdeutsche wechseln, da es weniger authentisch wäre und ich mich auch persönlich am Klang des Südtirolerischen nicht satthören kann. Und ich kann ja schließlich nachfragen, wenn ich doch mal das ein oder andere nicht richtig verstanden habe.

Es sind also Südtiroler Klänge, die man von Cordes y Butons zu hören bekommt, sowohl durch ihre Sprache als auch durch die Musik, von der Instrumentenauswahl bis hin zu den Stücken und den Arrangements, die einen aus den vertrauten volksmusikalischen Kontexten immer wieder in andere Welten reisen lassen. Das Trio spielt ausschließlich auf alpenländischen Instrumenten und in einer ganz traditionellen Stubenmusikbesetzung: Reinhilde an der Bass-Zither, Tamara an der Geige und David an der Steirischen Harmonika bzw. „Ziachorgel“, wie er sein Instrument in gewohnter Südtiroler Manier nennt. Alle drei haben ihr Leben der Musik verschrieben und ihre Leidenschaft zum Beruf werden lassen, indem sie zum einen mit großer Hingabe auf der Bühne musizieren und zum anderen ihre Liebe zur Musik an Schüler:innen im Unterricht weitergeben.

Musik als Berufung und Beruf

Tamara hat im Bachelor- und Magisterstudium Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien studiert; nun unterrichtet sie elementare Musikpädagogik am Institut für Musikerziehung Südtirol. Bei Cordes y Butons streicht sie die Geige nicht nur mit dem Bogen, sondern sie zupft die Saiten auch häufig, um dem Instrument andere Töne zu entlocken. Neben ihrer besonderen Verbindung zur Volksmusik hat sie auch eine Vorliebe zur Improvisation, auf die sie sich im Studium auf unterschiedlichen Instrumenten konzentriert hat.

Ihre Schwester Reinhilde studierte Instrumental- und Gesangspädagogik mit Studium im Fach Zither und Singschulleitung am Tiroler Landeskonservatorium Innsbruck, Diplommusikschullehrerin im Fach Zither am Richard-Strauss-Konservatorium München und Master of Music im Hauptfach Zither an der Hochschule für Musik und Theater München. Bereits im Studium ist sie viel herumgekommen, so hat sie die Zither in ganz unterschiedlichen Kontexten kennengelernt. Dabei entwickelte sie auch eine Faszination für experimentelle und zeitgenössische Neue Musik. Reinhilde spielt nicht nur bei Cordes y Butons, sondern ist auch Mitglied der Ensembles für Neue Musik Trio Greifer und Erzählkunst und Klang mit der musizierenden Erzählerin und erzählenden Musikerin Heike Vigl. Zudem ist sie Saxofonistin bei weiteren Musikgruppen.

David hat am Landeskonservatorium Innsbruck Volksmusik in den Fächern Steirische Harmonika und Tenorhorn studiert, nun ist er ausgebildeter Kapellmeister und unterrichtet Steirische Harmonika am Institut für Musikerziehung Südtirol. Daneben ist er Mitglied in weiteren Ensembles wie der Volksmusikgruppe Die Kraxn, einer jungen Südtiroler Tanzlmusig mit Mitgliedern aus und rund um Kastelruth.

Volksmusik als Familienmusik

Um sich so wie die drei von Cordes y Butons für die Musik zu begeistern und ihr das ganze Leben zu widmen, bedarf es jedoch wie bei vielen anderen Musikern mehr als ein Musikstudium im jungen Erwachsenenalter. Bereits als Kinder sind Tamara, Reinhilde und David mit der Musik in Berührung gekommen, jedoch jeweils auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Reinhilde erinnert sich, dass das Musizieren in der Familie früher sehr gepflegt wurde, mitunter auch „mit streiten und spielen und nachher streiten und dann streiten und wieder spielen und richtig feste streiten während dem Spielen“ – wie das eben in Familien manchmal so ist, wenn alle miteinander Musik machen. Die Begeisterung dafür kam in die Familie Gamper vor allem durch den „Tata“, den Vater von Tamara und Reinhilde, der selbst auch als Flügelhornist in drei Musikkapellen gleichzeitig spielte. „Im Nachhinein sagen’s [andere Leute] oft: Maaa … der hätt des studiert, wenn’s die finanziellen Mittel geben hätt …“, erzählt Reinhild. Tamara denkt gerne an die Zeit in der Familie zurück: „Wir spielen seit ich denken kann zusammen.“ Ein großer Einschnitt war allerdings der frühe Tod des Vaters, als Tamara erst fünf und Reinhilde 14 Jahre alt war.

