Über Grenzen der Volksmusik und grenzenlose Volksmusik

Eine Kolumne

20. Januar 2025

Lesezeit: 2 Minute(n)

Man stelle sich mal vor, dass auf einem fremden Planeten, in einer fernen Galaxie am anderen Ende des bekannten Universums eine Gruppe musikalisch begeisterter Lebewesen säße. Die Geräuschkulisse der fremdartigen Fauna und Flora überstiege sicherlich unser Vorstellungsvermögen und ebenso die seltsamen Musikinstrumente, die diese außerirdischen Space-Waldler zu spielen pflegen. Wummernde Trommeln aus bizarren Baumstümpfen, merkwürdige Dudelsäcke aus unbekannten Tierhäuten, vielhälsige Saiteninstrumente und mehrstimmige Flöten – und obendrein derart ungewohnte Tonsysteme und Melodien, dass unsereins aus dem Wundern nur schwer wieder herauskäme.

Aber man muss ja nicht zwingend nach ­Kepler-442 b oder nach Proxima Centauri reisen. Das wäre eigentlich auch viel zu anstrengend und von der Arbeit kann man auch nicht so mir nichts, dir nichts ein paar Lichtjahre frei nehmen und außerdem muss daheim ja auch irgendwer die Katzen füttern. Da ist es womöglich zielführender sich mit der Musik seines eigenen Planeten, der Erde, zu begnügen.

Und es muss auch nicht gleich das unwirtliche Vakuum des Weltraums sein, dem eine andersgeartete musikalische Entwicklung zu verdanken ist. In den vergangenen Jahrtausenden genügte oftmals eine Gebirgskette, ein undurchdringlicher Wald oder ein großes Gewässer, um irgendwelche Völker mit ein paar billigen Knochenflöten und selbstgeschnitzten Stabzithern lange genug alleine zu lassen, um ein paar hundert Jahre später eine reiche Musikkultur vorzufinden. Etwa eine, deren lyrischer Gesang sich in Vierteltönen durch die schwüle Luft schraubt, eine, die mit tänzerischen Jigs & Reels über grüne Hügel fliegt, oder aber eine, die mit warmherzigen Melodien und vertrackten Rhythmen Schaufelstiele, Gockel und Ochsen besingt. Im Nachgang betrachtet lag in der geografisch erzwungenen Isolation oft auch das Potential zu eigenwilligen musikalischen Entwicklungen.

Und heute? Heute verschwimmen die Grenzen mehr und mehr, nicht zuletzt durch die globale Digitalisierung. Keine Berge trennen uns mehr, sondern eher die Grenzen der Sprache oder aber fremdartige Tonsysteme und Klangwelten traditioneller Musik. Wenn wir die Einzigartigkeit regionaler Musikwelten erkennen, dürfen wir in der Nähe und in der Ferne immer wieder staunend lauschen und können auch für unsere eigene Musik von einer unermesslichen Vielfalt zehren. Das Fremde durch das wir, nicht nur musikalisch, immer wieder Neues entdecken, dürfte uns auch trotz Globalisierung mindestens noch einige Jahrhunderte erhalten bleiben. Und falls der Austausch mit all diesen verschiedenen Musiken irgendwann doch einmal langweilig werden sollte, freue ich mich schon auf eine intergalaktische Jamsession auf Kepler-442 b. Zeitlich werd ich’s mir wohl einrichten können.

Matthias Matze Wolf

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