Text: Ernst Schusser Foto: EBES – Volksmusik, Bauernhausmuseum Amerang / Gerhard Nixdorf
Schon als kleiner Bub habe ich den Kiada in unserer Familie ganz intensiv erfahren – und dabei ist es bis heute geblieben. Das Kirchweihfest am dritten Oktoberwochenende – die Allerweltskirchweih – hat mich immer besonders berührt und in den Bann gezogen. Die Geselligkeit, die Gemütlichkeit der Alten und die überschwängliche Lebenslust der Jungen – zwischen diesen beiden Polen menschlicher Lebensgestaltung spielt sich der Kiada, der Kirta (der Kirchtag, männlich, in den Mundarten unterschiedlich gesprochen), oder das Kirchweihfest (sächlich, Schreibform) oder die Kirchweih (weiblich) in meiner Erinnerung und bis heute ab.
An dieser Stelle wiederhole ich nicht die Erkenntnisse aus der Landesgeschichte und der Volkskunde, die in aller Tiefe die unterschiedlichen Ausprägungen des Kirchweihfestes früher und in regionaler und sozialer Vielfalt beschreiben. Dieses Wissen wäre durchaus grundlegend für die folgenden persönlichen Ausführungen, würde aber an dieser Stelle zu viel Platz einnehmen. Bleiben wir also in meinem engsten Umfeld.
Ja, grüaß enk Gott, Leitl,
jetz san ma halt do.
Jetz sing ma an Kirta,
so laut wia ma ko.
An Sunnta an Monta
und a an Irta,
so lang werd jetz gfeiert,
so lang is Kirta.
A lustiga Kirta,
der dauert drei Tog,
und a no am Migga,
wenn sa se schigga no mog.
Kirchweih, ein Familienfest
Bereits als Kind durfte ich erleben, erfahren und spüren, welche Bedeutung der Kirta für meine Familie und deren Bekannte und Freunde hatte: Die Eltern stammen aus dem Egerland (Altwasser) und dem Böhmerwald (Neumark) und hatten natürlich als Flüchtlinge nach
1945 ihre Lebensauffassung, ihre Bräuche und Jahreseinteilungen mit nach Bruckmühl gebracht. Das prägte unser Leben, teilweise bis heute. Und ganz selbstverständlich versammelten sich viele Bekannte am Allerweltskirwa (meist männlich, selten auch weiblich gebraucht) bei uns zu Hause. Aber den Annatåg (im Juli) und Micheli (im September) feierte man an der Grenze in Neualbenreuth oder in Eschlkam, ganz nahe am Geburtsort, der lange Zeit nicht besucht werden konnte. Da kamen viele Bekannte und ehemalige Nachbarn zusammen und man feierte intensiv, auch mit Erinnerungen, Essen, Trinken, Musik, Tanz und Gesang nach der Messe. Das Treffen war vor allem für die Großeltern wichtig, solange sie gesundheitlich konnten, aber auch für meine Eltern.
Am dritten Oktoberwochenende ging es dann bei uns hoch her. Es kamen viele Leute aus der alten Heimat. Alle Essens- und Lebensgewohnheiten vom Kirchweihfest daheim im Egerland und Böhmerwald wurden in Bruckmühl angepasst. Am Freitag wurden schon die Golatschn oder die Flecken gebacken, kleine und große Kirchweihkuchen, rund und flach, 10 bis 40 Zentimeter Durchmesser, Hefeteig, belegt mit angemachtem Powidl (Zwetschgenmarmelade), durchgedrehtem Mohn und Kas (süßer Quark). Früher waren es wohl bis zu 40 große Flecken, zum Verzehr in der Familie und mit Freunden, als Geschenk für Nachbarn und Bekannte. In meiner Studienzeit durfte ich auch ein paar Flecken nach München mitnehmen, zur Freude der Studienkollegen. Bis heute werden dankenswerterweise von den nachfolgenden Generationen diese Kirchweihkuchen gefertigt. Ohne Flecken ist für mich der Kiada nicht vorstellbar. Essen mit Fleisch, Kraut und Knödel und Trinken wurden umfangreich aufgetischt.
