»Vergessenes freischaufeln.«

Sepp Eibl: Gitarrist, Wegbereiter und Dokumentar

1. Dezember 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Der Musikant, Filmautor, Publizist und Zeichner Sepp Eibl ist am 10. August 2023 im Alter von 89 Jahren in Kreuth am Tegernsee verstorben. Wegbegleiter René Senn erinnert sich an ihn.

Text: René Senn Foto: Evi Strehl, Archiv Thomas Plettenberg

Sepp Eibl lernte ich 1978 bei einem Gitarrenseminar in Herrsching kennen. Er leitete den Meisterkurs und ich war mit anderen Dozenten für Anfänger und Fortgeschrittene zuständig. Zur gleichen Zeit fand in der Bildungsstätte des Bayerischen Bauernverbandes eine Fortbildung für Landfrauen statt. So trafen sich alle am zweiten Abend zum gemeinsamen Singen und Musizieren in der Kellerbar. Sepp Eibl spielte zusammen mit Hans Igl im Gitarrenduo. Auf die vielen Fragen der Landfrauen antwortete Sepp Eibl immer mit einem passenden Liedanfang oder Musikstück, zur Freude der Landfrauen. Nach Mitternacht waren wir noch zu dritt mit mir als Zuhörer. Gegen vier Uhr morgens sagte Sepp Eibl, »Ich gehe jetzt mit dem Hans Igl nach Hause und helfe ihm beim Melken seiner Kühe.« Sehr zum Ärger des Veranstalters und der Teilnehmer war er dann drei Tage weg und kam erst am Samstag zum Abschlusskonzert wieder. Fazit: Sepp Eibl spielt lieber als zu unterrichten.

Sepp Eibl war nicht nur ein herausragender Gitarrenspieler, sondern auch ein leidenschaftlicher Botschafter der bayerischen Volksmusik, insbesondere der traditionellen altbairischen Volksmusik, sein Motto: »Vergessenes freischaufeln«. Seine Auswahl und Zusammenstellung altbairischer Gitarrenstücke aus alten Notensammlungen und Musikantenhandschriften und sein schnörkellos authentisches Spiel sind in jeder Hinsicht ein Fundus für die Nachwelt.

Im September 2013 war Sepp Eibl zu Gast bei Christoph Well in der Sendung Stofferls Wellmusik im Bayerischen Rundfunk – natürlich wurde musiziert.

Unendliche Verdienste

Neben Tobi Reiser, der auch eigene Stücke komponierte, war Sepp Eibl ein Pionier in der Umsetzung traditioneller Geigen-, Flöten- oder Klarinettenmelodien auf der Gitarre mit klassischer Gitarrentechnik. Seine Liedweisen, Boarischen, Polkas, Landler und Halbwalzer sind in der traditionellen dreiteiligen Form zusammengestellt oder zu mehrteiligen Landler- oder Halbwalzerpartien aneinandergereiht. Melodien aus der Bauernmusi von Raimund Zodler und Rudolf Preiß (1919), deren zwei Folgen Sepp Eibl als »Bibel der Volksmusikanten« bezeichnete, gehörten zu seinem Spielrepertoire.

Noch ein halbes Jahr vor seinem Tod spielte Sepp Eibl im Rahmen der Musikabende in der Helberger Villa (Verein zur Pflege der Bayerischen Volksmusik e.V.) im Gitarrenduo mit Elisabeth Maurer oder im Duo mit Florian Pedarnig an der Harfe. Neben immer wieder neu gefundenen Melodien aus seinem Notenschatz spielte er Melodie- und Begleitgitarre aus seinem alten Repertoire.

Die Münchner Musikblätter, von 1979 bis 2003 herausgegeben von Sepp Eibl, enthalten »Melodien aus Handschriften ehemaliger Tanzbodenmusikanten, die sich in Bibliotheken befinden und bisher noch nirgends veröffentlicht wurden. Ergänzt wird das Quellenmaterial durch Aufsätze und Hinweise für den praktischen Gebrauch. Der Musikliebhaber findet z. B. traditionelle Landlermelodien, Hochzeitsmusik und viele Tanzmelodien, die das häusliche Musizieren bereichern«, schreibt Sepp Eibl. Von 1969 bis 2000 hat er für den Bayerischen Rundfunk hunderte von Tonaufnahmen und Fernsehdokumentationen über Volksmusik und Volksmusikanten gemacht, die im Archiv des BR aufbewahrt werden und zu seinem Lebenswerk gehören.

Mit seinen Freunden trat Sepp Eibl bis zuletzt auf.
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Landler in G

Der Landler in G aus der Bauernmusi hat Sepp Eibl selbst immer wieder fasziniert, wie er bei seinen Konzerten zeigte. Die zweistimmige Melodie wurde unverändert übernommen, lediglich die Praller-Verzierungen in der Oberstimme wurden hinzugefügt. Bei der Umsetzung der Noten auf der Gitarre ist der Fingersatz eine Art Leitfaden. Wer wenig Erfahrung mit dieser Spieltechnik hat, sollte sich unbedingt nach dem Fingersatz richten. Der Fingersatz der Greifhand ist so angelegt, dass die einzelnen Melodiephrasen zusammenhängend gespielt werden können. Um einen möglichst homogenen Anschlag der beiden Stimmen zu erreichen, kann das Stück durchgehend mit Zeigefinger (i) und Mittelfinger (m) angeschlagen werden. Optional kann auch der Daumen (p) mit einbezogen werden.

Landler in G

von Doris Leibold und René Senn. | renesenn.de

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Ländler Nr. 1

In der letzten »zwiefach«-Ausgabe wurden im Beitrag Blick in die Vergangenheit vier Ländler aus der Sonnleithner-Sammlung veröffentlicht. Der Vergleich mit dem Landler in G zeigt den unterschiedlichen melodischen Aufbau von Vorder- und Nachsatz. – Die Bezeichnung Landler oder Ländler leitet sich vom Wort Landlerischen (Österreich Anfang 19. Jh.) bzw. landlerisch oder ländlich ab und ist als Gattung identisch. Abgesehen davon, dass mit Landler auch ein Walzer mit 16 Takten gemeint sein kann. – Beim Landler in G ist der typische oberbayerische Aufbau bis auf den vierten Takt des Vorder- und Nachsatzes gleich: Schluss in der Mitte und Schluss. Bei den Sonnleithner-Ländlern sind Vorder- und Nachsatz unterschiedlich und enthalten somit die doppelte Melodie-Essenz. Beide Teile des Ländlers Nr. 1 sind nach G-Dur transponiert, damit sie auf der Gitarre gespielt werden können. Der Fingersatz der Greifhand ist für die alpenländische Gitarre etwas gewöhnungsbedürftig.

Ländler Nr. 1

von Doris Leibold und René Senn. | renesenn.de

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