Text: Ernst Schusser und Eva Bruckner Fotos: Pexels, Pixabay
In den 1980er- und 1990er-Jahren war zunehmend der Wunsch in der Bevölkerung vorhanden, bei der Verabschiedung von Verstorbenen, beim Trauergottesdienst und der Seelenmesse auch volksmusikalische Klänge einzubauen, zumal wenn die Verstorbenen eine besondere Beziehung zur überlieferten regionalen Volksmusikpflege hatten. Die Familien beauftragten dann z. B. ihnen bekannte Stubenmusiken oder Gesangsgruppen mit der musikalischen Gestaltung – manchmal waren es auch (Kirchen-)Chöre mit entsprechendem Liedgut. Die Instrumentalisten profitierten von Noten, die der oberbayerische Bezirks-Volksmusikpfleger Wolfgang Scheck (1943–1996) erstellt und herausgegeben hatte. Entsprechende Lieder fanden sich in den Liedblättern von Wastl Fanderl (1915–1991) oder im Repertoire vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, hergerichtet von Kurt Becher (1914–1996) oder von Wolfgang A. Mayer vom Institut für Volkskunde in München. Auch Volksgesangsgruppen gestalteten (neue) Lieder, so z. B. die Seelenmesse (1979) von Elke Müller und Sepp Rubenberger (1931–2013).
Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch
Immer mehr aber kam der Wunsch auf, eine Auswahl weiterer Lieder zur Hand zu haben, für Gruppen und Chöre, die sich aber auch für den Volksgesang in der Kirche beim Gemeindegottesdienst eigneten. Besonders die Teilnehmer an den Fortbildungen und den Angeboten unserer im Bildungswerk Rosenheim 1980 begonnenen Reihe Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch äußerten diese Anregung. War es doch Ziel dieser Aktivitäten, überlieferte und auf der Basis der Überlieferung neugestaltete Lieder in den allgemeinen Volksgesang, in den Kirchengesang und das Singen der Menschen auf der Grundlage der Entscheidungen und neuen Möglichkeiten des II. Vatikanischen Konzils einzubauen. Zur Reihe Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch haben wir vor kurzem erst auf Initiative des damaligen Bezirks-Volksmusikpflegers Leonhard Meixner im Magazin ZeMuLi (Heft 2/2025, S. 11 bis 16) des Bezirks Oberbayern berichtet. Gern schicken wir Ihnen den Beitrag.

Siehe auch: »Herr, wie du willst, soll mir geschehn«
Das Bunte Heft Nr. 36
Im Jahr 1991 war es dann so weit. Nach umfangreichem und zeitintensivem Durcharbeiten von Büchern und Sammlungen mit folgenden praktischen Erprobungen, Verwerfungen und Korrekturen, hatten wir eine Anzahl Liedvorschläge erarbeitet, die wir den Sängerinnen und Sängern, den Gruppen und Chören zum Ausprobieren übergaben. Zudem konnten wir vorher einen Fortbildungstag im Bildungszentrum Rosenheim für Liedversuche nutzen, an dem Rosl Brandmayer (1905–2000) die früheren Erfahrungen des Bildungswerks und von Fritz Kernich (1907–1986) mit den Liedern einfließen ließ. Besonders gefiel die Orientierung an der Ökumene und dem II. Vaticanum, die Pfarrer Prof. Dr. Georg Kraus einbrachte – und die menschlich eingängige Textgestaltung mit dem Trost für die Trauernden und dem starken gläubigen Blick auf die Auferstehung. Darauf hatten unsere geistlich-menschenzugewandten Wegweiser bei der Auswahl und textlichen Erneuerung, Pfarrer Hans Durner (1928–2020) in Degerndorf und Otto Schüller (1910–2001) in Berchtesgaden Wert gelegt. Eine wichtige Grundlage lieferten Christl Diwischek und Sepp Wastlhuber mit ihrem Arbeitsheft für die Werktage zum geistlichen Volkslied 1988 vom Landesverein (Kurt Becher) auf dem Petersberg im Landkreis Dachau.

Siehe auch: »O reichet mir den Wanderstab«

Siehe auch: »So sehr hat Gott die Welt geliebt«
In der Reihe Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch konnte das Bildungswerk Rosenheim im Jahr 1991 das Bunte Heft Nr. 36 mit dem Titel O reichet mir den Wanderstab – Lieder zur Beerdigungsfeier mit Gemeindegottesdienst herausgeben. Das Liederheft hatte mehrere Auflagen, ehe es unter Einbeziehung von über 25jähriger Praxis im Jahr 2018 eine neue Auflage mit umfangreichem Anhang weiterer Lieder erlebte. Im Folgenden sollen einige Impulse, Grundlagen und Lieder aus diesem Heft angesprochen werden.
Die Liedvorschläge für den Zwischengesang (sh. S. 66)dienen zur Hinführung und Vertiefung des Wortes Gottes. In einigen Liedern ist genau auf Schriftstellen eingegangen, die beim Gottesdienst gelesen werden können.

