Geburtstagspostings im realen Leben

Neuer Brauch in der Steiermark

2. Mai 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Text: Doris Grassmugg Fotos: Maximilian Schmierdorfer, Doris Grassmugg, Musikverein Rabnitztal-Eggersdorf

Runde Geburtstage gehören gefeiert. Heute wird dies auch ganz deutlich sichtbar gemacht. Fährt man durch die Steiermark, trifft man immer wieder auf Banner, Tafeln, Bäume und ähnliches, die auf einen runden Geburtstag hinweisen.

Geburtstage wurden in der ländlichen Bevölkerung bis zum Zweiten Weltkrieg kaum gefeiert. So schreibt Paul Sartori 1910 in seinem Handbuch zur Volkskunde Sitte und Brauch, dass auf dem Lande die Geburtstage vielfach nicht gefeiert werden. Geburtstage wurden meist nur im adeligen und städtischen Bereich begangen. Traditionell war es der Namenstag, an dem Kinder von ihren Paten Geschenke erhielten.

Erst mit dem aufkommenden Wohlstand wurden verstärkt Geburtstage gefeiert. Neben Kindergeburtstagen waren es anfangs vor allem runde Geburtstage, die gefeiert wurden – meist beginnend mit dem 50er mit Familie, Freunden und Vereinen. Allerdings noch ohne äußerliche Anzeigen.

Waren es vor einigen Jahren noch die 50. oder 60. Geburtstage, die öffentlich gemacht wurden, startet man nun meist mit dem 18. Geburtstag. Der 18. Geburtstag als Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen zeigt sich meist durch Plakate, die von der Familie gestaltet werden. Danach treten sehr oft Freunde als Gestalter auf, die natürlich auch auf eine trinkfreudige Party hoffen.

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Am Anfang war das Storch-Aufstellen

Doch woher kommt dieser neue, weitverbreitete Brauch? Der Beginn dürfte im Storch-Aufstellen bei der Geburt eines Kindes zu finden sein, ein Ritual, das in der Steiermark seit rund 20 Jahren zu beobachten ist. Meist sind es Freunde und Arbeitskollegen, die sich darum annehmen. So ist es auch bei den Geburtstags-Zeichen. Helga Maria Wolf schreibt, dass neu entstandene Rituale Phasen markieren, die im Leben früherer Generationen keine Rolle gespielt haben. Dazu zählt sie auch das aufwendige Feiern von Geburtstagen. Lebensgeschichtliche Übergänge sind von gemischten Gefühlen begleitet, Rituale können helfen, diese Hoffnungen, Erwartungen und Ängste in eine offene Zukunft besser zu bewältigen.1

Die Welt hat sich gewandelt, man zeigt sich und seine Lebenswelt heute häufig auf social media-Kanälen. Hier sind persönliche Fotos mehr oder weniger öffentlich zugänglich und so ist es heute relativ einfach, diese Fotos und Postings in die reale Welt zu übertragen. Mit einfachen Apps können mit diesen Fotos (Geburtstags-)Plakate gestaltet und gedruckt werden. Vor 30 Jahren wären dies sehr zeitaufwendige und kostspielige Aktivitäten gewesen.

Brauchbar!?

Kann man bei dieser neuen, öffentlichen Sichtbarkeit von Geburtstagen eigentlich bereits von einem neuen Brauch sprechen? Helga Maria Wolf schreibt: »Bräuche fallen nicht vom Himmel […]. Sie werden erfunden, wenn man sie braucht. Bräuche wandern, entwickeln sich dynamisch weiter, verschwinden […].«2 Bräuche und Rituale sind flexibel und wenn man keine passenden findet, schafft man neue.

So gesehen kann man diese Zurschaustellung von Geburtstagen durchaus als einen neuen Brauch bezeichnen. Von besonderer Bedeutung scheint bei diesem Brauch der Übergang in eine neue Lebensphase zu sein, die gemeinschaftlich erlebt werden will. Rituale geben hier Sicherheit und zeigen auch den soziokulturellen Kontext auf. Im Mittelpunkt steht dabei die zu ehrende Person, deren Beliebtheit sich auch in der Kreativität und Originalität der aufgestellten Objekte zeigen kann.

Wie schauts aus?

Man kann hier pauschal zwischen zwei Objektarten unterscheiden: einerseits findet man aufgestellte Maibäume, die in diesem Fall als Geburtstagsbäume bezeichnet werden und meist nur mit dem Jubiläumsalter oder gewissen, zur Person passenden Gegenständen geschmückt sind. Sehr beliebt sind bei Männern auch mit Bierkisten gestaltete Zahlen, bei Frauen findet man Holzblumen oder ähnliches. Sehr kreative Menschen nehmen auch auf Hobbys Bezug und gestalten so manche Kuriosität, wie z. B. ein Fahrrad mit Fahrer oder eine Trompete.

Zur zweiten Art gehören die personalisierten Aufsteller, dabei handelt es sich meist um Plakate, die Bilder aus dem Leben der geehrten Person zeigen. Auch hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Sammeln und dokumentieren

Das Steirische Volksliedarchiv, das von der Volkskultur Steiermark GmbH betreut wird, widmet sich zusätzlich zur Sammlung, Archivierung und Weitergabe von Volkslied und Volksmusik auch der Dokumentation steirischer Trachten und Bräuche. Die Volkskultur Steiermark GmbH fungiert als Servicestelle für volkskulturelle Verbände und Träger des immateriellen Kulturerbes der Steiermark. Es ist ihr ein besonderes Anliegen, das kulturelle Erbe unseres Bundeslandes nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch eine Plattform für Austausch, Vernetzung und Zusammenarbeit für Volkskulturakteure zu schaffen. Mag. Doris Grassmugg fungiert dort als Ansprechpartnerin.

www.volkskultur-steiermark.at

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