Natürlich wurde von den Gästen schon am Samstag oder dann am Sonntag nach der Kirche nach reichlich Essen und Getränken auch gesungen, die Lieder von daheim. Ich war vom Schusser-Großvater dann angehalten, mit meinem kleinen Akkordeon die Lieder zu begleiten und dazu zu spielen, alles auswendig. Da war ich sieben Jahre alt. Später trieb es mich als Jugendlichen hinaus und es begann ein eigenes Leben am Kirchweihfest, immer die familiären Abläufe im Hinterkopf – und immer mit meiner Ziach im Gepäck.
Am Kirta werd gjuchezt,
werd tanzt und gsunga.
Wias de Altn scho gmacht ham,
machans a de Junga.
Da Tanzbodn is aufgstraht,
d’ Musikantn san gricht,
as Essn is auftragn,
ja des is a Gschicht.
Geselligkeit ist Trumpf
Der Gotzlirsch Sepp und der Neumaier Edi (selig) holten mich in den Trachtenverein Bruckmühl. Dort sollte ich auch gesellig aufspielen, zu Unterhaltung und Tanz. Dort lernte ich zu Beginn der 1970er-Jahre die Burschen vom Patenverein Rohrdorf kennen. Bis heute hält die Freundschaft, z. B. mit dem Kieler Schorsch. Damals waren wir ein wilder Haufen, der sich in Geselligkeit und beim Volkstanzen getroffen hat. Besonders den Kirchweihsonntag habe ich in bester Erinnerung. Schon am Nachmittag fanden wir uns zusammen. Wir kehrten in den Bauernhäusern und bei den Kleinhäuslern ein, in lustiger Runde, mit Musik, Gesang und ausgiebiger Bewirtung. Und es dauerte lang.
Am Kirchweihmontag war in Elbach im Leitzachtal ein fester Termin. Die dortigen Burschen richteten schon ab Mittag einen Tanz aus. Sie trugen meist die alten schwarzen Gewänder und die genagelten schweren Schuhe. Die Musik spielte die alten Tänze im Leitzachtal und es galten die alten Regeln am Tanzboden. Zum Kaffee waren wir dann manchmal auch beim Holzer Hansl von der Fischbachauer Tanzlmusi eingeladen. Da gab es süßes Kirchweihgebäck und noch süßere Alkoholika.
Musikantn, es Schwanz,
spuits ma auf meine Tanz,
spuits ma auf meine Liada,
des ko net an iada.
An Landla, an Polka,
ganz gmüatli no drauf,
an Dreher, an schnellen,
den lass ma net aus.
Musikantn, machts auf,
es werds scho was kriagn,
i lass enk a Hafei
voll Erdäpfen siadn.
Als wir dann mit unserer Inntaler Klarinettenmusi auf Hochzeiten und Volkstänzen aufzuspielen begannen, war das Kirchweihwochenende ein sehr umkämpfter Termin. Schon am Freitag ging es los, natürlich auch am Kirchweihsamstag und am Sonntag. Der Montag war noch kein gefragter Tanztermin, aber in geselliger Runde haben wir aufgespielt und die alten Tanzlieder gesungen. In Ostermünchen z. B. hat uns dann der Postbot Huaber auf alte Tänze (z. B. Drah-Polka) und alte Lieder in der Wirtschaft aufmerksam gemacht. Fritz Huber (1894–1982) sollte einer meiner wichtigsten Gewährsleute werden. Begonnen hat alles an einem Kirchweihmontag in den 1970er-Jahren!
