Text: Magnus Kaindl Fotos: Damian Pertoll, Serafin Dariz Prieth
Wer mit Markus Prieth ins Gespräch kommt, spürt sehr schnell seine Präsenz, seine Neugier und seinen unbändigen Ideenreichtum. Und wer schon einmal in den Genuss gekommen ist, den Südtiroler live bei einem seiner Jodel-Workshops oder Musik-Sessions zu erleben, kann bestätigen, mit welch kraftvoller aber auch feinfühliger Energie er sein Herzensthema Musik auf spontane Art unter die Leute bringt. Magnus Kaindl hat unlängst einen Jodel-Workshop bei Markus Prieth besucht und ist mit ihm ins Gespräch gekommen.
Magnus Kaindl: Lieber Markus, wie bist du zur Musik und explizit zum Singen gekommen?
Markus Prieth: Musik war bei uns immer schon im Haus. Mein Vater ist Chorleiter und Musikkapellmeister gewesen. Ich habe schon als Kind in Chören mitgesungen. Aber das Chorthema war während meiner Jugend dann völlig verpönt in meinem Kopf. Ich hatte ein schwieriges Verhältnis zu meiner eigenen Stimme und so habe ich es auch über Jahre einfach sein lassen.
Erst so mit 20 Jahren kam wie ein Blitz eine innere Stimme, die zu mir gesagt hat: »Scheiß drauf, du hast eine Stimme, du hast Lust zu singen, du machst das jetzt einfach!« Ich habe schließlich vor 16 Jahren die Gruppe Opas Diandl gegründet und bin dort seitdem neben meiner instrumentalen Begleitung in der exponierten Rolle des Sängers.
Markus, erzähl uns mehr über deinen musikalischen Werdegang!
Gerade in der Jugendzeit war es für mich wichtig, nicht so zu sein wie alle anderen. So habe ich mir musikalische Nischen wie Punk, Grunch und Industrial gesucht. Oder aber als krasses Gegenstück dazu die klassische Musik eines Bach, Brahms oder Schubert, die für andere Jugendliche eben auch keine gewichtige Rolle spielte.
Total ausschlaggebend für mich war aber immer, selber Musik zu machen und nicht nur zu konsumieren. Das hat mich völlig in den Flow gebracht. Das war es, was ich gesucht habe und bis heute noch suche.
Etwas später hatte ich auch ein Aha-Erlebnis mit der Volksmusik. Der erste Bassist von Opas Diandl und ich haben am gleichen Tag Geburtstag und wir haben viel miteinander gefeiert. Zu den Gästen haben wir immer gesagt: »Schenkt uns nichts, sondern spielt uns was!«. An besagtem Geburtstagsfest haben wir uns durch die Genres gejamt, bis uns irgendwann das Repertoire ausgegangen ist. Dann haben wir beschlossen, Hinter mein Vadern sein Stadl zu spielen. Auf einmal saßen alle seelig ruhig da und waren ganz ergriffen. Das fand ich total interessant und so kam eins zum andern, Opas Diandl ist entstanden und jetzt steck ich natürlich voll mittendrin.
Hast du in deiner Begeisterung für Musik ein musikalisches Studium eingeschlagen?
[schmunzelt] Nein, eine musikalisch-akademische Laufbahn habe ich nie eingeschlagen. Es wurde mir zwar immer wieder angeboten, ich bin aber darum herumgeschwänzelt.
Aber ich habe immer Musik gemacht und vor allem selber Musik geschrieben. Ich habe mir das alles autodidaktisch beigebracht. Und ich war ständig mit Leuten zusammen, die quasi für mich Musik studiert haben und mit mir Musik gemacht haben – bis heute.
Darüber hinaus bist du in deine Vermittlerrolle hineingewachsen. Wie kam es dazu?
Ich habe schon früh einen Kinderchor geleitet. Die damalige Chorleiterin hat mich da einfach machen lassen, was total schön war. Während des Studiums habe ich über verschiedene Lehrgänge in Theaterpädagogik und Erziehungswissenschaften dann wirklich angefangen, mit Gruppen zu arbeiten. Nachdem ich damals auch schon viel mehr Musik als Theater gemacht habe, habe ich die Musik sehr stark in die Theaterarbeit einfließen lassen. Man kann da so viel musikalisch ausleben, Ressourcen frei machen und schließlich Ideen umsetzen, um mit Menschen zu singen.
Die Frage, die mich bis heute bewegt ist, wie ich mit Menschen zusammenarbeiten kann, so dass ihnen ihre Lust frei wird. Meine Rolle, das herauszukitzeln und anzuleiten ist einfach ein super Job, ein super Arbeitsfeld für mich.
Und dann kam das erste Jodelangebot?
Auch das Jodeln hat mich schon immer begeistert. Plötzlich wurde ich gefragt, ob ich nicht Jodeln vermitteln möchte. Da habe ich mich erst gefragt: »Was soll ich denn da überhaupt zeigen?« und habe abgelehnt. Als ich das einem guten Freund von mir erzählt habe, der selber ein hervorragender Jodler ist, hat er gesagt: »Ja, spinnst du Markus, warum machst du das nicht, was du so gut kannst!«. Die zweite Anfrage habe ich dann angenommen. Das war eine Jodelwanderung 2008.
In dieser Phase habe ich eigentlich nur gejodelt, teils tage- und nächtelang. Das kann ich jetzt nicht mehr, weil es für mich dramaturgisch einfach zu wenig ist. Da ist es schön, wenn zwischendurch einfach mal ein Musikstück kommt, auf das man tanzen oder auch einfach mitspielen kann. Das alles miteinander zu verbinden ist superschön.