Wie früher oftmals üblich, war es von Haus aus festgelegt, wer welches Instrument lernen und spielen durfte. Reinhilde erzählt darüber, dass in der Familie „immer schon viel Stubenmusik gespielt wurde, weil die Gitschen[1] nicht zur Blasmusikkapelle durften“. Der Bruder hingegen habe zur Kapelle gemusst, denn ihm war es vorbehalten, ein Blechblasinstrument zu spielen, „und die Gitschen mussten Stubenmusik spielen“. Augenzwinkernd und mit einer gewissen Wehmut fügt Reinhilde hinzu: „Ich musste Zither spielen dürfen.“

Tamara erinnert sich, dass für sie die Geige als Instrument oftmals zu leise war. Mit diesem Instrument fiel es ihr aber etwas leichter als ihrer Schwester, aus dem gewohnten Familien- und Stubenmusik-Umfeld auszubrechen und im Orchester zu spielen, was ihr viel Spaß machte. Später dann fanden schließlich beide ihren Weg und lösten sich ein Stück weit von der Familienmusik, weil sie zur Musikkapelle wollten. Reinhilde fing dafür auch mit dem Saxofon an und Tamara mit der Trompete.

Eine Jugend mit der „Ziachorgel“

Während die beiden Schwestern aus einer Musikantenfamilie stammen, sei das bei David „alles ziemlich anders“ gewesen, berichtet er. Zwar waren die Eltern musikbegeistert, selber aber nicht aktiv musikalisch tätig. Der Weg zur Musik sei ihm dennoch bereits in der Kindheit geebnet worden, betont David: „Ich bin auf dem Hof aufgewachsen, und da gab es schon ein Gespür für die alpenländische Volksmusik.“ Die Steirische Harmonika lernte er schließlich bei einem Freund kennen und fing mit voller Begeisterung damit an – der Freund verlor jedoch bald wieder das Interesse am Musizieren und gab es auf. Umso fanatischer widmete sich in der Folgezeit David dem Instrument. Dass er „erst“ im Alter von 13 Jahren damit begonnen hat, empfindet er als verlorene Zeit; er erinnert sich daran, dass er diese dann schnell aufgeholt hat, durch tägliches begeistertes Üben. „Ich habe halt später angefangen, aber dann richtig fanatisch Gas gegeben.“ Zwei Jahre später, mit 15, kamen dann noch Tenorhorn und Zugposaune hinzu. Auch diese Instrumente spielte er mit großem Enthusiasmus, der darin mündete, dass David mit 25 Jahren für sechs Jahre als Kapellmeister tätig wurde – eine Zeit, in der er, wie er berichtet, viele Erfahrungen habe sammeln können, von denen er heute noch bei Cordes y Butons profitiere.

[1] Südtirolerisch für „Mädchen“. Gitsche/Gitschen stammt wohl von dem Wort chiccia (Mädchen, junge Frau) aus dem gesprochenen Latein, dem sog. Vulgärlatein. In Südtirol und auch in Kärnten hat dieses Wort bis heute überlebt.

 

Vorbilder aus Radio und Fernsehen und die Südtiroler Volksmusikwochen

Doch zurück zur „Ziachorgel“. Für Jugendliche, die heutzutage das Instrument lernen, ist es sehr einfach, über Smartphone und Internet an Stücke zu gelangen. Zudem sind diese dann ja auch jederzeit verfügbar. David erzählt, dass dies in seiner Jugend anders gewesen sei: „Damals gab’s ja noch kein YouTube, deswegen habe ich mit dem Kassettenrekorder die Volkmusiksendungen im Radio oder Fernsehen vor allem die Sendung ‚Mei liabste Weis‘ mit Franz Posch aufgenommen. Und wenn mir ein Stück gefallen hat, dann wollte ich es gleich nachspielen.“ Viel habe er durch Eigeninitiative gelernt. Er sei zwar schon auch in die Musikschule gegangen, am meisten aber habe er selber ausprobiert und dann Noten und CDs gekauft. „Schon richtig fanatisch – man hat eben die Mittel genommen, die man gehabt hat“, erzählt er rückblickend.