Kirchweihmontag im Museum
Ein neuer Impuls für uns war die Eröffnung vom Bauernhausmuseum in Amerang 1977/1978. Obwohl eigentlich die meisten Museen am Montag geschlossen haben, wollten wir unseren Kirchweihmontag im Bauernhausmuseum Amerang feiern. Nach ein paar vergeblichen Anläufen, in denen wir in verschiedenen Gastwirtschaften u. a. in Bruckmühl, Mietraching oder Ostermünchen zusammengekommen waren, fand unsere Einkehr am Kirchweihmontag im Bauernhausmuseum Amerang seine bleibende Stätte. Anfangs spielten wir mit verschiedenen Musikantenfreunden auf Einladung von Mitgliedern des Gründungsvereins (z. B. von Hans Stöttner) am Nachmittag im Museum. Dabei brachten wir selbst die Brotzeit mit (z. B. die Flecken). Schon bald waren auch der Sepp (1937–2023) und die Rosa Linhuber dabei und haben gesellige Lieder von früher gesungen. Nach und nach hat sich wohl die Musik und das gesellige Singen am Kirchweihmontag herumgesprochen und es kamen immer mehr Besucher. Da spielten wir dann auch schon mit unserer Inntaler Klarinettenmusi auf.
Anfang der 1980er-Jahre habe ich schon freiberuflich für den Bezirk Oberbayern gearbeitet. Der Fanderl Wastl (1915–1992) aus Frasdorf hat einmal nachgeschaut, was die Jungen machen und auch seinem Nachfolger Wolfi Scheck (1943–1996) aus Murnau war unsere Kirtamusi am Montag in Amerang recht. Als ich dann ab 1986 fest im Volksmusikarchiv und der Volksmusikpflege des Bezirks Oberbayern angestellt war, haben wir den Kirchweihmontag weiter ausgebaut: Es bürgerte sich eine feste Abfolge von Geselligkeit, gemeinsamem Singen lustiger bekannter Lieder (ab 1990 auch Balladen und Moritaten) und Kirta-Musik im Innenhof vom Bernöderhof ein – erweitert durch Musizieren vor den anderen Museumshäusern, volksmusikalische Lebkuchenherzen vom Förderverein des Volksmusikarchivs und zusammen mit Eva Bruckner das generationenübergreifende ErlebnisSingen mit Kindern und Familien. Besonders unsere neugestalteten Lieder auf alte Melodien wie z .B. Wenn der Vater mit der Mutter auf die Kirchweih geht … hatten es den Kindern angetan. Auch die alte Form des Gstanzlsingens gegen andere Dörfer war und ist gerade auch an Kirchweih beliebt.
Musikantn machts auf
und Bernauer gehts weg,
jetz kemman de Preana,
da geht wos vom Fleck.
De Buama vo Rimsting,
dene schick ma an Gruaß,
do ko koana kema,
weil er ausmistn muass.
De Deandl vo Endorf,
de ham an scheen Gang,
mit oan Fuaß teans Gråsmahn,
mitn andern heigns zsamm.
Ja steierisch tanzn
und boarisch aufspuin,
so gnau wia de Schützn
tean de Preana net zuin.
Auch in der Coronazeit waren wir mit einem Notprogramm vor Ort. Und seither wird der Kirchweihmontag im Bauernhausmuseum Amerang von der Kreisvolksmusikpflege Rosenheim getragen, in Zusammenwirken mit dem Museum und Mitgliedern vom Förderverein Volksmusik Oberbayern. Ein wesentliches Element ist seit vielen Jahren die Isengau-Musi, eine Blechmusik im alten Stil. Und die Besucher wissen genau, was sie wann erwartet, wenn sie am Kirchweihmontag nach dem Mittagessen nach Amerang fahren. Für viele ältere Leute ist es ein willkommener jährlicher Treffpunkt, für viele Familien ein Ausflug zum lustigen Singen und zu den Lebkuchenherzen. Nach über 40 Jahren hat sich etwas im Bewusstsein der Menschen gefestigt, das Tradition werden könnte.
Und aus is da Kirta
und aus is da Tanz,
und aus san d’ Monetn
und gfressn is d’ Gans.
Aus werds a mitn Singa,
mitn Faxn reißen,
mia bleibn oba do
bis uns ausseschmeißen.
Bis uns ausseschmeißen
und de Tür riegln zua –
mia ham ja vom Kirta
heit Nacht no net gnua.