Dein Vermittlungsansatz hat sich über die Jahre also gewandelt? Welche Elemente setzt du ein?
Es hat sich im Laufe der Zeit natürlich viel weiterentwickelt. Ich habe keinen Spaß dabei zu sagen, jetzt machen wir diesen Jodler und dann ist er fertig und wir gehen zum nächsten Jodler über. Es geht mir nicht rein darum, ums Erlernen einer Technik, oder dass man so und so viele Jodler gelernt hat. Für mich hat alles eine Dramaturgie. Als Vermittler kann ich aktiv gestalten, den Raum aktiv erlebbar machen und einen Flow herstellen, wo alles hindurchfließen kann. Dazu gehört es auch, auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden spontan einzugehen, neue Momente spontan zu kreieren. Es geht darum, was im Moment passiert und diesen Moment mit möglichst vielen Sinnen zu spüren.
Ich setze zwischendurch gerne Bewegung und Tanz ein. Auch Elemente von Body-Percussion, wie zum Beispiel das Paschen, kommen zum Einsatz. Und wenn es sich ergibt, singe ich mit meiner Gitarre zwischendrin einfach mal ein Lied mit allen, das mit Jodeln überhaupt nichts zu tun hat. Die Vermittlungsidee bewegt sich also eher zwischen Workshop und Session. Das ist durchaus eine komplexe Situation. Wenn das gelingt, freut mich das natürlich sehr. Es ist lebensausfüllend.
Du entwickelst natürlich auch eigene Jodler, die du unlängst in einem Jodel-Werk publiziert hast. Welche Inspirationsquellen nutzt du? Und stützt du dich auf überlieferte Quellen?
Beim Jodeln nutze ich eigentlich so gut wie keine Quellen. Ich orientiere mich schon auch an der Tradition, sodass neue Jodler wie alte klingen. Das mit alt und neu interessiert mich aber gar nicht so. Es hat immer etwas mit Gestaltungslust zu tun. Bei mir ist es ganz oft so, dass ich irgendwo etwas ganz Alltägliches aufgreife – am Küchentisch oder am Wasser – dann schwimm ich dem einfach hinterher und fange an, mit den musikalischen Bausteinen zu spielen. Ich nehme auch hin und wieder Auftragsarbeiten an. Dabei ist es mir wichtig, zu fragen, was die Leute in diesem Moment bewegt, welche Geschichten mir die Leute über sich erzählen.
Und noch ein Wort zum Jodel-Werk: Ich habe mir eigentlich gesagt, dass ich meine Jodler nicht aufschreibe. Aber der Wunsch meiner Kundschaft war schließlich so groß, dass ich es doch gemacht habe. Zusammen mit einer guten Freundin und Jodlerin Monika Greif haben wir so 51 selbst komponierte und arrangierte Jodler herausgegeben. Spannend war hier vor allem, wie sich diese Melodien so transkribieren lassen, dass sie neben der musikalischen Exaktheit auch die Möglichkeit des freien Gestaltungsausdrucks wiederfindet. Sich hier durchzulavieren war total spannend.
Großwalser
Markus, du hast vorher schon kurz das Thema Volksmusik anklingen lassen. Wie würdest du sie definieren und welche Rolle spielt sie für dich in deinem täglichen Tun?
Die Volksmusik war natürlich über das Engagement meines Vaters immer irgendwie existent. Ich bin aber ziemlich unbedarft damit aufgewachsen, das war nie dogmatisch. Heute wird die Frage nach der Definition gerade als Künstler an mich gestellt. Das macht es in Südtirol nicht ganz einfach, weil Volksmusik hier immer ein Politikum ist. Als Künstler darf ich aber sagen, es ist mir völlig egal! Das meine ich nicht böse, sondern im besten Sinne. Musik ist so leicht wie die Luft für mich. Da merke ich, wie schwer es wird, das zu definieren. Auch die Volksmusik ist völlig leicht und ich liebe alle Nuancen, die man entdecken kann. Ich bleibe dabei nicht am Alpenrand stecken. Polen hat so schöne Musik, Schweden hat so schöne Musik und da gilt es einfach viel zu entdecken. Sie lädt ein, überall dort Wurzeln zu schlagen, wo ich mich musikalisch wohlfühle.
Was mich am Allermeisten reizt und mir Freude bereitet ist die Tatsache, dass es eine Freizeitangelegenheit ist, zu tanzen, zu spielen und zu singen. Wir sind zusammen, treffen uns im Klang und entfalten die Zeit ins Unendliche. Das ist einfach Wahnsinn. Weil wir uns gegenseitig die Zeit schenken mit Musik und der Stimme zu klingen und direkt ins Herz zu fahren. Die Musik kann der Zeit eine Falte schlagen. Das ist einfach grandios!
Und Volksmusik oder Jodler sind nie umsonst. In den 40 Sekunden eines Jodlers suchen und finden sich die Menschen. Die Harmonie fährt direkt hinein, spiegelt die Gestaltungslust und das zusammen Klingen wollen. Das im Alltag zu verankern, diese schöpferische Leistung zu genießen, die Musik für den eigenen Gebrauch zu entdecken, die vielen damit verbundenen Emotionen zu durchstreifen, einzutauchen, vom Lachen bis zum Weinen, bis ins Tragische, bis in die Liebe und Sehnsucht, ist etwas unfassbar Schönes. Sie lässt uns innehalten, pausieren, sie unterbricht den normalen Lauf der Zeit. All das kann die Musik so wahnsinnig toll konzentrieren und transportieren.
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