Bei Tamara und Reinhilde waren insbesondere die Musik- und Jugendwochen des Südtiroler Volksmusikkreises am Ritten und im Passeiertal ausschlaggebend. Die haben dazu beigetragen, dass ihnen Volksmusik Spaß macht. Auch David hat viele gute Erinnerungen daran und dort viel Motivation gefunden, sich weiter mit der Volksmusik zu beschäftigen. Kennengelernt haben sich die drei aber erst in der Musikschule in Gröden, als sie bereits berufstätig waren und dort unterrichteten. Aus zwei Duos – Reinhilde und David musizierten damals bereits miteinander, Tamara und Reinhilde haben zusammen viele Hochzeiten musikalisch gestaltet – ist schließlich ein Trio entstanden. Über mehrere Jahre musizierten die drei immer wieder zusammen, weil es Spaß machte – vor allem Volksmusik, dann aber auch moderne Lieder, anfangs meist auf Englisch gesungen. Für David war es spannend, auf der Harmonika auch in Moll oder anderen Harmonien zu spielen und auszuprobieren, was auf dem Instrument noch alles möglich ist. So konnte er seinen Horizont der alpenländischen Volksmusik, die er allen voran bei den Musikwochen des Südtiroler Volksmusikkreises kennen- und schätzen gelernt hatte, erweitern und sich in andere Gefilde vorwagen.

Überschreiten der Grenzen alpenländischer Volksmusik

Gerade als Harmonikaspieler sei man von Anfang an von der traditionellen Volksmusik geprägt, „denn es liegt ja alles perfekt auf dem Instrument“, berichtet David über sein Experimentieren mit der „Ziachorgel“. „Und mit der Zeit habe ich dann angefangen, andere Sachen zu probieren, nachdem auch musikalische Vorbilder den volksmusikalischen Rahmen ein bisschen gesprengt haben.“ Den Anstoß hierfür gab allen voran das Herbert Pixner Projekt, das die Grenzen der „echten“ und „alpenländischen“ Volksmusik überschritt. Durch den immensen internationalen Erfolg des Südtirolers Herbert Pixner beflügelt, trauten sich auch weitere Volksmusikant:innen, die Grenzen auszuloten und über den Tellerrand zu schauen. „Man kann man sich jetzt getrauen, alles zu spielen, wie auch zum Beispiel mit meinen Schülern. Mir ist das Instrument wichtig – also schon Volksmusik und jede Art von Musik, aber vor allem, dass das Instrument gern gespielt wird. Und wenn einer sagt, er will gern Oberkrainer spielen, dann spielt er eben das“, meint David. Weiter betont er, dass er früher selbst auch volkstümlich oder im Oberkrainer-Stil gespielt habe, wenn dies auf Feiern erforderlich und gewünscht war. Er vermutet, dass der Drang, Neues zu wagen, bei ihm vielleicht auch daher komme, dass er in der Blasmusik aktiv war, da es in Blasorchestern schon lange üblich ist, neben traditionellen Märschen zum Beispiel auch moderne Lieder, Popsongs oder Filmmusikadaptionen zu spielen. Sein heutiges Vorgehen beim Komponieren beschreibt er so: „Wenn ich Stücke schreibe, gebe ich mir keinen Rahmen vor – das, was mir einfällt, probiere ich, und dann klingt eben ein Stück mehr nach Volksmusik und ein anderes weniger. Es ist nicht so, dass ich überlege, ob ein Stück mehr volksmusikalisch klingen soll oder nicht.“

Für Cordes y Butons war des Weiteren natürlich Herbert Pixner und die sogenannte neue Volksmusik prägend, vor allem auch für David als Harmonikaspieler. Dass er seinen eigenen musikalischen Weg geht, wird deutlich, wenn er feststellt: „Mein Ziel ist nicht, für mich als Ziachorgelspieler, so wie der Herbert Pixner zu spielen. Es hat fast auch noch nie jemand zu uns gesagt ‚ah, ihr macht den Pixner nach‘, weil das hat ja auch keinen Sinn für uns.“ – Vielmehr seien es eigene Impulse, die Cordes y Butons setzen. Die Harmonika stehe auch nicht so sehr wie bei anderen Trios im Mittelpunkt. „Wir haben eben ganz viele Möglichkeiten in der Gruppe. Jedes Instrument kann sowohl Begleitung als auch Melodie spielen, und dadurch kann man da viele Effekte machen“, sagt David, und Reinhilde ergänzt zustimmend: „Es gibt bei uns nicht den ersten Geiger, den zweiten Ziachorgler und die dritte Zither, sondern jeder übernimmt einmal, jeder gibt den anderen Raum zum Spielen, jeder unterstützt und schaut, dass der Klang zum Tragen kommt.“ 

