Text: Petra Böhm; Fotos: Petra Böhm, Archiv Gerd Pöllitsch
In den 1970er-Jahren brachte der gelernte Maschinenbauer und Instrumentensammler Herbert Grünwald (1941–2012)eine Schwegelpfeife vom Steirischen Pfeifertag mit heim nach Garching. Zusammen mit dem promovierten Physiker Gerd Pöllitsch (*1941) wurde das Instrument, ein Modell von Hausa Schmidl (1905–1999), vermessen und mit einer Verbesserung der Intonation nachgebaut. Seitdem sind in Gerds Werkstatt über 500 Schwegel aus allen möglichen Hölzern und in unterschiedlichen Stimmungen entstanden.
Als Pfeiferin verbindet mich eine lange Musikantenfreundschaft mit Gerd Pöllitsch. Daher war er auch meine erste Anlaufstelle, um der Frage nachzugehen, aus welchen heimischen Hölzern Schwegel und Flöten gebaut wurden und werden.
Linde, Buchs, Ahorn, Eibe …
Instrumente aus Lindenholz findet man überwiegend als Vogelpfeiferl oder auch als kleine 6-Loch- Blockflöten mit schönen Verzierungen, meist mit dem Labium auf der Rückseite, im osteuropäischen Raum. Aus dem leicht zu bearbeitenden Holz wurden auch Kinderinstrumente im Berchtesgadener Land hergestellt. Bei alten Schwegelpfeifen, z. B. von Alois Ganslmayr sen. (1860–1934) oder Hausa Schmidl, findet man hauptsächlich Instrumente aus Ahorn, Zwetschge, Birne, Eibe oder Kirsche. Dietmar Derschmidt (1936–2022) baute seine Schwegel im Salzkammergut in der Tradition von Hausa Schmidl meistens aus Zwetschgenholz.
Als ideales Holz für den Bau von Blockflöten, Traversflöten und natürlich Schwegel sei hier der einheimische Buchs genannt. Viele historische Instrumente, z. B. barocke Blockflöten oder Traversflöten, belegen auch, dass Buchsbaum schon früh zum Instrumentenbau genutzt wurde. Buchs lässt sich gut bearbeiten und erzeugt ein brillantes und gleichzeitig warmes Klangbild. Als Gewächs ist der Buchs strauchartig, findet in Ziergärten große Verbreitung und gedeiht in unseren Breiten sehr gut. Durch sein langsames Wachstum entsteht ein außergewöhnlich dichtes, schweres Holz mit hervorragenden Eigenschaften für den Flötenbau.
Ahorn besitzt eine regelmäßige Struktur, ist vergleichsweise hart, lässt sich gut bearbeiten und ist auch in ausreichender Menge verfügbar. Der weiche Klang von Ahorninstrumenten eignet sich besonders gut für das Ensemblespiel. Als einheimischer Obstbaum sei die Birne genannt. Ihr rötlichbraunes Holz ist mäßig hart, feinporig und leicht zu bearbeiten. Die Klangfarbe lässt sich als warm und weich beschreiben.
Auch die langsam wachsende Eibe findet man, wenn auch eher selten, im Flötenbau. Das Holz ist außergewöhnlich zäh, dicht und neigt auch bei Feuchtigkeit kaum zu Rissbildung und Schimmelbefall. Der giftige Wirkstoff Taxin B ist nur in Blättern und Blüten enthalten, so dass vom fertigen Instrument keine Gefahr ausgeht. Leider stehen nur noch wenige Eiben zur Verfügung, da in der Vergangenheit großer Raubbau betrieben wurde. Instrumente aus Eibe klingen warm, weich und klar.
… Kirsche, Zwetschge, Mehlbeere, Holler …
Das Holz unserer Kirschbäume eignet sich auch zum Instrumentenbau. Das mittelschwere Holz lässt sich einigermaßen gut bearbeiten. Da es eine gewisse Faserigkeit aufweist, braucht es viel Sorgfalt bei der Intonation. Der Klang wird als leicht und elegant beschrieben. Die Kirsche zählt zu den einheimischen Edelhölzern. Gerne findet ihr Holz auch im Blockflötenbau Verwendung. Ihr geringes Gewicht ist gerade für tiefe Flöten von Vorteil. Pflaumen- und Zwetschgenbäume gelten als langsam wachsende Hölzer und bilden feine Jahresringe. Das mittelschwere, recht dichte Holz ist sehr begehrt für Drechselware aller Art. Zum Flöten- und Schwegelbau wurde das edle Holz in rötlichbrauner Farbe schon sehr früh verwendet.
Genannt sei noch die Kornelkirsche, ein Hartriegelgewächs, das in Österreich unter dem Namen Dirndlstrauch bekannt ist. Auch aus diesem Holz lassen sich gute Schwegel bauen. Allerdings finden heute überwiegend die Früchte zur Herstellung von Edelbränden Verwendung.
Aus der Familie der Rosengewächse möchte ich noch die Mehlbeere nennen. Der Name leitet sich von der Verwendung der getrockneten Früchte als Mehlersatz ab. Das helle Holz zeichnet sich durch große Härte und Zähigkeit aus, schwindet aber beim Trocknen stark. Da es leicht zu bearbeiten ist, wurde es u. a. auch beim Schwegelbau verwendet. Heute findet man die Mehlbeere häufig als Ziergewächs.