… bis Montag oder Dienstag
Sehr erfreulich ist es, dass auch in vielen anderen Orten auf dem Land der Kirchweihmontag wieder zu einem besonderen Tag im Jahreskalender geworden ist. Das geschieht aufgrund des Engagements mancher Bauersleute und vieler ehrenamtlicher Menschen und Vereine: Vielerorts gibt es (wieder) die Kirtahutschn für Kinder und Schulklassen. Manche Volksmusikanten spielen am Montag und am Dienstag in Wirtschaften auf, laden zum Sänger- und Musikantentreffen ein oder zum geselligen Wirtshaussingen. Bei Kaffee und Kuchen, Brotzeit und Bier, Volksmusik und Gesang entsteht die alte Geselligkeit am Kirchweihmontag in neuer Form. Und für manche ist es auch wieder ein halber Feiertag!
So hat z. B. eine 5. Klasse der Franziska-Hager-Mittelschule in Prien mit ihrem Lehrer Georg Leidel im Jahr 2015 Kirchweih-Gstanzln gelernt, von denen wir einige hier wiedergeben. Und auch in der Reihe Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch hat Eva Bruckner einige Chorsätze zum Gottesdienst am Kirchweihfest in Zusammenwirken mit etlichen Kirchenchorleitern veröffentlicht (siehe Noten: In Freude wir heut). In früheren Jahren hatten wir im Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern das Kirchweihfest am Mittwoch (Migga) mit einem Dankgottesdienst zusammen mit Pfarrer Hans Durner (1928–2020) und vielen Gästen abgeschlossen. Danach gab es eine Knödlsuppn zum Ratschen.
Herr Wirt, pfiate Gott,
mir leidn koa Not,
mir kehrn wieda ei,
wenn ’s is auf Kathrei.
Termine
Kirchweihsonntag in Hofstetten
Zu den traditionellen bäuerlichen Kirchweih-Gebäcken singen Eva Bruckner und Ernst Schusser auf Einladung von Kreisheimatpfleger Dominik Harrer mit den Besuchern gesellige Lieder, die zur Gemütlichkeit am Kirchweihsonntag beitragen. Die Liederblätter stellt der Förderverein Volksmusik Oberbayern zur Verfügung (fv.vmo@t-online.de, +49 8062 8078307). Weitere Informationen: Landkreis Eichstätt, Melanie Veit, +49 8421 987641 oder Dominik Harrer, +49 172 8667644, info@dominik-harrer.de
Sonntag, 15. Oktober 2023, 14.00 Uhr
Jura-Bauernhof-Museum, Schlossstraße 19, Hofstetten
Kirchweihmontag in Amerang
Beim geselligen Beisammensein im Bauernhausmuseum des Bezirks Oberbayern lassen die Besucher die alte Gemütlichkeit am Kirchweihmontag (wieder) aufleben. Ab 14 Uhr spielt die Isengau-Musi überlieferte Weisen. Um 14.30 Uhr wird zum Mitsingen von Volksliedern und Moritaten und um 16.00 Uhr von lustigen Liedern für Kinder und Erwachsene eingeladen. Der Förderverein Volksmusik Oberbayern e.V. bietet volksmusikalische Lebkuchenherzen an. Sänger und Musikanten sind eingeladen, in den Museumshöfen oder auf der Hausbank im Freien (GEMA-frei) zu singen und zu musizieren (Anmeldungen: +49 8075 915090, www.bhm-amerang.de). Für das leibliche Wohl sorgt der Obinger Bauernmarkt, u. a. mit Kirta-Nudeln. Weitere Informationen: Kreisvolksmusikpflege Rosenheim, +49 8062 8078307, ernst.schusser@heimatpfleger.bayern
Montag, 16. Oktober 2023, 14.00 – 18.00 Uhr
Bauernhausmuseum Amerang, Hopfgarten 2, Amerang;
Kirchweihdienstag in Mietraching
»A richtiga Kirta dauert bis zum Irta«, sagt eine Volksweisheit. An diesem Kirchweihdienstag lädt der Kulturförderverein Mangfalltal in Maxlrain e.V. ein zu einem geselligen Wirtshaussingen mit der Frühschoppenmusi und Ernst Schusser, der mit den Besuchern bekannte bayerische Volkslieder singt. Weitere Informationen: +49 8061 907931.
0 Kommentare