Siehe auch: »Ich bin die Wahrheit und der Weg«

Siehe auch: »Jetzt muss ich aus mein’ Haus!«
Der Hauptteil des Heftes bringt Lieder für den Gemeindegottesdienst (Requiem, Abschieds- und Beerdigungsgottesdienst, Seelenmesse, Auferstehungsfeier). Die Lieder, die für den Eingang, Zwischengesang, Gabenbereitung, Kommunion, Dank und Schluss vorgeschlagen werden, können teilweise auch untereinander ausgetauscht werden. Sie eignen sich auch für den Rosenkranz, die Feier in der Aussegnungshalle oder am Grab.
Vorangestellt sind die Lieder aus den überlieferten Totenbräuchen. Totenwache, Gebet im Trauerhaus, Rosenkränze und Nachtwache waren Gelegenheiten, in nachbarlicher Gemeinschaft der Verstorbenen in Gebet und mit Singen zu gedenken, zu trauern und Abschied zu nehmen (Urlaubslieder). Die Volksliedsammlungen zeugen von der Vielfalt und dem Reichtum dieser Lieder aus der privaten Volksfrömmigkeit vergangener Generationen, die nicht alle für die Liturgie des Beerdigungsgottesdienstes passen.
Singen als Trost und Verkündigung
In seinem Begleitwort weist Pfarrer Durner auf die heilende Kraft des (gemeinsamen) Singens hin, wie es (früher) bei der privaten Volksfrömmigkeit üblich war und jetzt im Gemeindegottesdienst der Beerdigungsfeier möglich wäre. »Bei den Trauergottesdiensten wird es nötig sein, den Trauernden zuzumuten, dass sie versuchen mitzusingen, denn das Singen ist eine Medizin und keine Verzierung. Vielleicht lässt man im Verlauf des Gottesdienstes die trauernden Mitfeiernden wachsen von der Trauer bis zum österlichen Trostlied, von der Teilnahme an ihrem Leid bis zur Botschaft unseres Glaubens von Auferstehung und ewigem Leben. […]«
Weiter ist Pfarrer Hans Durner überzeugt: »[…] Sicher wird mancher Mitfeiernde bei einem Sterbegottesdienst auch an sein eigenes Sterben denken, vielleicht tut ihm das gut. Aber es geht bei all unseren Gottesdiensten primär um eine ›Frohbotschaft‹ und nicht um eine ›Drohbotschaft‹.
Wir glauben, dass es eine Hölle gibt, aber niemand ist verpflichtet anzunehmen, dass irgendein Mensch in der Hölle sein muss. Der Mensch soll nicht aus Angst und Furcht zum Kreuz kriechen, sondern er soll aus Liebe sich seinem Gott öffnen. Das ist unser Auftrag. Seit dem Konzil ist wieder klar ausgesagt, dass unser Gesang einerseits das Antworten auf die Botschaft ist, und andererseits ist unser Singen das Verkünden der Botschaft selber mit unseren Möglichkeiten.«

Siehe auch: »Alle Menschen müssen sterben«

Siehe auch: »Herr, bleib bei uns«
Der Ostergedanke – Halleluja
Bei vielen Liedern leuchtet die Auferstehung von Jesus Christus durch, im Hinblick auf unsere eigene Auferstehung. Inwieweit diese freudigen Lieder mit ihrem Halleluja den trauernden Angehörigen zugemutet werden können, ist der jeweiligen Situation überlassen. Doch ist gerade die Auferstehung und das ewige Leben bei Gott der Kernpunkt des christlichen Glaubens – und Hoffnung und Trost für alle Menschen.
Die Anordnung der Lieder im Bunten Heft Nr. 36 ist nicht zufällig. Es sei darauf hingewiesen, dass es nicht zwangsläufig der feste Ablauf einer Begräbnisfeier ist, wenn sie am offenen Grab endet. Vielmehr hat für die gläubigen Menschen – und vielleicht auch für andere – die Abfolge
- Aussegnungshalle
- Grab
- Gemeindegottesdienst in der Kirche
durchaus Aussagekraft: Der Segnung des Verstorbenen und dem Abschied am Grab folgt beim Gemeindegottesdienst der Blick auf die Auferstehung. Die umgekehrte Tradition des Ablaufes in den meisten Orten kann durchaus ein Hindernis für die Änderung der Abfolge sein. Wer es geschafft hat, der berichtet von positiven Gefühlen. Gerade dieses wollen wir auch mit unserer Einteilung und Anordnung der Lieder fördern: Den Blick auf Ostern.
Gerade in der letzten Zeit werden wir vielfältig mit Fragen zu Tod und Beerdigung, mit dem Sinn des Lebens, mit christlichem Glauben und ewigem Leben befasst. Es ist festzustellen, dass auch Nicht-Christen durchaus Positives aus diesen Liedern und dem gemeinsamen Singen schöpfen können. Die Beerdigungsfeiern können nicht nur für Musikanten, Sänger und (Volks-) Musikfreunde sehr hoffnungsvoll sein. In den letzten Ausgaben der Volksmusik-Zeitung haben Praktiker über dieses Erleben berichtet. Darauf hier einzugehen würde den Rahmen sprengen.
Angebot und Einladung
Das Bunte Heft Nr. 36 O reichet mir den Wanderstab (66 Seiten, fast 50 GEMA-freie Lieder, einstimmig mit Quellen, dazu Einführungen und Texte über Begräbnis und Liturgie) ist bei den Autoren kostenlos erhältlich, solange der Vorrat reicht: Ernst Schusser, Friedrich-Jahn-Str. 3, 83052 Bruckmühl, Tel. +49 8062 8078307, ernst.schusser@heimatpfleger.bayern. Gern kommen sie auf Anfrage auch in Ihre Gemeinde zu einem Singabend mit Liedern aus diesem Heft in aller Vielfalt der Inhalte.







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