Verschiedene Einflüsse und Klangräume

Generell ist es in der Gruppe so, dass, wenn jemand ein Stück bringt, es dann noch lange nicht fertig ist. „Dann wird gebastelt, probiert und verworfen und wieder was dazu gespielt“, beschreibt David. Die Ideen und Inspirationen kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Tamara hat eine besondere Liebe insbesondere zur skandinavischen Musik: „Die Melodien ziehe ich von überallher, vor allem nordisch, isländisch – das liebe ich. Und dann verpacken wir sie südtirolerisch.“ Am Anfang steht ganz oft eine Idee bzw. eine Vorstellung, welchen Charakter ein Stück haben soll. So zum Beispiel bei Vaseja, das David über seine drei Töchter Vanessa, Selina und Jasmin geschrieben hat. Darin beschreibt er, welchen Charakter und welches Temperament die Kinder haben. Der kreative Prozess, bis ein Arrangement für das Trio feststeht, beschreibt er als ein „Probieren auf der Basis von einer Idee“. Ein anderes Stück von ihm, Armunia, ist eine Polka, „aber in unserem Stil.“ Tamara komponiert hingegen oft auch am Klavier. Spannend sei es dann für sie zu hören, wie das auf der Steirischen, der Zither und auf der Geige klingt und wie es sich weiterentwickelt, wenn man es in der Gruppe ausprobiert.

Im neuen Programm von Cordes y Butons, das auf ihrer CD Vivanda zu hören ist, finden sich auch Musikstücke, die in ungeraden Takten geschrieben sind. Für die Südtiroler Musik ist das erstmal ungewöhnlich,  da es hier keine Vorbilder wie beispielsweise bayerische Zwiefache oder Siebenachtel- bzw. Neunachtel-Rhythmen der Balkanmusik gibt. „Wenn man etwas probiert und bisschen eine Vorstellung oder eine Idee hat, dann probiert man Stück für Stück, und das bringt dann Abwechslung hinein – nicht nur im Dreiviertel- oder Vierviertel-Takt“, erklärt David. Tamara fügt hinzu, dass ihre Komposition Zeit ein Überbleibsel aus dem Studium sei, aus einer Phase, als sie sich gerade in die ungeraden Takte etwas verliebt hatte. „Das bringt eben einen anderen Schwung hinein“, so Tamara, „denn das Tonmaterial ist ja eigentlich immer dasselbe. Und daher nehmen wir gern mal einen anderen Takt.“

Das Stück Dou sem von Reinhilde hingegen plätschert in immer nur zwei Akkorden vor sich hin, was absichtlich so gestaltet ist, da der Text und abschließend der Jodler im Vordergrund stehen. Spannend an dem Stück ist, dass ein ganz ausdrücklicher Aufbau enthalten ist, obwohl das harmonische Grundgerüst sehr simpel ist. „Bewusst haben wir da probiert, nicht megakompliziert zu sein, sondern minimalistisch“, bestätigt Reinhilde. Trotzdem habe das Stück eine gewisse Dynamik und einen eigenen Schwung.

Vivanda

Die erste CD von Cordes y Butons war eher meditativ, mit viel Klang – bei der zweiten stehen jetzt Lebhaftigkeit, Feuer und Lebensfreude im Vordergrund. Überhaupt wollten die drei Künstler mit ihrem zweiten Album Vivanda viel Schwung bringen. „Beim ersten haben wir uns so ein bisschen an den neuen Klang gewöhnt und das auch genossen, das Minimalistische, oft nur so eine Stimme oder zwei Stimmen und Bass dazu. Das fanden wir schon ganz interessant für uns, ganz neu“, berichtet David. „Anfangs haben wir versucht, viel einzubauen, dreistimmig und so, wie man es eben gewohnt war, aber das haben wir dann oft alles wieder weggenommen und haben gesehen: Das Einfache, Reduzierte, das Ausgemistete ist oft besser als zu viel.“ Unterm Strich sei das Einfache jedoch auch meist viel heikler zu spielen, weiß Reinhilde: „Das sehen wir bei unserem aktuellen Programm. Man muss immer konzentriert dabei bleiben, sonst zerfällt alles. Und das ist dann auch wieder der Reiz.“