Ein Volksglaube, der auf die Germanen zurückgeht, besagt, dass die Göttin Freya, die Beschützerin von Haus und Hof, sich ihren Wohnsitz in einem Holunderbusch sucht. Das hatte zur Folge, dass in der Nähe des Hofes ein Holunderstrauch gepflanzt wurde und führte zu einer weiten Verbreitung des Holunders im Alpenraum. Im Laufe der Zeit sind noch viele Mythen rund um den Holunder entstanden, die hier jedoch unerwähnt bleiben sollen. Hauptsächlich kommt die Holunderblüte in der Hausmedizin zum Einsatz. Die Stämme gerade von alten Holundersträuchen eignen sich auch zum Schwegelbau.
… Pfaffenkapperl, Zirbe und Thuja.
Bei Gerd Pöllitsch, dem Erfinder und Entwickler der Multiholzpanflöte, findet man über die genannten Hölzer hinaus noch einige seltene Hölzer, um deren Auffindung sich meist noch eine Geschichte rankt. Beim Spazierengehen in den Garchinger Isarauen fiel Gerd ein alter Pfaffenkapperl-Strauch mit besonders dickem Stamm auf. Im zuständigen Forstamt wusste niemand über das seltene Exemplar Bescheid. Im Gegenteil, es wurde sogar behauptet, dass es gar keine so großen Pfaffenkapperl-Sträuche gibt. Eines Tages musste der Strauch einer Wegverbreiterung weichen. Da witterte Gerd seine Chance und rettete den Stock für den Schwegelbau. Nun musste der ca. 500 Jahre alte Stock erst einmal mindestens fünf Jahre trocknen.
Pro Zentimeter Dicke soll Holz zum Instrumentenbau mindestens ein Jahr gelagert werden. Um eine Schwegel zu bauen, braucht man einen Stamm von mindestens drei Zentimeter Durchmesser. Aus einem quadratischen Stück Holz wird dann die Schwegel gedrechselt. Für den Klang sind nicht nur die Eigenschaften des verwendeten Holzes verantwortlich, sondern auch die Herstellung. Für einen obertonreichen, scharfen Schwegelton muss die Innenfläche sehr glatt poliert sein. Auch sollte die Schwegel regelmäßig geölt werden. Auch die Intonation verlangt fundierte Kenntnisse und Präzision bei der Bohrung der Grifflöcher.
Eine besonders schöne Schwegel aus Zirbenholz durfte ich bei meinem Besuch anspielen. Nicht nur der Duft des Holzes, sondern auch der warme, weiche Klang machte das schon fast zu einem spirituellen Erlebnis.
Natürlich reizen auch die vielen Thujenhecken Gerd zum Bau von Schwegelpfeifen, die nicht nur außergewöhnlich schön anzusehen sind, sondern auch gut klingen. Vielleicht ist die Thuja wegen der großen Verfügbarkeit das Schwegelholz der Zukunft. Derzeit gibt Gerd sein Wissen über den Schwegelbau an Angela Lex weiter, die auch Mitglied der Garchinger Pfeifer ist.
Pfeifer-Szene in Bayern
Während in Österreich die Schwegel noch weiter verbreitet ist, gibt es in Bayern nur eine relativ kleine Schwegel-Gemeinde. Sie trifft sich einmal im Jahr am ersten Mai auf dem Taubenberg bei Warngau zum Bayerischen Pfeifertag. Gerd Pöllitsch ist als sogenannter Pfeifervater der Organisator. Seine neusten Schwegel, die von den Teilnehmern mit Spannung erwartet werden, bringt er mit. Man kann sie nach Herzenslust ausprobieren und natürlich auch eine Schwegel erwerben. Auch meine Sammlung ist schon auf eine stattliche Stückzahl angewachsen. Der erste Pfeifertag fand 1983 noch in den Räumen der Musikschule von Sepp Eibl statt, seit 1991 dann auf dem Taubenberg. Jedes Jahr gibt es ein Pfeiferheft mit Noten, aus dem fleißig musiziert wird. Leider musste in den vergangenen Jahren auch der Pfeifertag coronabedingt ausfallen. Zum Trost gab es ein Video von Martin Lamprecht, der auch seit einigen Jahren das Pfeiferheft zusammenstellt (https://youtu.be/kp5zeipU1Ms).
Die Garchinger Pfeifer, Gerds Tanzlmusi, sollen nicht unerwähnt bleiben. Jedes Jahr spielen sie am 30. April zum Tanz in den Mai im Gasthof Neuwirt in Garching auf. Gegründet wurde die Gruppe, um für den damaligen Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz Adolf Eichenseer Tonaufnahmen zu gestalten. Gerd und seine Freunde sollten unter dem Namen Garchinger Pfeiferlbuam auftreten. Das war aber dann den Gruppenmitgliedern, die ja alle schon Familie hatten, doch nicht recht und so wurde der Name Garchinger Pfeifer geboren.
Ein herzliches Dankeschön an Gerd, der mir einen so großen Einblick in sein Schaffen gewährt hat.
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