Eine besondere Herausforderung ist die Tatsache, dass es für das Trio keine fertigen Arrangements im Sinne von Partituren gibt, in denen genau festgehalten ist, welches Instrument wann was genau zu spielen hat. Cordes y Butons nutzen dafür eher Leadsheets, auf denen der Ablauf eines Stücks festgeschrieben ist, ergänzt durch das, was an Konzepten im Kopf festgehalten ist. Die einzelnen Stimmen können daher auch nicht beliebig durch einen anderen Musiker ersetzt werden. Die Erfahrung, wie schwierig das ist, hat Tamara einmal gemacht, als sie eine Zeit lang bei Konzerten vertreten werden musste. Johanna Mader von der Maschlmusig half aus; für Tamara war es sehr interessant, ihre Stimmen in Noten zu setzen: „Wenn man das mal alles genau aufschreibt, dann schaut das voll kompliziert aus, was man sonst eben einfach so spielt.“

Ladinisch und Südtirolerisch

Waren im ersten Bühnenprogramm noch einige Lieder auf Englisch enthalten, so ist es für Cordes y Butons im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden, im Südtiroler Dialekt oder eben auch auf Davids Muttersprache Ladinisch – einer romanischen Sprache, die in den Tälern rund um die Sellagruppe in den Dolomiten gesprochen wird – zu singen. Tamara erinnert sich: „Anfangs waren englische Lieder für uns was Neues, aber das haben wir jetzt auch wieder beiseitegelegt, und sind jetzt auf dem Weg, vor allem auch Ladinisch zu singen, weil wir einen ladinischen Namen haben und uns das voll Spaß macht. Wir haben ja auch einen guten Lehrer, den David.“ Dass dies aber nicht der einzige Berührungspunkt mit dem Ladinischen ist, weiß Reinhilde zu berichten: „Unsere Uroma ist aus dem Gadertal und hat ladinisch gesprochen. Also, es ist ja nicht von ungefähr – natürlich ist für uns die Sprache eine Fremdsprache, aber wunderschön zu singen und auch eine Abwechslung und wieder etwas Spezielles. Und auch auf Dialekt singen wir gerne: Gern hobn tuat guat singen wir zum Beispiel voll gern, aber in unserem eigenen Stil. Englisch singen, das sagt über unsere Gruppe nur wenig aus.“

David sieht das ein bisschen anders, denn er fand es schon interessant, Cover-Lieder zu singen, die man auch im Radio hört. Diese dann mit Stubenmusikinstrumenten nachzuspielen, das habe schon auch was. „Und viele sagen ‚uns gefällt das volle guat‘, aber unser Schwerpunkt ist jetzt schon, etwas Eigenes, etwas Ladinisches, etwas im Dialekt zu machen. Und so entwickelt man sich halt weiter. Bei der ersten CD war’s so, bei der zweiten so – und was bringt die dritte?“ Man darf also gespannt sein, welche musikalische Welten Cordes y Butons von Südtirol ausgehend zukünftig noch bereisen werden. Dass es an Ideen mangelt – diesen Eindruck habe ich ganz und gar nicht.

Zum Ende unseres angeregten Gesprächs in der Musikschule in Klausen – der Cappuccino ist schon lange ausgetrunken – interessiert mich noch die Frage, woher Cordes y Butons ihre Motivation und ihre Kraft hernehmen, gerade nach so einer langen Durststrecke in den letzten zwei Jahren, während der nicht enden wollenden Pandemie. Auch hier haben ihnen ihre Wurzeln in der alpenländischen Volksmusik geholfen, aber auch das Fernweh nach anderen musikalischen Klangräumen. Und ein Vorteil war es auch, dass in der überschaubaren Triobesetzung eigentlich nie wirklich Stillstand war. Wenn die Auftritte mal weniger wurden, haben die drei an ihrer CD Vivanda gearbeitet und die Zeit sinnvoll genutzt – auch wenn es mitunter sehr schwierig war, v. a. in Zeiten des Lockdowns von den Behörden eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Umso mehr ist es nun für Tamara, Reinhilde und David erfüllend, auf einer Bühne zu stehen, darüber sind sich alle drei einig: „Wir möchten unsere Freude an und mit unserer Musik dem Publikum weitergeben und freuen uns irre, wenn das gelingt!“

www.cordesybutons.com

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